# taz.de -- Psychiatrischer Maßregelvollzug: Nachdenken über Gustl M. | |
> Den Fall Mollath nutzt die Neue Richtervereinigung zu Reformvorschlägen | |
> für den Maßregelvollzug. Das ist auch im Sinne der | |
> Bundesjustizministerin. | |
Bild: Schloss und Riegel: Die Zahl der Einweisungen in die Psychiatrie hat sich… | |
KARLSRUHE taz | Immer mehr Straftäter sind zeitlich unbefristet in der | |
Psychiatrie untergebracht. Johann Bader von der Neuen Richtervereinigung | |
sieht darin das Symptom einer „ängstlichen Gesellschaft, die nicht mit | |
Risiken umgehen kann“. Er fordert deshalb grundlegende Reformen am | |
psychiatrischen Maßregelvollzug. | |
Der Fall Gustl Mollath hat das Thema auf die politische Tagesordnung | |
gesetzt. Der Franke sitzt seit 2006 in einem psychiatrischen Krankenhaus. | |
Das Landgericht Nürnberg hatte angenommen, dass Mollath seine Frau | |
geschlagen und die Reifen von vermeintlichen Verbündeten seiner Frau | |
zerstochen hat. Wegen Schuldunfähigkeit aufgrund von Wahnvorstellungen | |
wurde Mollath freigesprochen, aber zugleich in die Psychiatrie eingewiesen: | |
Er wähne sich im Kampf gegen Schwarzgeldverschiebungen, in die seine Frau | |
verwickelt sei. | |
Später stellte sich heraus, dass es beim Arbeitgeber der Frau, der | |
HypoVereinsbank, tatsächlich Schwarzgeldtransfers gegeben hatte. Inzwischen | |
wird auf Antrag von Mollath, aber auch auf Betreiben der Staatsanwaltschaft | |
eine Wiederaufnahme des Verfahrens geprüft. | |
Natürlich sind nicht alle Fälle so dramatisch wie der von Mollath, aber die | |
Zahl der strafrechtlichen Psychiatrie-Einweisungen hat massiv zugenommen, | |
von knapp 3.000 im Jahr 1996 auf 6.750 im Jahr 2012 (bezogen auf die alten | |
Bundesländer). | |
## Unbefristete Unterbringung bei geringstem Anlass | |
Johann Bader ist Stuttgarter Landesvorsitzender der Neuen | |
Richtervereinigung, der linken Konkurrenz zum Deutschen Richterbund. Er | |
kritisierte auf einer Pressekonferenz in Karlsruhe, dass die | |
Psychiatrie-Unterbringung schon bei geringsten Anlasstaten – wie einem | |
Hausfriedensbruch – möglich ist. Er fordert die Beschränkung auf | |
„schwerwiegende“ Anlasstaten. | |
Außerdem müsse die Psychiatrie-Unterbringung zeitlich begrenzt werden, | |
niemand solle länger in der Psychiatrie untergebracht werden, als er bei | |
Schuldfähigkeit hätte im Gefängnis sitzen müssen. Derzeit ist die | |
Psychiatrie-Unterbringungen unbefristet und endet erst, wenn der Betroffene | |
bei den jährlichen Überprüfungen nicht mehr als gefährlich gilt. | |
Gerhard Strate, der Anwalt von Gustl Mollath, begrüßte die Initiative der | |
kritischen Richter. Er will Mollath aber nicht aus der Psychiatrie holen, | |
weil die Unterbringung unverhältnismäßig lange andauert. Er geht vielmehr | |
davon aus, dass die Anlasstaten – das Würgen der Frau und die | |
Reifenstechereien – gar nicht stattgefunden haben. | |
Der Mannheimer Anwalt Günter Urbanczyk, der auf Unterbringungsfälle | |
spezialisiert ist, kennt zahlreiche Fälle, bei denen psychisch kranke | |
Straftäter deutlich länger in der Psychiatrie bleiben mussten als „normale�… | |
Straftäter. So schilderte er den Fall eines Mannes, der im Streit mit einer | |
Arbeitsvermittlerin diese mehrfach bedroht hatte und nun seit fünf Jahren | |
in der Psychiatrie sitzt, während er ansonsten wohl nur eine Geld- oder | |
Bewährungsstrafe erhalten hätte. | |
Vor Kurzem hat Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) | |
auch Reformbedarf erkannt und ein Eckpunktepapier vorgelegt. Danach soll | |
die Psychiatrie-Unterbringung auf acht Jahre begrenzt werden, außer, es | |
drohen Taten, „durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich | |
geschädigt oder erheblich gefährdet werden“. Außerdem soll schon nach zwei | |
(statt bisher fünf) Jahren ein externer Sachverständiger begutachten, der | |
nicht in der Einrichtung arbeitet. Anwalt Strate zeigte sich skeptisch: | |
„Die Gutachter kennen sich alle, dass da mal einer vom anderen abweicht, | |
erfordert viel Mut.“ | |
23 Jul 2013 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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