# taz.de -- Peinliche Fragen an Christine Lagarde: Dubioser Deal um Adidas-Verk… | |
> Die Chefin des Internationalen Währungsfonds lächelt auch am zweiten Tag | |
> ihrer Anhörung vor Gericht. Es geht um das nationale Ansehen Frankreichs. | |
Bild: Christine Lagarde begeht Tag Zwei der Anhörung in Paris. | |
PARIS taz | Mit einem sehr selbstsicheren Lächeln war die Chefin des | |
Internationalen Währungsfonds beim Paris Gericht eingetroffen. „Ihr | |
Ärmsten“, sagte Christine Lagarde zu den in der Kälte harrenden Medien | |
-leuten. Sie selber konnte nicht mit besonderer Nachsicht rechnen. | |
Nachdem sie am Donnerstag bereits zwölf Stunden lang von drei Richtern | |
ausgequetscht worden war, ging am Freitag das Marathonverhör mit peinlichen | |
Fragen weiter. Es geht um Lagardes Rolle als Frankreichs Wirtschafts- und | |
Finanzministerin, als 2008 ein von ihr eingesetztes privates Schiedsgericht | |
im Streit um den Verkauf des Sportartikelherstellers Adidas dem | |
Geschäftsmann Bernard Tapie 403 Millionen Euro zuerkannte. Damit wurde | |
gebilligt, dass er beim Wiederverkauf von Adidas 1993 durch die staatliche | |
Bank Crédit Lyonnais übers Ohr gehauen worden war. | |
Das Urteil fiel damit für den Ex-Minister, Ex-Fußballklubpräsidenten und | |
Finanzjongleur Tapie überaus positiv aus, geradezu verdächtig günstig. Zum | |
Schadenersatz plus Zinsen kam auf Anordnung von Lagarde auch noch eine | |
„moralische Wiedergutmachung“ für Tapie in der Höhe von 45 Millionen Euro | |
hinzu. Nach Konkursen und einem Gefängnisaufenthalt wegen Bestechung von | |
Fußballspielern steht dieser seither wieder wie ein gemachter Mann da. | |
Die Richter des für Regierungsmitglieder allein zuständigen Sondergerichts | |
"Cour de justice de la République" fragten sich mindestens zwei Dinge: | |
Erstens, warum Lagarde die Schlichtung durch private Schiedsrichter statt | |
den ordentlichen Rechtsweg bevorzugte. Außerdem, warum sie damals den für | |
den Staat dermaßen nachteiligen Beschluss nicht wenigstens angefochten | |
habe. Hat sie womöglich entsprechende Weisungen bekommen? | |
## 15 mal getroffen | |
Undurchsichtig wirkt auch das Vorgehen des damaligen Chefs des staatlichen | |
Konsortiums CDR, das für die Liquidierung der Altlasten des Crédit Lyonnais | |
verantwortlich war. Dieses Gremium war in mehreren Prozessen der direkte | |
Gegner von Tapie gewesen und hätte eigentlich alles Interesse an einem | |
möglichst fairen Entscheid zugunsten des französischen Staates gehabt. | |
Dennoch und trotz ausdrücklicher Warnungen von Chefbeamten des | |
Haushaltsministeriums drängte CDR-Chef Jean-François Rocchi angeblich auf | |
die außergerichtliche Intervention eines Schiedsgerichts. Ein Urteil des | |
Kassationsgerichts hatte Tapies Chancen vor der staatlichen Justiz | |
wesentlich verschlechtert. Das Schiedsgericht sprach ihm statt der damals | |
im Höchstfall erwarteten 50 Millionen Euro schließlich das Mehrfache davon | |
zu. | |
Ein Verdacht auf Begünstigung entstand schnell, weil Tapie, den man als | |
früheren Minister des Sozialisten Francois Mitterrand politisch eher links | |
wähnte, sich kurz zuvor öffentlich für die Wahl des konservativen | |
Kandidaten Nicolas Sarkozy eingesetzt und anschließend den neuen | |
Präsidenten und seinen Chefberater Claude Guéant rund 15 Mal getroffen | |
hatte. Das wurde durch Nachforschungen in Sarkozys Terminkalender | |
ersichtlich. | |
## Lagarde bleibt unbeeindruckt | |
Inzwischen weiß man auch aufgrund der 2011 eingeleiteten Ermittlungen, dass | |
zwei der drei Schiedsrichter nicht so unabhängig waren. Vor Lagarde hatte | |
sich bereits ihr Vorgänger Jean-Louis Borloo klar für ein Schiedsgericht | |
als Lösung ausgesprochen. Er hatte selber lange als Anwalt von Bernard | |
Tapie gearbeitet und musste eigentlich als befangen gelten. | |
Christine Lagarde bleibt aber unbeeindruckt dabei, dass sie ohne Druck von | |
oben lediglich die schnellste und ihrer Ansicht nach auch beste Lösung nach | |
einem langen unfruchtbaren Seilziehen vor Gerichten gewählt habe. Zu einem | |
anderen Ergebnis scheint die Voruntersuchung gekommen zu sein. Nach der | |
jetzigen Befragung droht ihr die Einleitung eines Strafverfahrens wegen | |
Amtsmissbrauchs, Beihilfe zu Unterschlagung öffentlicher Gelder und | |
Betrugs. | |
Der heutige Finanz- und Wirtschaftsminister Pierre Moscovici hat bereits | |
angekündigt, im Fall einer Verurteilung wolle er mit einem Rekurs den | |
Schiedsspruch von 2008 für ungültig erklären. Tapie, der sein neues | |
Vermögen laut französischen Medien in Offshore-Plätzen in Sicherheit | |
gebracht hat, müsste dann wohl zumindest seine neue Luxusjacht wieder | |
verkaufen. | |
Peinlich wäre eine öffentliche Anklage gegen die IWF-Chefin hingegen dem | |
derzeitigen Staatspräsidenten François Hollande. Er sagte, es gehe bei der | |
Causa Lagarde um „Frankreichs internationales Prestige“, denn bekanntlich | |
hatte der Vorgänger der IWF-Chefin, Dominique Strauss-Kahn, bereits wegen | |
Problemen mit der Justiz zurücktreten müssen. Der IWF tut derzeit so, als | |
fühle er sich von dieser Affäre nicht betroffen und stellt sich hinter | |
Lagarde - noch. | |
24 May 2013 | |
## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
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