# taz.de -- Proteste in Russland: Marschieren gegen die Henker | |
> Tausende gehen in Moskau auf die Straße. Sie wenden sich gegen die | |
> Verhaftung von rund 30 Aktivisten und deren bevorstehende Schauprozesse. | |
Bild: Angehörige der Truppen des Innenministerium beim Demo-Einsatz in Moskau. | |
MOSKAU taz | Das Wetter klärte sich nach einem trüben Mittwoch Vormittag | |
dann doch noch von alleine auf. Die Staffel der meteorologischen | |
Streitkräfte musste nicht – wie vom Bürgermeister versprochen – aufsteige… | |
um den Moskauern einen sonnigen Feiertag zu bescheren. Am 12. Juni begeht | |
Russland seinen Tag, den Tag Russlands, an dem die Arbeit offiziell ruht | |
und auch Regenwolken nicht geduldet werden. | |
Um eine sonnigere Zukunft ging es auch den rund 20.000 Demonstranten, die | |
am Mittwoch unter dem Slogan „Marsch gegen Henker“ in Moskau auf die Straße | |
gingen. Die Veranstalter sprachen von 30.000 Teilnehmern, die Polizei will | |
indes nur 6.000 gezählt haben. Die Menschen protestierten mit dem Marsch | |
gegen eine Verhaftungswelle. | |
Ihr fielen an die 30 Aktivisten zum Opfer, die am 6. Mai 2012 gegen die | |
Rückkehr Wladimir Putins ins Präsidentenamt auf dem Bolotnaja-Platz | |
protestiert hatten. Zwölf Demonstranten, die sich seit einem Jahr in U-Haft | |
befinden, wird gerade der Prozess gemacht. Andere sind unter Hausarrest wie | |
der Oppositionsführer der „Linken Front“ Sergej Udalzow und warten auf ihr | |
Verfahren. | |
Den meisten wird vorgeworfen, Widerstand gegen die Staatsgewalt geleistet | |
zu haben, die es vor einem Jahr auf einen Gewaltausbruch bewusst abgesehen | |
hatte. Sie müssen sich auf mehrere Jahre Gefängnishaft einstellen. | |
Mit dem Verfahren soll die Opposition eingeschüchtert werden. Beweise und | |
Indizien für die Gewaltanwendung damals wurden nach Aussagen von Anwälten | |
der Inhaftierten weitestgehend von den Ordnungskräften fabriziert. | |
## Neue politische Polizei | |
Bei dem Marsch nahm die Opposition diese Kräfte am Mittwoch genauer ins | |
Visier. Auf Transparenten präsentierte sie der Öffentlichkeit 17 Porträts | |
von Staatsanwälten, Richtern, Ermittlern und Polizisten, die an den | |
Vorbereitungen der Schauprozesse beteiligt waren. | |
Unter ihnen auch der Leiter des „Zentr E“ – dem Zentrum für Extremismus, | |
wohinter sich heute so etwas wie eine neue Politische Polizei verbirgt. | |
Alexej Okopny – zu Deutsch Alexej „Schützengraben“ – stürmte auf sein | |
Konterfei zu, riss es ab und verschwand hinter der schützenden Wand aus | |
Polizisten, begleitet von der rufenden Menge: „Schande den Henkern“. | |
Das Publikum war gut gelaunt und recht bunt. Alt und jung, Unzufriedene, | |
Politprofis und solche wie die 58jährige Moskauerin Olga, die mit ihrer | |
Mutter gekommen ist. Beide wohnen am Stadtrand. „Die Geheimdienstler haben | |
uns betrogen. Wenn wir nichts tun, bestehlen sie auch noch unsere Enkel“, | |
sagt sie. | |
Olga informiert sich über oppositionelle Veranstaltungen im Internet. Bei | |
den Moskauer Bürgermeisterwahlen im September wird sie für den | |
Oppositionellen und Antikorruptions-Blogger Alexej Nawalny stimmen, sollte | |
der noch in Freiheit sein. Denn ihm wird in Kirow auch gerade ein | |
Schauprozess gemacht. | |
Die Menge empfing den Volkstribun mit einem ohrenbetäubenden Freudenschrei. | |
Der Widerstand mag nach den Großdemonstrationen, die auf die | |
Wahlfälschungen 2011/12 folgten, nachgelassen haben. | |
12 Jun 2013 | |
## AUTOREN | |
Klaus-Helge Donath | |
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