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# taz.de -- Symposium in St. Gallen: Draufgänger raus, Frauen rein
> IWF-Chefin Lagarde fordert auf dem Symposium in St. Gallen mehr weibliche
> Chefs in der Finanzindustrie. Weil sie weniger riskant agierten.
Bild: „Der Finanzsektor würde viel besser funktionieren, wenn hier mehr Frau…
ST. GALLEN taz | Jetzt ist es quasi amtlich: Mit mehr Frauen in den
Banker-Chefetagen wäre die Welt nie in die Finanzkrise geschlittert. „Der
Finanzsektor würde viel besser funktionieren, wenn hier mehr Frauen in den
Vorständen säßen“, findet Christine Lagarde. Sie muss es wissen, sie ist
schließlich seit zwei Jahren Chefin des Internationalen Währungsfonds
(IWF), eine der Institutionen, die derzeit Europa aus dem Finanzschlamassel
zu bugsieren versucht.
Ort: St. Gallen. Beim 43. St. Symposium der Universität eine
österreichische Studentin wissen wollte, was denn die Jüngeren tun könnten,
um das Finanzsystem zu stabilieren. Anwort Lagarde: „Frauen, wenn Ihr Euch
für Geld interessiert: Bewerbt Euch bei Finanzinstitutionen – und gebt
nicht auf.“ Applaus beim – männerdominierten – Publikum. 600 „Entschei…
aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft waren in den Ort im Nordosten der
Schweiz gekommen.
Lagarde erwähnte das Gender-Problem beim Elitentreff nicht zufällig:
Diesjähriges Motto in St. Gallen: „Rewarding Courage“ - etwa „Wer wagt,
gewinnt“. Die IWF-Direktorin sprach von einem „anderen Risikoansatz“ viel…
Frauen. Männer denken an Testosteron, Autofahren oder freundlich zögernde
Damen, die sie beim Einkaufen schnell vorlassen. Und ahnen längst: Frauen
stehen nicht so auf Abenteuer wie sie – jedenfalls die meisten.
Das Risiko ist mit den in der Krise verbrannten Milliarden und
Hundertausende verlorengegange Jobs aus der Mode gekommen – so scheint es
jedenfalls. Weltweit legen Regierungen der Finanzindustrie derzeit Fesseln
an, Banken werden reguliert und kontrolliert, sie müssen für ihre
Transaktionen immer mehr „echtes“ Geld zur Sicherheit hinterlegen. Die
Abart des Risikos, der Betrug qua Steueroase, das Drehen am
Libor-Referenzzins oder gepimpte Bonitäten, wird vielerorts durch strengere
Gesetze zumindest schwieriger gestaltet.
## Dicke Luft in der Schweiz
Die Einschränkungen machen nicht alle zufrieden: Der Schweizer
Bundespräsident ist es satt, dass alle auf die Eidgenossen zeigen: „In der
Schweiz überwachen die Bürger den Staat und nicht umgekehrt“, sagt Ueli
Maurer. Klar ging es ihm auch um Deutschland.
Wer das Ende des Bankengeheimnisses und den automatischen Datenaustausch
fordere, zeige keinen Mut, sagte Maurer Richtung Berlin. Wer die
Eidgenossenschaft eine Steueroase schimpfe, habe wohl selber das Problem,
in einer „Steuerwüste“ zu leben, schimpfte Maurer. Und meinte damit wohl
Staaten wie Großbritannien, zu deren Einzugsbereich auch Offshore-Paradiese
wie die Cayman-Inseln oder Guensey gehören.
Das Einzug von Leitplanken nervt auch viele renditeverwöhnten
Finanzarbeiter. „Die Asiaten überrennen uns, wenn Geldverdienen in Europa
noch schwieriger wird“, sagt ein Schweizer Investmentbanker, der derzeit in
Singapur arbeitet. „Wenn du nichts einnimmst, kannst du nichts verteilen“,
findet Marcus Wallenberg, Aufsichsratschef der schwedischen Bank SEB. Seine
Familie kontrolliert über Beteiligungen einen Gutteil schwedischer
Unternehmen wie ABB oder Astra Zeneca.
Die Konzerne schütten einen Teil ihrer Gewinne durch Stiftungen aus, die
sich vor allem der Förderung von Forschung und Entwicklung verschrieben
haben – immerhin 175 Millionen Euro pro Jahr. Wallenberg will, dass das so
bleibt: „Das Risiko kann man nicht regulieren“, sagt der 56-Jährige – und
schwärmt von Ronald Reagan und Marget Thatcher, die einst Unternehmen mit
weniger Gesetzen födern wollten. Ja, sagt Wallenberg zu den Exzessen und
Grenzverletzungen - es gebe die Notwendigkeit, „den Reset-Button des
Kapitalismus zu drücken. Aber das darf nicht mehr Regulierung bedeuten“.
## Auch Japan will mehr Frauen in Führungspositionen
Zurück zu Christine Lagarde. Sie lobt in St. Gallen den japanischen Premier
Shinzo Abe, der vor zwei Wochen angekündigt hatte, die Zahl der Frauen in
Führungspositionen bis 2020 auf 30 Prozent zu steigern. Derzeit sind nur
rund 12 Prozent des unteren und mittleren Managments in Japan Frauen –
einer der schlechtesten Werte entwickelter Staaten weltweit. „Frauen werden
hier den Unterschied machen“, sagt Lagarde.
Ob mehr Frauen wirklich zu einer krisenfesteren Welt führen, ist gar nicht
so erwiesen. Eine Studie im Auftrag der Bundesbank hat erst vor kurzem
herausgefunden, dass weibliche Chefs keineswegs risikoaverser sind als
Männer. „Ein höherer Frauenanteil im Vorstand führt dazu, dass das
Geschäftsmodell riskanter wird“, heißt es in der Untersuchung.
Gründe fürs Draufgängertum: Einerseits, weil die frisch eingestellten
weiblichen Bosse sich noch nicht so gut mit der Materie auskannten,
andererseits, weil sie das Gebahren der Macho-Chefs nachahmten. Die
Bundesbank betonte ausdücklich, dass sie die Aussagen der Wissenschaftler
nicht teile.
3 May 2013
## AUTOREN
Kai Schöneberg
## TAGS
IWF
Lagarde
Frauenquote
Frauen
Nicolas Sarkozy
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Finanztransaktionssteuer
Eurokrise
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