# taz.de -- Kontrolle von sozialen Netzwerken: Türkei ermittelt gegen Twitter-… | |
> Die türkischen Behörden fahnden im Netz nach den Drahtziehern der | |
> Proteste. Wer Staatsvertreter beleidigt hat, soll auch bestraft werden. | |
Bild: Wer steckt da dahinter? Und wer hat das bei Twitter angezettelt? | |
ANKARA ap/rtr | Die türkischen Behörden haben Ermittlungen gegen Nutzer von | |
sozialen Netzwerken im Internet eingeleitet. Die Ermittler fahnden im Netz | |
nach Nutzern, die in ihren Mitteilungen Staatsvertreter beleidigt oder zu | |
Unruhen aufgerufen haben, wie der stellvertretende Regierungschef Bekir | |
Bozdag am Donnerstag sagte. Zugleich wolle die Regierung dem Parlament | |
einen entsprechenden Vorschlag vorlegen, der eine Einschränkung der | |
Befugnisse des Militärs vorsehe, sagte er. | |
Nach den Massenprotesten gegen Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan | |
fordert die Türkei zudem einen härteren Zugriff auf den | |
Kurznachrichtendienst Twitter, den viele Demonstranten als Sprachrohr | |
nutzten. Twitter müsse ebenso wie andere soziale Medien ein Büro in der | |
Türkei haben, sagte Kommunikations-Minister Binali Yildirim am Mittwoch. | |
„Wenn wir Informationen haben wollen, wollen wir, dass es jemanden in der | |
Türkei gibt, der uns das liefern kann. (...) Es muss einen Ansprechpartner | |
geben, dem wir eine Beschwerde übermitteln können, und der dann einen | |
Fehler beheben kann, wenn es einen Fehler gibt.“ | |
Im Juni waren wiederholt tausende Menschen in türkischen Städten gegen | |
Erdogan auf die Straßen gegangen. Dabei ging die Polizei zum Teil mit | |
Wasserwerfern und Tränengas gegen die Demonstranten vor. Erdogan hatte die | |
Protestierer unter anderem als „Terroristen“ bezeichnet. Seine harte | |
Reaktion hatte in vielen Ländern Besorgnis ausgelöst, Bundeskanzlerin | |
Angela Merkel hatte sich „erschrocken“ gezeigt. | |
Während die meisten türkischen Medien die Proteste am Anfang kaum | |
thematisierten, waren sie etwa auf Twitter oder Facebook allgegenwärtig. | |
Erdogan hat Dienste wie [1][Twitter als „Plage“ bezeichnet], die Lügen üb… | |
die Regierung verbreiten, um die Gesellschaft zu terrorisieren. Örtlichen | |
Medien zufolge soll die Polizei mehrere dutzend Personen festgenommen | |
haben, denen sie vorwirft, während der Proteste über soziale Medien Unruhen | |
geschürt zu haben. | |
## Die Regierung will Namen | |
Mit Facebook hat die Regierung den Angaben nach keine Probleme. Der Dienst | |
arbeite mit den Behörden zusammen und habe einen Vertreter in der Türkei. | |
Von Twitter habe er aber keine positive Schritte gesehen, nachdem die | |
Regierung dem Dienst die „notwendigen Warnungen“ habe zukommen lassen, | |
sagte Minister Yildirim. Aus Kreisen des Ministeriums hieß es, die | |
Regierung habe Twitter aufgefordert, die Identität der Nutzer preiszugeben, | |
die beleidigende Nachrichten über die Regierung oder Erdogan gepostet | |
hätten. | |
Es ist unklar, wie Twitter auf die Aufforderung reagiert hat. Facebook | |
erklärte in einer Mitteilung, man habe nach einer Anfrage der Regierung | |
keine Daten von Nutzern an die Behörden weitergegeben. | |
Das türkische Innenministerium hat bereits jüngst mitgeteilt, es arbeite an | |
neuen Regeln, die auf „Provokateure“ in sozialen Medien abzielten. Details | |
dazu sind noch unklar. Ein Insider sagte, das Justizministerium habe | |
vorgeschlagen, dass jeder Türke, der einen Twitter-Account einrichten | |
wolle, sich mit seiner nationalen Identifikationsnummer anmelden müsse. Ein | |
anderes Ministerium habe das als „technisch unmöglich“ abgelehnt. | |
Auf eine deutsche Behröden-Anfrage hin hat Twitter bereits seit 2012 eine | |
Funktion mit Namen „country withheld content“. Damit ist eine Art Zensur | |
von Tweets möglich, die in einem bestimmten Land als gesetzeswidrig | |
angesehen werden könnten. Die Funktion war damals genutzt worden, um Tweets | |
einer rechtsgerichteten Gruppe in Deutschland zu blockieren. | |
Die Türkei hatte in der Vergangenheit bereits [2][Erfolg bei ihrem Bemühen | |
nach mehr Zugriff auf soziale Medien]. So hatte die Regierung nach eigenen | |
Angaben 2012 nach längerem Streit erreicht, dass die Filme-Plattform | |
Youtube in der Türkei unter einer türkischen Web-Domain arbeitet. Damit hat | |
das Land mehr Kontrolle über Youtube und kann zudem die Zahlung von Steuern | |
fordern. Die Türkei hatte Youtube zuvor zwei Jahre lang verbannt, nachdem | |
über die Plattform Filme verbreitet wurden, die nach Meinung der Regierung | |
den [3][Republik-Gründer Kemal Atatürk verunglimpften]. | |
27 Jun 2013 | |
## LINKS | |
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