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# taz.de -- Bürgerkrieg in Kolumbien: Bilanz des Grauens
> Eine von der Regierung beauftragte Historikerkommission resümiert 54
> Jahre Krieg. Die meisten Opfer gehen auf das Konto rechter Paramilitärs.
Bild: Einsegnung von Opfern des Bürgerkrieges.
BUENOS AIRES taz | Mindestens 220.000 Tote. Das ist die Bilanz des Krieges
in Kolumbien, der seit 1958 andauert. Damit ist der bewaffnete Konflikt
„einer der blutigsten in der gegenwärtigen Geschichte Lateinamerikas“. Das
steht in dem Bericht „¡Basta Ya! – Es reicht! Erinnerung an Krieg und
Würde“, den die Historikergruppe des Nationalen Zentrums der Historischen
Erinnerung (CMH) am Mittwoch in Bogotá vorgestellt hat.
Die Informationen auf den über 400 Seiten basieren vor allem auf den
Aussagen von Überlebenden und Angehörigen der Opfer. Acht von zehn
Getöteten sind Zivilisten. Hinzu kommen 5,7 Millionen Vertriebene, 25.077
Verschwundene und 27.023 Entführungen.
Den paramilitärischen Gruppen wird die Mehrzahl der 1.982 festgestellten
Massaker zugeordnet. 1.166 gehen demnach auf deren Konto, während die
Guerilla für 343 und das Militär für 158 Massaker verantwortlich gemacht
werden. 20 wurden von Paramilitärs und Militär gemeinsam verursacht, 295
Massaker konnten nicht zugeordnet werden. Die meisten Opfer unter der
Zivilbevölkerung sind in den 1990er Jahren bis 2002 mit der Zunahme der
paramilitärischen Gruppen zu beklagen.
Der Bericht ist das erst staatliche Dokument in Kolumbien, das die Gräuel
des Bürgerkriegs so ausführlich vorstellt. 2005 wurde er im Rahmen eines
Gesetzes für Frieden und Gerechtigkeit von der Regierung in Auftrag
gegeben. Seit sechs Jahren hat eine Gruppe von 18 Historiker an dem Bericht
gearbeitet. Herausgekommen ist weit mehr als eine Ansammlung von Zahlen.
Die 54 Jahre werden in fünf Etappen unterteilt und historisch ausführlich
aufgearbeitet. Nationale und internationale Ereignisse werden gleichermaßen
berücksichtig. Es ist leicht vorherzusagen, dass „¡Basta ya!“ zu einer der
wichtigsten Quellen und Nachschlagewerke werden wird. Der Bericht kann von
der [1][CMH-Internetseite] heruntergeladen werden.
## Gehörig aufrütteln
Der Bericht zeigt Guerilla, Paramilitär, Staat und Militär in ihren aktiven
Täterrollen. Er unterstreicht jedoch die besondere Verantwortung von Staat
und Militär, die, anstatt Schutz zu garantieren, gegen die zu Schützenden
vorgingen.
Doch auch die Gesellschaft ist nicht nur ein Opfer, schreibt CMH-Direktor
Gonzalo Sánchez, „sie war auch Beteiligter an der Konfrontation: ihre
Zustimmung, das Schweigen, der Rückhalt und die Gleichgültigkeit müssen der
Anlass für ein kollektives Nachdenken sein“. Die Historiker hoffen, dass
der Bericht die Gesellschaft gehörig aufrütteln werde.
Der Bericht endet mit 28 Empfehlungen. Die erste richtet sich an den
Präsidenten, „die Verantwortung des Staates für die Verletzungen der
Menschenrechte im Zusammenhang mir den bewaffneten Konflikt vor der ganzen
Gesellschaft“ anzuerkennen und sich für die Verbrechen des Staates bei den
Opfern und deren Angehörigen zu entschuldigen. Doch eine simple
Entschuldigung reiche bei Weitem nicht aus. Die Menschen haben ihre
Geschichte in der Hoffnung erzählt, dass sich tatsächlich etwas verändert,
so die Historiker. Die Einrichtung einer Wahrheitskommission sei nicht
notwendig, aber zur juristischen Aufarbeitung sollte ein vorübergehendes
Sondertribunal eingerichtet werden.
Der Bericht versetze vor allem der Farc-Guerilla einen heftigen Schlag, da
er „sie mit der schrecklichen Bestandsaufnahme der Gewalttaten
konfrontiert, die sie gegen Zivilpersonen im Namen des Aufstandes verübt
hat“, während sie gleichzeitig bei den Verhandlungen in Havanna ihre
Täterrolle nicht anerkennt, kommentiert Chefredakteur Álvaro Sierra von der
renommierte Wochenzeitung Semana. Die Guerilla hat bisher nicht reagiert.
Dagegen hat Staatspräsident Juan Manuel Santos Zustimmung signalisiert.
Kolumbien müsse die Wahrheit über diesen Krieg erfahren, auch wenn sie
unbequem sei, so der Präsident. Seit November verhandeln Regierung und Farc
in Kuba über ein Friedensabkommen.
25 Jul 2013
## LINKS
[1] http://www.centrodememoriahistorica.gov.co/
## AUTOREN
Jürgen Vogt
## TAGS
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