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# taz.de -- Peter Schaar zum Zensus 2011: „Die Daten rasch löschen“
> Am Freitag werden die Ergebnisse der Volkszählung von 2011
> veröffentlicht. Der Bundesdatenschutzbeauftragte hat sie bis heute
> kritisch begleitet.
Bild: Ziel des Zensus: Ein Überblick über die tatsächliche Bevölkerung.
Herr Schaar, war die Volkszählung notwendig?
Peter Schaar: Es gibt ganz gute Gründe dafür, von Zeit zu Zeit in Registern
gespeicherte Daten und Haushaltsbefragungen zusammenzuführen. So erhält man
eine neue Bemessungsgrundlage, einen Überblick über die tatsächliche
Bevölkerung. Prinzipiell also will ich die Notwendigkeit des Zensus nicht
in Frage stellen. Es kommt darauf an, wie die Zählung vollzogen wird.
Wie war das im Fall des Zensus 2011?
Im Wesentlichen wurden die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts
eingehalten. Einer meiner Kritikpunkte ist die Erhebung der
Religionszugehörigkeit. Das war von der Europäischen Union nicht
vorgegeben. Es gab aber starke Interessensbekundungen der Kirchen, diese
Frage aufzunehmen. Der Gesetzgeber ist diesen Forderungen trotz meiner
Bedenken gefolgt.
Aber die Beantwortung der Frage war doch freiwillig.
Nur die zum Bekenntnis zu einer Weltanschauung. Welcher Religion man
rechtlich angehört, musste man hingegen beantworten.
Warum ist für das für Sie ein sensibler Bereich?
Nun, die Aussagekraft von Angaben über Religionszugehörigkeit, politische
Meinungen oder die eigene Gesundheit ist um ein Vielfaches höher als die
Aussagekraft über mein Alter oder meine Telefonnummer. Aus gutem Grund
enthält das europäische Datenschutzrecht besonders strenge Vorschriften
bezüglich solcher sensibler Daten.
Sie kritisieren auch, dass etwa in Kliniken, Haftanstalten und Altenheimen
personenbezogenen Daten erhoben wurden. Weshalb ist das problematisch?
In diesen so genannten Sonderbereichen hätte man keine namentliche Zählung
durchführen sollen. Denn bei einigen dieser Bereiche kann schon eine
Zuordnung die Betroffenen stigmatisieren, etwa Häftlinge oder psychisch
Kranke. Auch hier ist der Deutsche Bundestag meiner Empfehlung leider nicht
gefolgt, die Betroffenen zu anonymisieren. Jetzt kann ich nur noch darauf
drängen, dass diese Daten früher gelöscht werden als die übrigen Daten.
Das Gesetz sieht für alle Daten eine Speicherfrist von vier Jahren vor.
Sind Sie damit einverstanden?
Nein. Dafür, dass die Auswertung IT-basiert geschieht und es sich vor allem
um eine Registerauswertung handelt, erscheint mir das doch sehr großzügig.
Zusammen mit meinen Kollegen in den Ländern dränge ich auf eine rasche
Löschung der Daten bei den statistischen Ämtern.
Wie haben Sie darüber hinaus den gesamten Prozess der Volkszählung
begleitet?
Ich habe, wie auch die Landesdatenschutzbeauftragten, mehrfach den Zensus
während der Erhebung und der Aufbereitung der Daten geprüft. Uns sind
kleinere Unstimmigkeiten aufgefallen. Den großen Skandal, die grobe
Unregelmäßigkeit haben wir aber nicht entdeckt.
Welche Unstimmigkeiten meinen Sie?
Etwa die Frage nach der Auswahl der Erhebungsbeauftragten, die dann in zehn
Prozent aller Haushalte mit den Fragebögen gegangen sind. Da gab es ja
Aufrufe aus der rechtsextremen Szene, sich als Mitarbeiter zu melden.
Soweit ich weiß, hatte der Aufruf aber keine großen Folgen. Es ist aber
nicht hundertprozentig auszuschließen, dass es dem ein oder anderen Rechten
gelungen ist, als Erhebungsbeauftragter an Daten zu kommen.
Sehen Sie die Gefahr des Missbrauchs der Daten durch Dritte, etwa andere
Behörden?
Wenn die Ordnungsnummern, die jeder Bürger beim Zensus erhalten hat,
dauerhaft gespeichert würden, dann bestünde tatsächlich die Gefahr eines
Missbrauchs. Allerdings soll das ja nicht der Fall sein. Mir sind auch
keine Fälle bekannt, in denen etwa Finanz- oder Polizeibehörden versucht
hätten, auf die Daten zuzugreifen.
Im Gegensatz zur letzten Volkszählung in den 1980er Jahren war der
Widerstand der Bürger diesmal eher gering. Sind die Menschen
obrigkeitshöriger als damals?
Es gibt ein verändertes gesellschaftliches Klima. Damals war die Situation
noch geprägt von den Auseinandersetzungen der 70er Jahre, der Abwicklung
der außerparlamentarischen Opposition, ihrer Nachfolger bis hin zu
terroristischen Gruppierungen wie der RAF. Der Staat war damals nicht
zimperlich, es gab eine generelle Debatte über ausufernde Überwachung.
Viele hatten deshalb den Eindruck, mit der Volkszählung werde der
Überwachungsstaat vorbereitet.
Die Bedenken gibt es doch heute auch, wenn man an Vorratsdatenspeicherung
denkt, an die Überwachung des Surf- und Telekommunikationsverhaltens.
Schon, aber in Relation erscheint die Volkszählung da weniger gefährlich.
Die Leute haben sich ein Stück weit ans Internet gewöhnt und daran, dass
sie sich der Erfassung ihrer Daten nicht völlig entziehen können. Zudem
geben zahlreiche Nutzer heute freiwillig etwa in sozialen Netzwerken vieles
von sich preis. Das wäre in den 80er Jahren alles undenkbar gewesen.
Außerdem kam ja dieses Mal nicht in jeden Haushalt ein
Erhebungsbeauftragter, nur in jeden zehnten etwa. Der Einzelne fühlte sich
jetzt also nicht so stark vom Zensus betroffen wie 1987. Damals war der
„Zähler“ ja für Volkszählungsgegner ein Feind, den man nicht rein ließ.
31 May 2013
## AUTOREN
Paul Wrusch
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Datenschutz
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Schwerpunkt Überwachung
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