# taz.de -- Österreichischer Mafia-Paragraf: Terroristische Tierschützer | |
> In Österreich sind Tierrechtsaktivisten nicht gern gesehen. Ihnen wurde | |
> die Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. Nun wird das | |
> Verfahren neu aufgerollt. | |
Bild: Ist das noch artgerechte Haltung? | |
WIEN taz | Es war eine der größten Blamagen für Österreichs Justiz: Im Mai | |
vor zwei Jahren wurden 13 Tierrechtsaktivisten vom Vorwurf der Bildung | |
einer kriminellen Vereinigung freigesprochen. Jetzt hat das | |
Oberlandesgericht Wien die Freisprüche von fünf Beschuldigten aufgehoben. | |
In der Neuauflage des Prozesses geht es nicht mehr, wie ursprünglich, um | |
Terrorismus, sondern um die Tatbestände Nötigung, Sachbeschädigung und | |
Tierquälerei sowie Widerstand gegen die Staatsgewalt. | |
Zentraler Vorwurf des ersten Verfahrens war Terrorismus nach Paragraf 278a | |
Strafgesetzbuch. Mit diesem hatte Österreichs Parlament nach den Anschlägen | |
vom 11. September 2001 einen neuen Straftatbestand geschaffen, um | |
terroristische und mafiöse Organisationen leichter verfolgen zu können. | |
Angewandt wurde er aber insbesondere gegen Demonstranten, die Mistkübel | |
abgefackelt hatten, und eben gegen die Tierschützer, die mit einer Kampagne | |
gegen den Pelzhandel die Inhaber einer Textilkette verärgerten. | |
Die Aktivisten wollten mit Infotischen und Demonstrationen vor den Filialen | |
der Kette erreichen, dass Pelze dauerhaft aus dem Sortiment genommen | |
würden. Einmal wurde das Auto eines der Firmenchefs zerkratzt, ein anderes | |
Mal richtete ein Buttersäureattentat in einem Geschäft erheblichen | |
Sachschaden an. Keine der Straftaten konnte einem Aktivisten nachgewiesen | |
werden. Deswegen entschied sich das Innenministerium auf Druck der Händler, | |
die Vorkämpfer für Tierrechte mittels des Mafia-Paragrafen aus dem Verkehr | |
zu ziehen. | |
Der Richterin am Landesgericht Wiener Neustadt war damals anzusehen, wie | |
wenig sie mit den Tierrechtlern sympathisierte. Dennoch gelang es der | |
Staatsanwaltschaft nicht, sie zu überzeugen, dass die verschiedenen | |
Vereinen angehörigen Angeklagten eine kriminelle Vereinigung bildeten. Auch | |
die in Paragraf 278a geforderte Bereicherungsabsicht war nicht | |
nachzuweisen. Ein Freispruch war unvermeidlich. | |
Nun ist das Oberlandesgericht der Auffassung, dass die konkreten Vorwürfe | |
der Nötigung und Sachbeschädigung in fünf Fällen zu wenig geprüft worden | |
seien. Sie sollen neu verhandelt werden. Die Freisprüche der anderen acht | |
Aktivisten sind rechtskräftig. Martin Balluch, der freigesprochene Chef des | |
Vereins gegen Tierfabriken (VGT), wendet sich gegen die Rechtsauslegung des | |
Oberlandesgerichts. Das erachte legale Tierschutzkampagnen bereits als | |
Nötigung, wenn sie „sittenwidrige“ Ziele wie einen Pelzausstieg verfolgen | |
„und zu diesem Behufe androhen, die KundInnen der jeweiligen Firma zu | |
informieren“. | |
## Instrument zur Kriminalisierung | |
Schon während des Prozesses reifte bei Politikern die Einsicht, mit der | |
Gesetzesnovelle ein Instrument zur Kriminalisierung zivilgesellschaftlichen | |
Protests geschaffen zu haben. Man einigte sich, den Paragrafen nach dem | |
Urteil im Berufungsverfahren zu reparieren. Ein eindeutiges Gutachten der | |
Strafrechtlerin Susanne Reindl-Krauskopf liegt vor. | |
Als der Antrag vergangene Woche im Justizausschuss des Nationalrats | |
diskutiert wurde, zog die konservative ÖVP ihre Zustimmung jedoch zurück. | |
Auf Druck „der Wirtschaft insgesamt“, hieß es zur Begründung, und wohl au… | |
des Bauernbundes. Man wolle jetzt die Urteile im neuen Verfahren abwarten. | |
Für Organisationen, deren Kampagnen die Interessen der Wirtschaft berühren | |
könnten, heißt das nichts Gutes, wenn der Mafia-Paragraf in seiner | |
ursprünglichen Fassung in Kraft bleibt. Die Angeklagten wurden zwar | |
freigesprochen, doch allein durch sechsstellige Anwaltskosten | |
wirtschaftlich ruiniert. | |
1 Jul 2013 | |
## AUTOREN | |
Ralf Leonhard | |
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