# taz.de -- Die Datenschnüffler vom BND: Inszenierte Sicherheit | |
> Auch der BND überwacht die internationale Kommunikation, vom Auftrag her | |
> ähnlich wie die US-Amerikaner. Doch wohl eher harm- und hilflos. | |
Bild: Bevor der BND ein ernstzunehmender Player ist, muss er noch so manche Bau… | |
FREIBURG taz | Europa muss sich schützen – gegen die Anmaßung der | |
US-Geheimdienste, die weltweit den Telefon- und Mailverkehr überwachen und | |
auswerten. So sahen das viele in Deutschland, als jüngst das | |
Überwachungsprogramm des US-Geheimdienstes NSA bekannt wurde. Allerdings | |
ist die Überwachung internationaler Kommunikation keine Spezialität der | |
Amerikaner. | |
Auch der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) betreibt internationale | |
Fernmeldeüberwachung – und zwar nicht erst seit Kurzem, sondern mindestens | |
seit 1968. Damals erhielt der BND die Befugnis zur strategischen | |
Aufklärung. | |
Systematisch sollte er den internationalen Telefon- und Fernschreibverkehr | |
überprüfen, um Hinweise auf einen bewaffneten Angriff auf die | |
Bundesrepublik zu finden. Damals herrschte noch Kalter Krieg mit dem | |
Ostblock. | |
Das Konzept der Überwachung ist bis heute dasselbe: Ein möglichst hoher | |
Teil der Kommunikation von und nach Deutschland wird vom BND gescannt. | |
Dabei prüft der Geheimdienst eine Nachricht immer dann, wenn ein | |
verdächtiger ausländischer Anschluss beteiligt ist – oder wenn ein | |
verdächtiges Wort wie „Sprengstoff“ benutzt wird. | |
Doch dann verschwand der Ostblock. Allerdings wurde das internationale | |
Schnüffelprogramm nicht etwa eingestellt, sondern sogar noch ausgeweitet. | |
Ab 1994 sollte der BND auch Hinweise auf terroristische Anschläge, Drogen- | |
und Waffenhandel sowie Geldfälschung finden. | |
Die Suchworte wurden entsprechend angepasst, die Listen umfassten jetzt | |
einige tausend Begriffe. Die dabei gewonnenen Informationen sollten nicht | |
nur an die Bundesregierung gehen, sondern auch an den Verfassungsschutz und | |
die Polizei. | |
Das führte zu großer Empörung. Der Hamburger Strafrechtsprofessor Michael | |
Köhler warnte vor einer „justizfreien Bundesgeheimpolizei“ und sprach von | |
einem „Verfassungsumsturz“. Neben Köhler klagte in Karlsruhe auch die taz, | |
die die Pressefreiheit bedroht sah. | |
Informanten im Ausland würden nicht mehr mit deutschen Journalisten | |
telefonieren, warnte taz-Anwalt Johnny Eisenberg, wenn sie wissen, dass | |
schon das Benutzen bestimmter Worte zum Abhören des Gesprächs führen kann. | |
Ende 1998 verhandelte das Bundesverfassungsgericht zwei Tage lang über den | |
sogenannten Staubsauger im Äther. Der BND sprach offen wie nie zuvor über | |
das Programm. Dabei räumte BND-Präsident August Hanning ein, dass die | |
strategische Überwachung weit weniger leistungsfähig war, als bis dahin | |
angenommen. | |
So konnten damals nur Telexe (eine aussterbende Technik) nach Suchworten | |
gescannt werden, nicht aber Telefonate, weil die Spracherkennung noch in | |
den Kinderschuhen steckte. Außerdem war nur die Überwachung der | |
Satellitenkommunikation erlaubt, betonte Hanning, und nicht die Kontrolle | |
des viel wichtigeren Datenverkehrs per Kupfer- und Glasfaserkabel – der 90 | |
Prozent ausmachte. | |
Ein hoher BND-Beamter brachte es auf den Punkt: „Ein Treffer ist hier wie | |
ein Sechser im Lotto.“ | |
Das Karlsruher Urteil fiel milde aus. Auch mit den neuen Aufgaben sei die | |
strategische Fernmeldeaufklärung des BND verfassungskonform, denn es gehe | |
um den Schutz „hochrangiger Gemeinschaftsgüter.“ Die Klage der taz hatte | |
also keinen Erfolg. | |
## Ein Fünftel ist erlaubt | |
Zwei Jahre später, 2001, wurde die BND-Überwachung dann erneut ausgeweitet. | |
Seitdem wird auch der E-Mail-Verkehr von und nach Deutschland kontrolliert. | |
Außerdem können jetzt auch die Kabelverbindungen überwacht werden. Als | |
Ausgleich setzte der Bundestag eine neue Grenze: Maximal 20 Prozent der | |
internationalen Kommunikation darf der BND überprüfen – tatsächlich schafft | |
er aber gerade mal 5 Prozent. | |
Dann hörte man lange nichts mehr von der strategischen Aufklärung – bis | |
Anfang 2012 die Bild-Zeitung Alarm schlug. Im Jahr 2010 habe der BND rund | |
37 Millionen E-Mails kontrolliert | |
. Allerdings stellte sich schnell heraus, dass der Geheimdienst nur ein | |
Opfer der Spamflut wurde. Millionen Mails enthalten zwar spannende | |
Begriffe, auf die die BND-Überwachungssoftware anspringt, doch das Gros der | |
Mails besteht nur aus Viagra-Werbung und Ähnlichem. | |
Im letzten Bericht des Bundestags sind die Überwachungs-Zahlen wieder etwas | |
zurückgegangen. Nur noch 2,83 Millionen Mails wurden beim BND als Treffer | |
registriert, die Spamfilter wirken also besser. Allerdings waren nur 290 | |
Treffer tatsächlich nachrichtendienstlich relevant, die Spamquote bei den | |
Treffern liegt damit immer noch bei 99,9 Prozent. | |
## Strategische Aufklärung | |
Gibt es wenigstens ab und zu einen Erfolg zu vermelden? Hier hält sich die | |
Bundesregierung eher bedeckt. Auf Anfrage der Linken verwies sie Ende 2012 | |
darauf, dass es hier ja nur um „strategische“ Aufklärung gehe und nicht um | |
die Lösung konkreter Fälle. | |
Vor einer Woche erweckte der Spiegel den Eindruck, die Internetüberwachung | |
des BND solle nun massiv ausgebaut werden. Von 100 Millionen Euro war die | |
Rede. Doch die Bundesregierung widersprach der Summe und dem angeblichen | |
Ziel vehement. Die Umschichtung von BND-Ressourcen diene nicht der | |
inhaltlichen Kontrolle des E-Mail-Verkehrs, sondern der Abwehr von | |
Hackerattacken auf deutsche Infrastruktur, also etwas ganz anderem. | |
So gesehen wirkt das strategische Überwachungsprogramm des BND doch relativ | |
harm- und hilflos – im Vergleich zu dem, was man aus den USA hört. | |
Andererseits ist bisher auch noch lange nicht geklärt, wie viel | |
Kommunikation die amerikanische NSA tatsächlich kontrolliert, auswertet und | |
speichert. | |
Vielleicht ist sie wirklich viel mächtiger als der BND. Vielleicht wird | |
Sicherheit aber auch in den USA vor allem inszeniert. | |
23 Jun 2013 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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