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# taz.de -- Zensus: Volkszählung macht ernst
> Wer keine Auskunft über sich und andere geben will, braucht juristischen
> Beistand. Doch nur wenige können sich den Klageweg leisten, sagt die
> Anwältin Eva Dworschak
Bild: Nicht jeder will antworten, wenn der Zensus klingelt.
Rund 100 Bremer und Bremerinnen werden in den nächsten Tagen ein Schreiben
erhalten, in dem sie unter Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 300
Euro aufgefordert werden, Auskunft über sich und andere Haushaltsmitglieder
zu erteilen - im Rahmen der Volkszählung "Zensus 2011". Angekündigt wird
auch, dass die "Zwangsmittel so oft wiederholt und hierbei jeweils erhöht
werden, bis die Verpflichtung erfüllt ist". Außerdem werden ihnen für den
Bescheid Verwaltungskosten in Höhe von 33,45 Euro in Rechnung gestellt.
Zuvor hatten sie weder auf die Aufforderung reagiert, die 46 Fragen des
Zensus zu beantworten, noch auf die Erinnerung an diese Aufforderung.
Insgesamt 350 dieser sogenannten Heranziehungsbescheide seien mit der
gestrigen Aussendung verschickt worden, sagte gestern Markus Habig,
Abteilungsleiter Bevölkerung und Staat beim Statistischen Landesamt Bremen.
Er geht davon aus, dass es nur in wenigen Fällen zu einem
Zwangsgeldverfahren kommen wird. So habe sich die Hälfte der bereits
verschickten Schreiben "erledigt", sagt Habig, entweder weil die
Angeschriebenen ihrer Auskunftspflicht nachgekommen seien oder sie aus
verschiedenen Gründen aus der Befragung fielen.
Noch nichts erledigt hat sich für Kurt Waldemaier. Der 27-jährige Student,
der darum gebeten hat, sein Pseudonym in der Berichterstattung zu
verwenden, wohnt in einer Wohngemeinschaft, dessen Mitglieder wie 29.000
andere Bremer und Bremerinnen für den Zensus ausgewählt wurden.
Ursprünglich hätten sie sich gemeinsam widersetzen wollen, erzählt
Waldemaier. "Die meisten haben das dann aber doch ausgefüllt, weil sie es
sich nicht leisten können." Er selbst wartet jetzt auf seinen Bescheid und
ist ratlos, wie er darauf reagieren soll. Er lehnt die Befragung ab, weil
er sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt sieht, weiß
aber nicht, ob er bereit ist, sich auf ein Klageverfahren einzulassen.
So wie Waldemaier geht es den meisten, die sich bei der auf den Zensus
spezialisierten Bremer Rechtsanwältin Eva Dworschak melden. "Ich bekomme
viele Anrufe von Leuten, die sich vor Gericht wehren wollen, aber nicht die
finanziellen Möglichkeiten dazu haben", sagt die Anwältin. Darunter seien
viele alte Leute, die von den Erfahrungen der NS-Zeit geprägt seien. Und in
denen die Aufforderung, in ihrer Eigenschaft als Hauseigentümer Auskunft
über ihre Mieter zu geben, ungute Erinnerungen weckt. "Heute sage ich, wer
bei mir wohnt und morgen werden sie abgeholt", sei ein Satz, den sie
mehrfach gehört habe, so Dworschak. Sie arbeitet seit 2010 an dem Thema,
seitdem sie als Erste für einen Bremer in einem Eilverfahren
Verfassungsbeschwerde gegen den Zensus eingelegt hatte. Damals entschied
das Bundesverfassungsgericht, das Zensus-Gesetz sei als Ganzes
verfassungsgemäß, so dass Dworschak jetzt in Musterverfahren gegen einzelne
Punkte vorgehen wird. Derzeit hat sie rund 20 MandantInnen aus ganz
Deutschland. Ihr Hauptangriffspunkt ist der aus ihrer Sicht ungenügende
Datenschutz. "Hier werden personenbezogene und persönliche Daten zentral
gesammelt - das birgt erhebliche Sicherheitsrisiken." Eine vollständige
Anonymisierung sei nicht gewährleistet.
Einer von denen, die bereit sind, bis vor das Bundesverfassungsgericht zu
ziehen, ist ein 55-jähriger Bremer, der ebenfalls namenlos bleiben will. Er
hat wie 160.000 HauseigentümerInnen ein Schreiben bekommen, in denen er
aufgefordert wird, Auskunft über seine MieterInnen zu geben. 96 Prozent
haben dies getan. Er sagt hingegen: "Das geht niemand etwas an, ich bin
doch kein Blockwart."
20 Feb 2012
## AUTOREN
Eiken Bruhn
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