Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Reaktionen auf Türkei-Proteste: EU-Politiker sind ratlos
> Eigentlich wollten die EU-Politiker den Dialog mit der Türkei
> wiederaufnehmen. Doch angesichts der Eskalation der Proteste zögern sie.
Bild: Solche Bilder vom Istanbuler Gezi-Park sieht man in Brüssel nicht so ger…
BRÜSSEL taz | Jetzt erst recht! Es klingt fast schon trotzig, aber auch
etwas hilflos, was die EU-Politiker nach der Eskalation in der Türkei zu
Protokoll geben: Man müsse die seit drei Jahren unterbrochenen
EU-Beitrittsgespräche wie geplant Ende Juni wieder aufnehmen und dazu
nutzen, Ankara die Leviten zu lesen, heißt die offizielle Linie. Gerade die
Kapitel über Demokratie, Rechtsstaat und Menschenrechte müssten nun
schnellstens durchgenommen – und umgesetzt – werden.
Diese Haltung vertreten vor allem Erweiterungskommissar Stefan Füle und die
EU-Außenvertreterin Catherine Ashton. Füle war vor zehn Tagen selbst auf
dem Taksim-Platz und nahm die Protestbewegung ausdrücklich gegen Kritik in
Schutz. „Mein Eindruck war, dass die jungen Leute keineswegs Vandalen und
Plünderer sind, wie wir es von einigen türkischen Politikern gehört haben“
sagte er.
Die Grünen im Europaparlament setzten ebenfalls auf Dialog – und luden
Vertreter der türkischen Protestbewegung nach Straßburg ein. Die
Verhandlungen über den EU-Beitritt der Türkei müssten trotz der Gewalt
fortgesetzt werden, sagen auch sie.
## Grüne wollen Beitrittsgespräche fortführen
Die Gespräche auszusetzen, wie es etwa der CDU-Abgeordnete Elmar Brok
fordert, würde nur Regierungschef Erdogan nützen. Allerdings: „Ein Einsatz
der Armee nach innen gegen demokratische Proteste wäre überhaupt nicht
akzeptabel“, sagte Fraktionschefin Rebecca Harms der taz. „Das wäre ein
Schritt in Richtung Bürgerkrieg.“
Ähnlich äußerte sich Barbara Lochbihler, die Vorsitzende des
Menschenrechtsausschusses im Parlament. Es gebe viele Hinweise auf
„exzessive Gewalt“, kritisierte sie. Die Polizei feuere Tränengasgranaten
aus nächster Nähe ab, Ambulanzen würden behindert, Helfer bedroht. All dies
müsse nun dokumentiert werden, damit die Verantwortlichen zur Rechenschaft
gezogen werden können.
Doch was ist mit Erdogan, der offenbar die Machtprobe sucht? Und wie soll
man mit dem türkischen EU-Minister Egemen Bagis umgehen, der alle, die auf
dem Taksim-Platz ausharrten, mit „Terroristen“ gleichsetzte?
Macht es wirklich noch Sinn, sich mit diesem Mann an einen Tisch zu setzen
und über Menschenrechte zu diskutieren? Auf all diese Fragen gibt es in
Brüssel bisher keine Antworten.
## Keine Strategie über Umgang mit Erdogan
Die meisten EU-Politiker reagieren genauso „erschrocken“ wie Kanzlerin
Angela Merkel. „Es gab schreckliche Bilder, auf denen man sehen konnte,
dass hier doch viel zu hart aus meiner Sicht vorgegangen wurde“, sagte
Merkel am Montag in Berlin. Doch auf die Frage, wie die EU auf die
Eskalation reagieren solle, wich die Kanzlerin aus.
Europa hat es die Sprache verschlagen, vor einem Boykott der Türkei
schreckt man (noch) zurück. „Jetzt rächt sich, dass man sich jahrelang aus
den Verhandlungen herausgestohlen hat“, so Grünen-Politikerin Rebecca
Harms.
Das dämmert inzwischen vielen in Brüssel. Doch genau in dem Moment, da die
EU den Dialog wiederaufnehmen will, schlägt Erdogan die Tür zu. Und für
diesen – unerwarteten – Fall hat Europa offenbar gar keine Strategie mehr.
17 Jun 2013
## AUTOREN
Eric Bonse
## TAGS
Schwerpunkt Türkei
Recep Tayyip Erdoğan
EU-Beitritt
Taksim-Platz
Gezi-Park
Schwerpunkt Protest in der Türkei
Taksim-Platz
Taksim
Attac
Schwerpunkt Türkei
Schwerpunkt Türkei
Stadtplanung
Schwerpunkt AKP
Protest
## ARTIKEL ZUM THEMA
Burak Tamer über Gezi-Park und Musik: „Die Kreativität explodiert gerade“
Die „Replikas“, eine der beliebtesten türkischen Indie- Bands, nahm an den
Gezi-Demos teil. Bandmitglied Burak Tamer fühlt sich zum ersten Mal in
seinem Land zu Hause.
Protest in der Türkei: Stillgestanden!
Wenn die Bewegung ruht: Immer mehr Türken, die mit dem autoritären Kurs
Erdogans unzufrieden sind, bringen das durch stundenlanges Herumstehen zum
Ausdruck.
Aktivist über Reisen zu Protesten: „Ich möchte dienen“
Pedram Shahyar lässt keinen Aufstand aus. Er besuchte die Proteste in
Kairo, Madrid und zuletzt Istanbul. Was soll der Bewegungstourismus?
Kommentar Türkei: Erdogans Türkei
Erdogan genießt noch großen Rückhalt. Doch mit seinem starrsinnigen
Verhalten riskiert er, sich um die Basis seines Erfolges zu bringen. Einen
Buhmann hat er schon.
Erdogan droht den Protestlern: Wenn nötig, kommt die Armee
Mit massivem Polizeiaufgebot blockiert die Regierung am Montag
Protestmärsche von Gewerkschaftern. Erdogan plant jetzt, das Militär zur
Aufstandsbekämpfung einzusetzen.
Erdogans Stadtpläne: Neo-osmanische Kitschträume
Die Ästhetik des Despoten: Warum Türkeis Premier Recep Tayyip Erdogan
anstelle des Gezi-Parks eine alte Kaserne wiedererrichten möchte. Und dafür
zu allem bereit ist.
Kommentar Proteste in der Türkei: Erdogans gefährliches Pflaster
Mitten in den Unruhen schafft es die AKP eine perfekte Jubelorgie für
Erdogan zu veranstalten. Der Premier wettert gegen ausländische Medien. An
Deeskalation hat er kein Interesse.
Solidarität mit Türkei-Protesten: Die Reise in den Aufstand
Die Auseinandersetzungen in der Türkei wirken anziehend: Dutzende deutsche
Aktivisten unterstützen inzwischen vor Ort die Demonstranten in Istanbul.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.