| # taz.de -- Proteste in Istanbul: Erdogan will „Millionen“ mobilisieren | |
| > Erdogan hat mehrfach gedroht: Er brauche nur ein Wort zu sagen und | |
| > Millionen würden auf die Straße gehen. Die Polizei stürmt unterdessen den | |
| > Taksim-Platz. | |
| Bild: Konterfei des Massenmobilisierers Erdogan | |
| ISTANBUL taz | Auch am 14. Tag der landesweiten Proteste in der Türkei | |
| zeichnet sich keine Lösung für den Aufruhr im Lande ab. Während die | |
| Opposition und selbst einige Vertreter der regierenden AKP | |
| Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan direkt oder indirekt zu Dialog und | |
| Kompromiss auffordern, setzt der Regierungschef selbst weiter auf | |
| Eskalation. | |
| Bei drei unterschiedlichen Auftritten am Sonntagabend in Ankara verschärfte | |
| Erdogan den Tonfall gegenüber den Demonstranten nochmals. Er beschimpfte | |
| sie nicht nur als Marodeure und Vandalen, die mutwillig die türkischen | |
| Städte zerstörten, sondern drohte unverhohlen mit dem Einsatz von Gewalt. | |
| „Wir waren sehr geduldig“, sagte er, „wir werden geduldig sein, aber bald | |
| ist die Geduld am Ende.“ | |
| Gegen die Demonstranten der „Gezi-Park-Bewegung“, wie die revoltierenden | |
| jungen Leute in den Medien meist genannt werden, will er jetzt seine | |
| Anhängerschaft mobilisieren. Nachdem er schon mehrfach damit gedroht hatte, | |
| er brauche nur ein Wort zu sagen, dann könne er Millionen auf die Straße | |
| bringen, soll es am Wochenende so weit sein. Zunächst für Samstag in | |
| Ankara, dann für Sonntag in Istanbul ruft die AKP zu massenhaften | |
| Demonstrationen zur Unterstützung von Erdogan auf. | |
| Die Choreografie dieser Aufmärsche war am Sonntag in Ankara geprobt worden. | |
| Die AKP-Stadtverwaltung hatte die Strecke vom Flughafen bis zum | |
| Stadtzentrum mit Erdogan-Porträts flaggen lassen. Dabei ist besonders ein | |
| Motiv aufschlussreich: Es zeigt die früheren konservativen Regierungschefs | |
| Menderes und Özal zusammen mit Erdogan. Menderes wurde 1961 nach einem | |
| Militärputsch gehenkt, Özal soll angeblich vom „kemalistischen Deep State“ | |
| vergiftet worden sein. | |
| Und was geschieht mit Erdogan, wird auf dem Plakat gefragt. Die Absicht ist | |
| offenkundig: Erdogan, der eine große Machtfülle auf sich vereint und keine | |
| Skrupel hat, diese Macht auch gegen seine Kritiker einzusetzen, soll zu | |
| einem potenziellen Opfer stilisiert werden. Ein Opfer ausländischer Mächte, | |
| kemalistischer Eliten und der „Zinslobby“, von der Erdogan bei jedem | |
| Auftritt spricht. | |
| ## Gewalt in Kauf genommen | |
| Tatsächlich scheint Erdogan selbst zu glauben, was er sagt. Dass | |
| Jugendliche und ein frustrierter säkularer Mittelstand gegen seine | |
| autoritäre Politik aufstehen, ist für ihn so undenkbar, dass es andere | |
| Hintermänner geben muss. Zuerst war die oppositionelle CHP die | |
| Drahtzieherin, aber sie ist bei dem Aufstand so einflusslos, dass dieser | |
| Vorwurf schnell wieder verschwand. Dann waren es kleine linksradikale | |
| Gruppen. Doch auch das reichte nicht, um die friedlich Protestierenden zu | |
| denunzieren. | |
| Nun ist es eine Mischung aus ausländischen Kräften und inländischen Eliten, | |
| die der AKP und der Türkei insgesamt den Aufstieg in die erste Liga der | |
| Weltmächte missgönnen und mit Hilfe naiver Demonstranten verhindern wollen. | |
| Dagegen soll nun die Basis der AKP mobilisiert werden. Dass daraus blutige | |
| Zusammenstöße resultieren können, wenn eine aufgehetzte AKP-Anhängerschaft | |
| auf die Gezi-Park-BesetzerInnen losgelassen wird, scheint Erdogan in Kauf | |
| zu nehmen. | |
| Beschwichtigungsversuche, wie sie derzeit der AKP-Bürgermeister und der | |
| Gouverneur von Istanbul unternehmen, werden dadurch bedeutungslos. In einer | |
| gestrigen Kabinettssitzung, der ersten seit Beginn der Proteste, wurde zwar | |
| über mögliche Folgen für den Tourismus und die Wirtschaft insgesamt | |
| gesprochen. Von einem Angebot zum Dialog an die Taksim-Plattform, wie es | |
| Präsident Abdullah Gül während der Abwesenheit von Erdogan angeregt hatte, | |
| war jedoch nicht mehr die Rede. | |
| 11 Jun 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Jürgen Gottschlich | |
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