# taz.de -- Kolumne Nullen und Einsen: Team Phlegma vs. Team Resignation | |
> Angesichts Prism und Tempora teilen sich die Deutschen in zwei Gruppen: | |
> Eine findet alles „nicht so schlimm“, die andere hat schon aufgegeben. | |
Bild: Geht auch: Protest gegen Prism in Hannover. | |
Dieser Tage fragen mich Menschen immer wieder: „Ist das eigentlich schlimm, | |
wenn ich diese Snowden-Sache nicht so schlimm finde?“ Und gucken dabei so | |
augenzwinkernd schuldbewusst, als müssten sie bei den Weight Watchers ihre | |
Tortenexzesse beichten. Nichts zu verbergen, mache doch nichts Schlimmes, | |
sollen die Geheimdienste doch mit meinen Daten … und so weiter. | |
Andere sehe ich so resigniert wie nie. Egal, ob sie ehrlich geschockt sind, | |
in welchem Ausmaß Geheimdienste Daten speichern und filtern, oder ob sie | |
verkünden, dass doch eh schon lange bekannt gewesen sei, wie übel wir | |
ausgespitzelt werden. Im Grunde sagen sie das Gleiche: Was bringe der | |
Rückzug ins Anonyme und Verschlüsselte, wenn Geheimdienste Kabel und | |
Knotenpunkte direkt anzapfen und das Verhalten im Netz einen auch ohne | |
IP-Adresse identifizieren kann? Wer würde schon wirklich glauben, nach ein | |
bisschen Bürgerprotest höre die Überwachung auf? Alles vergeblich – | |
kafkaesk, Kampf gegen Windmühlen. | |
Team Phlegma oder Team Resignation – dazwischen gibt es einen Monat nach | |
den ersten Snowden-Enthüllungen praktisch nichts. Abgesehen natürlich von | |
ein paar Printjournalisten, die raten, Wichtiges wieder im Wald zu | |
verhandeln, und denen, die Kryptografie als Lösung für alle verkaufen. | |
Froh macht beides nicht. Beim Team Phlegma frage ich mich, was noch | |
passieren müsste, um diese Leute zu beunruhigen. Ihre Steuererklärung laut | |
in der U-Bahn vorlesen? Die Polizei bei Zufallskontrollen aus ihren Mails | |
zitieren lassen? Sind sie nur hedonistisch-ignorant? Oder von | |
jahrzehntelanger „Nichts zu verbergen“-Rhetorik in der Politik versaut? | |
## Nur ein Science-Fiction-Blockbuster? | |
Ich fühle mich eher geneigt, in den Resignierten-Chor derjenigen | |
einzustimmen, die jetzt anfangen zu fragen, was das eigentlich für eine | |
Demokratie sein soll, in der so etwas möglich ist. Und dass man in solch | |
einem Land nicht leben will, in dem … Und überhaupt. | |
Manche von uns werden ein wenig mehr digitale Kryptohygiene betreiben. Je | |
besser wir uns abschotten und verschlüsseln, desto selbstgefälliger können | |
wir uns dann auf die Schulter klopfen, die Überlebenden der | |
Geheimdienstapokalypse, und auf all die herunterschauen, die ungeschützten | |
Datenverkehr haben. Und immer wieder zustimmend murmeln, wenn jemand eine | |
Klage, Verfassungsklage, Petition oder Gesetzesinitiative formuliert, die | |
Whistleblower oder unsere Daten besser protegieren soll. | |
Am Ende ist es leider egal, in welchem der beiden Teams man spielt: Im | |
Grunde hat man uns dort, wo Regierungen, Unternehmen, Geheimdienste | |
praktisch alles machen können, ohne mit nennenswerter Gegenwehr rechnen zu | |
müssen. Im tiefen Tal der Ratlosigkeit. | |
Wäre das alles der Science-Fiction-Blockbuster, als den viele die | |
Snowden-Story sehen, dann wären tapfere Helden unterwegs, um die Menschheit | |
vor der Übermacht der Geheimdienste zu retten und alles wieder ins Lot zu | |
bringen. | |
Wie gründlich solche Hoffnungen an der Realität zerschellen, hat die | |
Selbstzerfleischung von Wikileaks gezeigt. | |
5 Jul 2013 | |
## AUTOREN | |
Meike Laaff | |
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