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# taz.de -- Regierungskritiker Nawalny verurteilt: Putin-Gegner kaltgestellt
> Der Oppositionelle hat sich mit russischen Konzernen und Wladimir Putin
> angelegt. Nun wurde Alexei Nawalny in einem umstrittenen Prozess schuldig
> gesprochen.
Bild: Alexei Nawalny spricht in Moskau zu Journalisten.
MOSKAU dpa/rtr/afp/ap | Ein russisches Gericht hat den Oppositionsführer
Alexei Nawalny vorerst aus dem Verkehr gezogen. Der profilierteste Kritiker
von Präsident Wladimir Putin wurde am Donnerstag in einem umstrittenen
Prozess wegen Veruntreuung zu fünf Jahren Gefängnisstrafe verurteilt.
Demnach kann er nicht wie geplant bei den Bürgermeisterwahlen am 8.
September in Moskau antreten dürfen.
Das Gericht in der Stadt Kirow sprach den 37-jährigen Anwalt und Blogger
schuldig, während seiner Zeit als Berater des liberalen Gouverneurs der
Region Kirow im Jahr 2009 insgesamt 10.000 Kubikmeter Holz in Wert von 16
Millionen Rubel (etwa 372.000 Euro) unterschlagen zu haben. Die
Staatsanwaltschaft fordert dafür sechs Jahre Lagerhaft. „Das Gericht sieht
es als erwiesen an, dass Nawalny die Straftat organisiert und diese
großangelegte Veruntreuung leitend ausgeführt hat“, sagte Richter Sergej
Blinow bei der murmelnd und hastig verlesenen Urteilsbegründung im
überfüllten Gerichtssaal.
Nawalny nahm den Schuldspruch äußerlich ungerührt hin und kommentierte ihn
sofort über sein Mobiltelefon beim Kurznachrichtendienst Twitter:
„'Organisiert'...das bedeutet, es wird keine hübsche Freispruch-Szene
geben“, schrieb er dort. Nawalny hatte das absehbare Urteil schon im
Vorfeld als absurd und politisch motiviert bewertet. Auch andere
Oppositionelle sehen Präsident Putin als treibende Kraft hinter dem
Richterspruch, der einen seiner ärgsten Widersacher kaltstellt. Nawalny
hatte angekündigt, bei den Präsidentschaftswahlen 2018 gegen Putin
anzutreten.
Nawalny war am Mittwoch zwar formal als Kandidat zur Bürgermeisterwahl in
Moskau zugelassen worden, doch hätte er nur im Fall seines Freispruchs
tatsächlich antreten dürfen. Der charismatische Aktivist gilt als
heimlicher Held der modernen Mittelklasse, die sich nach einem anderen
Russland sehnt als jenem, in dem Oppositionelle ausgeschaltet,
Demonstranten verhaftet und kritische Journalisten mundtot gemacht werden.
In der Hauptstadt hat Nawalny seine größte Anhängerbasis, in ländlichen
Gegenden ist er weniger bekannt. Umfragen zufolge kennt ihn jeder dritte
Russe.
## Dubiose Großkonzerne
Als Blogger war Nawalny seit 2007 durch seine kritischen Recherchen zu
dubiosen Geschäftspraktiken russischer Großkonzerne zu Bekanntheit gelangt.
Seine Auftritte während der Proteste nach der umstrittenen Parlamentswahl
im Dezember 2011 und gegen die Wiederwahl Putins im Mai 2012 machten ihn
auch im Ausland bekannt. Noch diese Woche veröffentliche Nawalny einen
detaillierten Bericht, in dem er dem Chef der Russischen Eisenbahn,
Wladimir Jakunin, des Besitzes riesiger, nicht deklarierter Vermögenswerte
bezichtigte.
Nawalnys bekanntestes Projekt, die [1][Rospil-Webseite], überwacht
staatliche Aufträge und ficht verdächtige Verträge vor Gericht an. Die
sechs Anwälte des Projekts haben seit 2010 fast 130 Verträge gekippt - im
Gesamtwert von 59 Milliarden Rubel (1,4 Milliarden Euro).
Das Urteil in Kirow rund 900 Kilometer nordöstlich von Moskau gilt als
Gradmesser für den Umgang mit Andersdenkenden in Russland. Mehr als 100
Journalisten hatten sich am frühen Morgen vor dem Gerichtsgebäude
versammelt. Es gab nur 60 Plätze. In Moskau warnten die Behörden vor
Protesten der Opposition. Es gebe keine Genehmigung dafür, hieß es.
Sicherheitskräfte sperrten den Manegenplatz nahe dem Machtzentrum Kreml ab.
Dort wollten Nawalnys Anhänger im Fall eines Schuldspruchs demonstrieren.
18 Jul 2013
## LINKS
[1] http://rospil.info/
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