# taz.de -- Unruhen in Libyen: 1.000 Häftlinge fliehen | |
> Massenweise Häftlinge fliehen aus einem Gefängnis bei Bengasi. Indes | |
> stürmen Demonstranten Büros islamistischer Parteien in ganze Libyen. | |
Bild: Beerdigung des Rechtsanwalts Abdul-Salam al-Musmaris, der gegen Gaddafi g… | |
TRIPOLIS ap | Bei einem Massenausbruch aus einem libyschen Gefängnis nahe | |
Bengasi sind nach Behördenangaben mehr als 1.000 Insassen entkommen. Die | |
Gefangenen flüchteten aus der Haftanstalt al-Kweifija, wie | |
Ministerpräsident Ali Seidan am Samstag auf einer Pressekonferenz | |
bestätigte. Anwohner hätten den revoltierenden Gefangenen geholfen. | |
Seidan sagte, Dutzende Anwohner hätten das Gefängnis „angegriffen“, weil | |
sie keine Haftanstalt in ihrer Nachbarschaft wollten. Zwar seien | |
Sicherheitskräfte vor Ort gewesen, doch hätten diese Anweisung erhalten, | |
keine Schusswaffen gegen die Zivilisten einzusetzen. „Also haben die Bürger | |
den Gefangenen die Türen geöffnet“, sagte Seidan. | |
Mohammed Hedschasi, ein Regierungsbeamter mit Sitz in Bengasi, sagte, nach | |
der Massenflucht seien 18 Insassen wenig später festgenommen worden. Einige | |
seien zudem freiwillig zurückgekehrt. | |
Nach seinen Worten haben zunächst drei Gefangene einen Ausbruchversuch | |
unternommen. Als das Wachpersonal auf sie geschossen habe, sei der Tumult | |
losgebrochen. Dabei hätten Häftlinge mehrere Feuer gelegt, sagte ein | |
Sicherheitsbeamter des Gefängnisses. Als Berichte über die Unruhen die | |
Runde machten, eilten Bewaffnete zu der Haftanstalt und eröffneten das | |
Feuer, um inhaftierte Verwandte zu befreien, wie ein anderer | |
Sicherheitsbeamter aus der Gegend sagte. | |
Die Geflohenen seien entweder wegen schwerer Vorwürfe verurteilt worden | |
oder müssten sich deswegen vor Gericht verantworten. Über die genaue Zahl | |
der geflohenen Häftlinge herrschte zunächst Verwirrung, zum Teil war die | |
Rede von bis zu 1.200. | |
## Islamistische Parteibüros gestürmt | |
In Libyen ist die Sicherheitslage zurzeit sehr angespannt. Nach dem Mord an | |
einem Aktivisten stürmten Demonstranten am Samstag in mehreren Städten die | |
Büros von islamistischen Parteien. Zunächst war unklar, ob ein direkter | |
Zusammenhang zur Gefängnisrevolte bestand. | |
Unbekannte Täter hatten am Freitag in Bengasi den Rechtsanwalt Abdul-Salam | |
al-Musmari in seinem Auto erschossen. Er war einer der Anführer der | |
Proteste gegen den langjährigen Machthaber Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011, | |
die schließlich zu dessen Sturz führten. Zuletzt hatte Al-Musmari die auch | |
in Libyen äußerst einflussreiche islamistische Muslimbruderschaft | |
öffentlich scharf angegriffen. | |
Hunderte Menschen versammelten sich am Samstag in der Hauptstadt Tripolis, | |
um gegen die Ermordung al-Musmaris zu protestieren. Die Demonstranten waren | |
offenbar von den Massenprotesten in Ägypten am Freitag inspiriert, als | |
Millionen von Menschen einem Aufruf des Armeechefs gefolgt und auf die | |
Straße gegangen waren. | |
Der Armeechef hatte dazu aufgerufen, um ihm ein Mandat zu geben, | |
„potenziellen Terrorismus“ von Anhängern des gestürzten islamistischen | |
Präsidenten Mohammed Mursi stoppen zu können. Die Demonstranten in Tripolis | |
skandierten – wie die Menschen in Ägypten – „wir wollen die Bruderschaft | |
nicht, wir wollen die Armee und die Polizei“. | |
28 Jul 2013 | |
## TAGS | |
Gaddafi | |
Islamismus | |
Libyen | |
Bengasi | |
Mexiko | |
Entführung | |
Muslimbrüder | |
Libyen | |
EU-Kommission | |
Ägypten | |
Libyen | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Streit in mexikanischem Gefängnis: 52 Tote hinter Gittern | |
In einem Gefängnis in Monterrey im Nordosten Mexikos ist wohl ein Streit | |
völlig außer Kontrolle geraten. Mehr als 50 Menschen sind tot. | |
Entführung in Tripolis: Libyens Ministerpräsident gekidnappt | |
Ali Seidan ist von noch unbekannten Tätern verschleppt worden. Die | |
Regierung Libyens geht im Fall der Entführung allerdings von einem Akt | |
zweier Ex-Rebellen aus. | |
Blockaden in Libyen: Mehr oder weniger Autonomie | |
Jenseits von Tripolis existiert der Staat meist nur auf dem Papier. Ölhäfen | |
und die Wasserzufuhr werden blockiert, um mehr Mitsprache zu erreichen. | |
Gewalt in Libyen: Die Regierung hat wenig im Griff | |
Die Befreiung von 1.100 Häftlingen zeigt die prekäre Sicherheitslage. Der | |
Mord an einem Menschenrechtler löst Proteste gegen Islamisten aus. | |
Neue Normen für Rüstungspolitik: EU in Feuerlaune | |
Brüssel schlägt einheitliche Standards für die europäische | |
Rüstungsindustrie vor. So will man weltweit militärisch ernst genommen | |
werden. | |
Debatte Arabellion: Die große Ungeduld | |
Weder in Deutschland noch in Mittel- und Osteuropa verlief die | |
Demokratisierung geradlinig. Für Ägypter mag das frustrierend sein, aber es | |
gehört dazu. | |
Grenzsicherung in Libyen: EU-Training verläuft im Wüstensand | |
Mit einer zivil-militärischen Mission will die EU die libyschen Grenzen | |
abschotten. Das meiste Geld dafür geht an private Sicherheitsfirmen. |