# taz.de -- Terroranschlag in London: Soldat vor Kaserne enthauptet | |
> Zwei Männer haben in London mit Messern, Machete und Fleischerbeil einen | |
> Soldaten niedergemetzelt. Es handelt sich mutmaßlich um eine Tat von | |
> Islamisten. | |
Bild: Unweit des Tatortes: die Royal Artillery Barracks in Woolwich. | |
LONDON afp/ap/rtr/dpa | Ein brutaler Mord mit mutmaßlich radikalislamischem | |
Hintergrund mitten in London: Am Mittwochnachmittag wurde ein Soldat in der | |
Nähe einer Kaserne mit Beilen und Messern von zwei Tätern enthauptet. | |
Premierminister David Cameron sprach von einem „abscheulichen Mord“ und | |
„starken Hinweisen“ auf einen terroristischen Hintergrund. Die Täter waren | |
der Polizei bereits vor dem Mord bekannt, sagte Cameron. Nach der Tat kam | |
es in Großbritannien zu islamfeindlichen Aktionen. | |
Der tödliche Angriff erfolgte am Nachmittag in dem südöstlichen Stadtteil | |
Woolwich, nur wenige Häuserblocks von den Royal Artillery Barracks, einer | |
Kaserne, entfernt. Die Behörden bestätigten, dass es sich bei dem Opfer um | |
einen Soldaten der britischen Armee handelt. Der Name des Opfers wird auf | |
Wunsch der Familie nicht veröffentlicht. Augenzeugen berichteten, das Opfer | |
sei enthauptet worden. Die Angreifer wurden nach der Tat von der Polizei | |
angeschossen. Einer der mutmaßlichen Täter wurde dabei lebensgefährlich | |
verletzt. Beide werden unter Polizeiaufsicht in unterschiedlichen | |
Krankenhäusern behandelt. | |
Laut Guardian ist einer der Täter der 28-jährige Michael Olumide Adebolajor | |
aus Lincolnshire. Adebolajor ist Brite nigerianischer Abstimmung. Berichten | |
zufolge sind beide Täter Muslime, die aus dem Umfeld christlicher | |
Einwanderer stammen und zum Islam konvertiert sind. Aus Londoner | |
Sicherheitskreisen verlautete, es gebe Hinweise auf radikalislamische | |
Motive für die Tat. | |
Im Stadtteil Greenwich wurde im Zusammenhang mit der Tat eine Wohnung | |
gestürmt und mehrere Menschen festgenommen. In der Grafschaft Lincolnshire | |
wurde am Donnerstagmorgen von Scotland Yard ein weiterer Verdächtiger | |
festgenommen, bestätigte ein Polizeisprecher. Der Haftbefehl stehe in | |
Zusammenhang mit dem Massaker in Woolwich. Nähere Angaben machte die | |
Polizei zunächst nicht. | |
Der britische Muslimrat verurteilte das Verbrechen. „Nichts rechtfertigt | |
diesen Mord. Barbarische Akte können in keiner Weise mit dem Islam | |
entschuldigt werden“, hieß es in einem Statement. Die brutale Attacke habe | |
die Täter „vom Islam ausgeschlossen“, sagte Paul Salahuddin Armstrong von | |
der Vereinigung der britischen Muslime. Der ehemalige Innenminister Lord | |
Reid sagte, es gehe nicht darum, „zwischen Islam und Nicht-Islam zu | |
unterscheiden, sondern zwischen Terroristen und dem Rest der Bevölkerung“. | |
Londons Bürgermeister Boris Johnson sagte: „Es ist absolut falsch, diese | |
Taten mit der Religion in Verbindung zu bringen.“ | |
Auf Bildern vom Tatort war ein blaues Auto zu sehen, das gegen einen | |
Wegweiser auf einem Gehweg geprallt war. Mit dem Fahrzeug soll das Opfer | |
angefahren worden sein, bevor er mit den Stichwaffen angegriffen wurde, | |
berichten Augenzeugen. Der britische Fernsehsender ITV zeigte am | |
Mittwochabend ein Amateurvideo mit einem jungen dunkelhäutigen Mann, der in | |
seinen blutverschmierten Händen zwei Messer hielt. „Auge um Auge, Zahn um | |
Zahn“, rief der Mann mit einem Südlondoner Akzent. Weiter forderte er zum | |
Sturz der Regierung auf. Er bedauerte, dass Frauen die Tat ansehen mussten. | |
