# taz.de -- Mali nach der Rückeroberung: Die Angst der „Weißen“ von Timbu… | |
> Eigentlich sollte die malische Armee für Sicherheit in Timbuktu sorgen. | |
> Doch Tuareg und Araber fürchten die Rache der Soldaten. | |
Bild: Die Heimkehrer nach Mali haben Angst. Vor allem, wenn sie die „falsche … | |
TIMBUKTU taz | Das kleine Zimmer ist düster. Es hat keine Fenster. Licht | |
dringt nur hinein, wenn die beiden Türen offen stehen. Dahama sitzt auf dem | |
einzigen Bett. Die Matratze ist durchgelegen, das Laken schmutzig. Um das | |
Bett herum stehen ein paar Plastikschüsseln und Teller, die Reste vom | |
letzten Essen. | |
Seit fünf Tagen hat der 70-Jährige sein Zimmer nicht mehr verlassen. „Ein | |
Unfall“, sagt er auf Arabisch und zeigt auf sein rechtes Bein. Es ist noch | |
immer geschwollen. Er kann es kaum bewegen. Einen Arzt hat er nicht | |
aufgesucht, obwohl „es wehtut“, sagt er und verzieht das Gesicht. Aber nur | |
in seinem Haus fühlt er sich sicher. Wenn es nicht unbedingt notwendig | |
wird, dann möchte er es nicht verlassen. | |
Dabei ist der alte Mann in Timbuktu zu Hause. „Hier lebe ich doch seit | |
vielen Jahren“, sagt er. Es müssen Jahrzehnte sein. Wann er nach Timbuktu | |
kam, daran kann er sich nicht mehr erinnern. Aufgewachsen ist er in einem | |
Dorf etwa 100 Kilometer von der Stadt. | |
Im Laufe der Jahre habe sich seine Familie hier etabliert. Seine zweite | |
Frau hat gleich nebenan einen kleinen Laden. In den Regalen liegen ein paar | |
Kekspackungen und Tütchen mit Waschmittel. Die jüngste Tochter spielt | |
davor. | |
## Araber und Tuareg fürchten die Armee | |
Dahama, seine junge Frau und die kleine Tochter gehören zu den ganz wenigen | |
Arabern, die noch in Timbuktu leben. Ob es noch mehr gibt, das mag niemand | |
offen sagen. Die Angst ist groß. | |
Die islamistische Gruppierung Ansar Dine (Verfechter des Glaubens), die die | |
Stadt bis zum Eingreifen der Franzosen im Januar zehn Monate lange besetzt | |
gehalten hatte, ist zwar längst nicht mehr da, dafür aber die malische | |
Armee. Eigentlich sollte sie für Sicherheit sorgen. Doch Tuareg und Araber | |
fühlen sich nicht sicher. | |
Berichte über Menschenrechtsverletzungen durch die Soldaten haben erst | |
kürzlich die Menschenrechtsorganisationen Amnesty International (AI) und | |
Human Rights Watch (HRW) veröffentlicht. In ihnen ist die Rede von | |
Verschleppung und von Folter bei Verhören. | |
## Dahama: „Sie haben meine Söhne geholt“ | |
Für den alten Dahama sind das nicht bloß Daten. „Sie haben auch meine Söhne | |
geholt“, sagt er. Dann verstummt er, und seine blauen Augen starren in den | |
Raum. Mohammed und Danna heißen die Jungs, beide Anfang 20. Soldaten hätten | |
sie mitgenommen, erzählt er. Knapp drei Monate ist das her. | |
Seitdem hat er nichts mehr von ihnen gehört. Dabei haben sie sich nichts | |
zuschulden kommen lassen, beteuert der Vater. „Sie waren doch bekannt und | |
beliebt hier in Timbuktu.“ Warum gerade die Söhne? Für Vater Dahama gibt es | |
nur einen Grund: „Sie haben die falsche Hautfarbe.“ | |
Bis heute sind auf den Straßen Timbuktus kaum Tuareg zu sehen. In den | |
Flüchtlingscamps von Burkina Faso, wo mittlerweile viele von ihnen leben, | |
ist das nach wie vor eines der wichtigsten Gesprächsthemen. | |
## Übergriffe aus Rache | |
Übergriffe gegen die Tuareg werden als Rache für die Aktivitäten der | |
Tuareg-Rebellenbewegung MNLA (Nationale Befreiungsbewegung von Azawad) | |
gewertet, deren Eroberung des Nordens im März 2012 den Weg für die | |
Islamisten geebnet hatte. Die MNLA sieht sich als Kämpfer für die Rechte | |
der Tuareg und führte Malis Armee regelrecht vor. | |
Als Reaktion auf Racheangriffe auf Tuareg schlägt die MNLA nun offenbar | |
zurück. Nach verschiedenen Berichten soll sie Anfang Juni in der Stadt | |
Kidal Dutzende Menschen mit dunkler Hautfarbe überfallen, angegriffen und | |
gefoltert haben – ein Grund dafür, dass die Armee wieder den Kampf aufnahm. | |
Für strategische Spielchen interessiert sich Dahama in Timbuktu nicht. Er | |
wünscht sich nur eins: Er möchte seine Söhne wieder sehen. „Oder zumindest | |
von ihnen hören. Dann wüsste ich, dass sie noch am Leben sind.“ | |
11 Jun 2013 | |
## AUTOREN | |
Katrin Gänsler | |
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