# taz.de -- Die Wahrheit: Dubliner Stampede | |
> Riverdancer sind der Rekordsucht verfallen. Sie besetzten ein Brücke und | |
> wurden zur gefürchtetsten Truppe Europas. | |
Es gibt viele Möglichkeiten, ins Guinnessbuch der Rekorde zu gelangen. | |
Manche davon, wie das tagelange Sitzen auf einem Mast, sind mit wenig | |
Belästigung für die Umwelt verbunden. Andere wiederum ziehen ganze Städte | |
in Mitleidenschaft. Riverdance zum Beispiel. Seit fast 20 Jahren geistert | |
das Flusstanzspektakel durch die Welt. Das war nicht weiter schlimm, denn | |
es fand in geschlossenen Sälen statt, die man meiden konnte. Vor zwei | |
Wochen aber gab es kein Entrinnen. Die Organisatoren hatten beschlossen, | |
einen Weltrekord aufzustellen. | |
Angefangen hatte alles mit einem Pausenfüller. 1994 musste Irland das | |
Eurovisions-Kampfsingen austragen, weil man den Wettbewerb ein Jahr zuvor | |
gewonnen hatte. Um die Wartezeit bis zur Punktvergabe zu überbrücken, ließ | |
man Tänzerinnen und Tänzer zur grandiosen Musik der irischen Band Planxty | |
auftreten. In sieben Minuten war der Pausentanz vorbei, und niemand ahnte, | |
was man angerichtet hatte. Die kurze Einlage wurde so begeistert | |
aufgenommen, dass man sie auf abend- und kassenfüllende Länge ausdehnte. | |
Die Vortänzer Michael Flatley und Jean Butler wurden steinreich, | |
zerstritten sich, gründeten ihre eigenen Shows und wurden noch reicher. | |
Das sei ihnen gegönnt, aber damit hätten sie sich zufriedengeben sollen. | |
Doch Butler wollte auch noch ins Guinnessbuch. Vorvergangenen Sonntag | |
versammelten sich rund 2.300 Menschen auf der Samuel-Beckett-Brücke und am | |
Ufer der Liffey. Sie kamen von 163 Tanzschulen aus 44 Ländern, darunter | |
Mexiko, Japan, China, Saudi-Arabien und Usbekistan. Butler hatte ihnen | |
zuvor das Video „Hop, 1, 2, 3“ geschickt, damit sie die Tanzschritte | |
einüben konnten. Ludwig XIV., der Sonnenkönig, hatte es mit seinen Soldaten | |
ähnlich gemacht, allerdings ohne Video. Seine Soldaten wurden zur | |
gefürchtetsten Truppe in Europa. Heutzutage gilt das für das | |
Riverdance-Ensemble. | |
Die Video-Übungen waren jedoch reine Zeitverschwendung. Unter Butlers | |
Anleitung begann die Masse um 12 Uhr nach Ertönen einer Schiffssirene | |
herumzuhüpfen. Bei den Riverdance-Shows hatte man das Klackern der Schuhe | |
vorher aufgenommen, den Sound vervielfältigt und dann vom Band abgespielt, | |
um einen harmonischen Eindruck zu erwecken. Diesmal war es live und von | |
Harmonie keine Spur. Das wilde Getrampel versetzte die Brücke in | |
beängstigende Schwingungen. Nach 20 Minuten war alles vorbei. Die | |
Guinness-Richter konnten in dieser Zeit nicht alle Teilnehmer zählen, sie | |
waren bis 1.693 gekommen, als sich die Menge auflöste. Das reichte aber | |
allemal, um den bisherigen Rekord von 652 Tänzern in Nashville, Tennessee, | |
zu brechen. | |
Der Flusstanzrekord war Teil des „Gathering“, eine ganzjährige „Feier al… | |
Irischen“, mit Tausenden von Veranstaltungen, die Touristen auf die Grüne | |
Insel locken sollen. Dabei war Emigration das ursprüngliche Thema von | |
Riverdance. Warum hat man sich das nicht zu Herzen genommen? Warum musste | |
man nach Irland zurückkehren, statt die Auswandererländer mit dem Radau zu | |
behelligen? | |
4 Aug 2013 | |
## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
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