„Aber in unserem Land müssen unsere Frauen dasselbe ansehen.“ | |
## „Wir werden niemals aufhören“ | |
Von welchem Land er sprach, ging aus dem Video nicht hervor. „Wir müssen | |
sie bekämpfen, wie sie uns bekämpfen“, sagte er mit britischem Akzent | |
weiter. Die britische Regierung solle „unsere Soldaten zurückholen“. | |
Britische Truppen sind zurzeit in Afghanistan stationiert und | |
Großbritannien hat kürzlich auch die französische Intervention in Mali | |
unterstützt. „Wir schwören beim allmächtigen Gott, dass wir niemals | |
aufhören werden, euch zu bekämpfen“, sagte der Mann. | |
Ein Anwohner, Fred Oyat, sagte, er habe in seiner Hochhauswohnung vier | |
Schüsse gehört und sei sofort ans Fenster gegangen. „Ich sah einen Mann | |
blutend am Boden liegen. Ein anderer lag auf dem Gehweg und wurde | |
entwaffnet. Ein Polizist richtete seine Waffe auf ihn. Ein dritter Mann lag | |
etwas weiter oben auf der Straße, er blutete heftig“, sagte der 44-Jährige. | |
„Es lagen vier Messer auf dem Boden – große Küchenmesser. Sie waren sehr | |
blutig.“ | |
Andere Bilder zeigten, wie der Mann mit einer Frau diskutierte – mit einem | |
großen Messer in der Hand. Die Zeitung Daily Telegraph identifizierte die | |
Frau als Ingrid Loyau-Kennett. Die 48-Jährige habe versucht zu | |
intervenieren, um weiteres Blutvergießen zu vermeiden. „Es seid nur ihr | |
gegen viele. Ihr werdet verlieren“, habe sie gesagt. Sie zitiert den Mann | |
mit den Worten: „Ich habe ihn getötet, weil er Muslime getötet hat und ich | |
die Nase voll von Leuten habe, die Muslime in Afghanistan töten. Sie haben | |
da nichts verloren.“ | |
## Obszönitäten über den Koran | |
In Großbritannien fanden nach der Tat mehrere islamfeindlichen Aktionen | |
statt. Ein 43-Jähriger wurde festgenommen, als er mit einem Messer in eine | |
Moschee in der Hauptstadt eindrang, wie ein Abgeordneter auf Twitter | |
berichtete. Ein zweiter Mann wurde wegen Verdachts auf rassistisch | |
motivierte Sachbeschädigung im Südosten des Landes festgenommen. Am | |
Mittwochabend demonstrierten rund 60 Männer in Woolwich. Einige trugen die | |
Fahne der rechtsextremen English Defense League, sangen nationalistische | |
Lieder und riefen Obszönitäten über den Koran. | |
Die Menschen in Woolwich reagierten entsetzt. „Das dies in einer lebendigen | |
Großstadt passieren kann, ist schockierend“, sagte ein Frau. Ein junger | |
Muslim legte in der Nähe des Tatorts Blumen nieder. „Das hat nichts mit | |
Gott zu tun. Es zerbricht einem das Herz“, sagte er. | |
## Anschlag auf alle in Großbritannien | |
Auch Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen verurteilte die Tat. | |
„Solche Anschläge sind niemals zu rechtfertigen“, sagte er in einem | |
Statement. Die britische Innenministerin Theresa May sagte nach der ersten | |
Sitzung des Sicherheitskabinetts, es sein ein Anschlag „auf alle in | |
Großbritannien“ gewesen. | |
Die Sicherheitsvorkehrungen im Umfeld der Kaserne in Woolwich sowie an | |
anderen britischen Militäreinrichtungen wurden verstärkt. Sollte sich der | |
Terrorverdacht erhärten, wäre es der erste nennenswerte Terrorakt auf | |
britischem Boden, seit 2005 bei Anschlägen auf U-Bahnen und Busse 52 | |
Menschen ums Leben gekommen waren. | |
Die Polizei erklärte, sie werde in den kommenden drei Tagen mit mehr als | |
1.000 zusätzlichen Beamten im Einsatz sein, vor allem dort, wo sich | |
Menschenmassen versammelten. An diesem Samstag findet in London das | |
Champions-League-Finale zwischen Bayern München und Borussia Dortmund | |
statt. | |
23 May 2013 | |
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