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# taz.de -- Ursachsenforschung nach Eskalation: Ein Streit, sechs Thesen
> Nach den Tumulten in Hamburg-Altona streiten sich die Beteiligten über
> die Ursachen. Die taz stellt ihre Standpunkte vor.
Bild: Nach den Ausschreitungen zwischen Polizei und Jugendlichen in Hamburg-Alt…
Drei Nächte, sechzehn Festnahmen, brennende Autos und über hundert
Nachbarn, die auf der Holstenstraße stehen und protestieren. Vor zwei
Wochen eskalierte im Stadtteil Altona ein Konflikt, in dem es um das
Verhalten von Jugendlichen und um das von Polizeibeamten ging. Über die
Frage, wie es soweit kommen konnte, gehen die Meinungen auseinander. Wir
dokumentieren die verschiedenen Perspektiven:
## Die Polizei:
Die Polizei sagt, der Grund für ihre starke Präsenz im Stadtteil sei die
hohe Zahl von 520 Straftaten in Altona-Altstadt und ein aggressives
Auftreten einer Gruppe von 40 Jugendlichen, bei denen es sich zum Teil um
polizeibekannte Tatverdächtige handle. Polizeisprecherin Ulrike Sweden
erklärte, dass das Viertel nicht problematischer sei als andere: „Es ist
wie in vielen anderen Stadtteilen auch: Hier und dort wohnen eben Leute,
die polizeibekannt sind.“
Der Vorsitzende der Hamburger Gewerkschaft der Polizei (GdP), Gerhard
Kirsch, fordert ein „auf die Migranten abgestimmtes Maßnahmenbündel“ für
Altona. Die Polizei habe dort ein „zunehmendes Problem mit männlichen
Personen mit Migrationshintergrund“ identifiziert. Kiezbesucher seien
beraubt und verletzt worden und es habe Drogendelikte gegeben. „Wir sind da
mit polizeilichen Mitteln eigentlich auch überfordert“, sagt
Polizeisprecherin Sweden. Nun sei der Bezirk Altona gefragt. Demgegenüber
äußerte sich Polizeisprecher Holger Vehren skeptisch über die Wirksamkeit
des Jugendschutzes: „Alle Maßnahmen des Jugendschutzes sind ins Leere
gelaufen.“
## Die Jugendlichen:
Einige Jugendliche werfen der Polizei vor, dass sie Kinder und Jugendliche
aus dem Viertel gezielt schikaniere und kriminalisiere. „Wir waren am
Azra-Kiosk und haben uns etwas Süßes gekauft, dann haben wir nur noch
’Zugriff gehört‘“, schildert einer der Jugendlichen den Vorfall am 11.
Juli. Dann sei die Polizei gekommen. „Wir haben es immer noch nicht
hinbekommen, dass Leute, die anders aussehen, auch so wie Deutsche
behandelt werden“, sagt ein anderer Jugendlicher. „Dabei sind wir keine
Türken oder Afrikaner, wir sind hier geboren – unsere Herkunft ist Altona.“
## Die Eltern:
Anita Schmidt* wohnt schon ihr ganzes Leben in Altona. Ihr Sohn Jens ist 15
Jahre alt. Seinetwegen rufe die Polizei ständig an: Ob das Handy, das er in
der Tasche hat, ihr gehört – er könnte es geklaut haben. Woher er das
Fahrrad hat, auf dem er über die Holstenstraße radelt. Nachts holt sie ihn
dann vom Revier ab. „Es kann doch nicht sein, dass sie die Kinder gleich
festnehmen“, sagt sie. Ob Jens denn schon mal etwas gestohlen habe? Sie
senkt den Blick. „Nichts Großes“, sagt sie. Auch ihre Nachbarin, die ein
Kopftuch trägt, hat die Polizeipräsenz bemerkt: „Seit zwei Monaten sind
hier Zivilpolizisten unterwegs“, sagt sie: „Sie nähern sich den Kindern.
Das ist psychologischer Druck.“
## Die Anwohner:
Sven Liebert* wohnt neben dem Wohlerspark. In der Mitte des Parks, dort wo
die Bänke einen Kreis bilden, hat Sven Handybilder gemacht: Leere
Tetrapacks, zerknülltes Papier, Spuckpfützen. „Die hängen hier immer rum�…
sagt er. Fünf bis zwanzig Jungs, jeden Abend. Streetworker gebe es keine.
Vor einigen Wochen erzählte ihm seine Freundin, die Jungs hätten sich ihr
in den Weg gestellt, als sie den Kinderwagen durch den Park schob:
breitbeinig, den Blick direkt in die Augen gerichtet. Seitdem traue sie
sich nicht mehr, dort entlangzugehen. Wie die Polizei reagiert, findet er
trotzdem nicht richtig. „Fußstreifen aus fünf oder sechs Polizisten mit
Tonfa am Gürtel“ sei zu viel. Aber dass er jetzt hier Mädchen sieht mit
„FCK CPS“-Shirts, sei ebenfalls nicht in Ordnung. Von dem Geld sollen sie
sich lieber einen Mitgliedsausweis im Fußballverein besorgen. Den gebe es
hier nämlich direkt um die Ecke.
## Die Sozialen Dienste:
„Was es den Jugendlichen hier vor Ort schwer macht, ist, dass sie von
anderen Leuten als störend empfunden werden“, sagt Mauricio Wertheim. Er
ist Geschäftsführer der Jugendhilfe-gGmbH movego und ist zuständig für das
Juca, einen Jugendtreff, in den auch viele der Kinder und Jugendlichen
gehen, die jetzt mit der Polizei aneinandergeraten sind. Einer von ihnen
habe gerade Hausverbot bekommen, seine Freunde kämen aus Solidarität nicht
mehr. In Altona-Altstadt kümmern sich laut Senat drei
Straßensozialarbeiter. Das reiche, meint Wertheim. Sie stünden im guten
Kontakt mit Eltern und Kindern. „Die Jugendlichen haben ein Recht, sich im
öffentlichen Raum zu bewegen“, sagt er. Die verstärkte Polizeipräsenz habe
er nicht verstanden.
## Die Politik:
Aus der Innenbehörde heißt es, dass die Probleme „auch sozialräumliche“
seien, bei denen „nicht mehr die Polizei, sondern der Bezirk gefragt“ sei.
„Nach aktueller Kontaktaufnahme mit den Jugendlichen und deren Eltern rund
um den August-Lütgens-Park sowie mit verschiedenen Trägern und
Institutionen ist das Bezirksamt darum bemüht, nach weiteren
Unterstützungsmöglichkeiten zu suchen“, sagt Bezirksamtssprecherin Kerstin
Godenschwege.
Auf parlamentarischer Ebene dürften die Vorfälle noch ein Nachspiel haben.
Die Linke will im Innenausschuss das Thema ,Racial Profiling‘ in einer
öffentlichen Anhörung behandeln – und die betroffenen Jugendlichen dort zu
Wort kommen lassen.
*Namen geändert
26 Jul 2013
## AUTOREN
Lena Kaiser
Kristiana Ludwig
## TAGS
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
Racial Profiling
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Die Linke Hamburg
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