| # taz.de -- Völlig verwirrte Vögel: App als Artgenosse | |
| > Auf der Insel Brownsea Island verwechseln Nachtschwalben iPhone-Geräusche | |
| > mit Rivalen. Verdattert vergessen sie ihren Nachwuchs zu füttern. | |
| Bild: Naturschützer sind besorgt: Wird hier das Persönlichkeitsrecht der Möw… | |
| BERLIN taz | Für Touristen auf Brownsea Island gibt es außer Rote | |
| Eichhörnchen zu beobachten oder Nachtschwalben zu fotografieren nicht viel | |
| zu tun. Letzteres hat die kleine, unter Naturschutz stehende Insel vor der | |
| britischen Ärmelkanalküste jetzt in die Schlagzeilen gebracht. Schuld ist | |
| die iPhone-App „Chirp!“. | |
| Damit lassen sich verschiedene Vogelgesänge abspielen, die App zeigt das | |
| Gezwitscher sogar in Buchstabenform ausgeschrieben an. Zudem gibt es | |
| genauere Information und Fotos von den Vögeln. | |
| Ursprünglich sollte Chirp die Naturverbundenheit fördern und laut der | |
| Entwickler ausschließlich zu Bildungszwecken dienen. Allerdings verwendeten | |
| die Besucher auf Brownsea Island die App, um Nachtschwalben durch Imitation | |
| des Vogelgesangs anzulocken und zu fotografieren. | |
| Das rief die beiden Tierschutzorganisationen Dorset Wildlife Trust und die | |
| Royal Society for the Protection of Birds auf den Plan. Sie kritisieren, | |
| dass durch den Missbrauch solcher Apps Schäden für die Fauna entstehen. Die | |
| Vögel glauben, so die Kritik, dass Rivalen in ihr Revier eingedrungen sind | |
| und vergessen ihren Nachwuchses zu füttern. | |
| ## Entwickler nehmen Kritik ernst | |
| Die Entwickler der Softwarefirma iSpiny haben die App 2008 veröffentlicht | |
| und nehmen die negativen Auswirkungen ernst. Sie weisen darauf hin, dass | |
| die App ursprünglich nur für das menschliche Ohr gedacht war und die | |
| Lautstärke in der Natur niedrig gehalten werden soll. | |
| Der stellvertretende Geschäftsführer der österreichischen Vogelschützer | |
| Birdlife, Gabor Wichmann, sieht allerdings kein generelles Problem: "Das | |
| Locken von Vögeln ist eine normale Erfassungsmethode in der Ornithologie. | |
| Es stellt sich die Frage, wie stark die Störung dabei ist. Wenn das Locken | |
| nicht exzessiv betrieben wird, ist es für die meisten Vögel | |
| unproblematisch“, sagt er. | |
| Bei seltenen Spezies kann es laut Wichmann jedoch durchaus gefährlich | |
| werden. Werden solche Apps ständig abgespielt und die Vögel fotografiert, | |
| könnten sie zum Verlassen ihrer Bruthöhle animiert werden. Diese Gefahr | |
| sieht auch Jens Scharon, Referent für Artenschutz beim NABU Berlin. | |
| „Wenn so eine App geschützte Vögel stört, dürfte man sie nach dem deutsch… | |
| Naturschutzgesetz auch nicht verwenden“, sagt Scharon. Berlin sieht er als | |
| eine generell vogelfreundliche Stadt, in der die Natur im Umkreis gute | |
| Lebensräume für viele Vogelarten bietet. | |
| ## Warnschilder aufgestellt | |
| Verbessert werden kann der Lebensraum für Vögel laut Scharon, in dem man | |
| Schwalben auf Hausdächern nisten lässt, statt sie zu vertreiben, | |
| blumenreiche Wiesen anlegt und bei der Gestaltung des eigenen Gartens auf | |
| eine große Artenvielfalt achtet. | |
| Damit finden die Vögel auch in Zukunft genug Insekten. Grundsätzlich halten | |
| Wichmann und Scharon Vogel-Apps für sinnvoll. Wenn sie Vögel nicht | |
| beeinträchtigen, könnten sie bei den Usern einen stärkeren Bezug zur Natur | |
| herstellen, sagt Wichmann. | |
| Auf Brownsea Island haben die Behörden das Problem auf ihre eigene Weise | |
| gelöst: Dort stehen nun Schilder, die vor vogelgefährdenden Apps warnen. | |
| Laura Arzt (18) ist derzeit Schülerpraktikantin im Ressort Ökologie und | |
| Wirtschaft der taz. | |
| 21 Jun 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Laura Arzt | |
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