# taz.de -- Selbstmordserie wegen Cybermobbing: Keine Fragen mehr zu ask.fm | |
> Fünf Jugendliche haben sich im englischsprachigen Raum das Leben | |
> genommen. Zuvor wurden sie auf ask.fm gemobbt. Nun schreitet die Politik | |
> ein. | |
Bild: Auch auf Facebook werden Hannahs Hinterbliebene gemobbt. | |
BERLIN taz | Es ging um das Gewicht der 14-Jährigen und um den Tod eines | |
Onkels. Anonyme Nachrichten im Sozialen Netzwerk ask.fm haben Hannah Smith | |
aus England offensichtlich in den Selbstmord getrieben. In den Postings | |
wurde ihr über Monate hinweg nicht nur Krebs gewünscht, sondern sie wurde | |
auch aufgefordert, Bleichmittel zu trinken – [1][oder am besten gleich zu | |
sterben]. Ihre zwei Jahre ältere Schwester Jo fand die Jugendliche am | |
vergangenen Freitag erhängt in ihrem Zimmer. | |
Dies ist bereits [2][der fünfte Selbstmord] eines Teenagers, der zuvor auf | |
ask.fm intensiv gemobbt wurde, berichtet der Guardian. Der Vater der | |
Jugendlichen aus Leicestershire sieht die Schuld bei den Betreibern der | |
Website. „Sie verdienen ihr Geld mit dem Elend anderer“, sagte David Smith. | |
Der britische Premierminister David Cameron solle dafür zu sorgen, dass | |
Seiten wie ask.fm reguliert werden, sodass das Mobbing von | |
Schutzbedürftigen wie seiner Tochter nicht mehr möglich ist. „Ich will | |
nicht, dass andere Eltern das gleiche durchmachen müssen wie ich“, sagte | |
Smith. | |
Cameron ist dem Appell gefolgt und hat am Donnerstag [3][zum Boykott von | |
Online-Netzwerken wie ask.fm aufgerufen]. Die Seite, die sich in erster | |
Linie an Teenies richtet, ist wie ein großes Frage- und Antwortspiel | |
aufgebaut. Auf dem Profil eines Nutzers können andere beliebige Fragen | |
stellen und um eine Antwort bitten. | |
„Wenn man jemand dazu anstiftet, Schaden anzurichten oder Gewalt zu | |
gebrauchen, dann ist das strafbar – online wie offline“, sagte Cameron. | |
„Wenn man etwas im Internet tut, heißt das nicht, dass er dort nicht an die | |
Gesetze gebunden ist“, erläuterte er. Die Betreiber dieser Seiten müssten | |
die Netzwerke in verantwortungsvoller Art und Weise leiten. Außerdem rief | |
er dazu auf, diese „abscheulichen“ Plattformen zu meiden: „Boykottiert si… | |
geht da nicht hin, tretet nicht bei“, sagte er. | |
## Konzerne werben nicht mehr auf ask.fm | |
Weiter sprach Cameron eine generelle Hilflosigkeit in der Politik und bei | |
Eltern an. Es gebe diese „Tendenz“ zu sagen: „Na ja, das ist das Internet, | |
da können wir sowieso nichts machen.“ | |
Als Reaktion auf Camerons Boykott-Aufruf kündigten ein gutes Dutzend großer | |
Konzerne wie Fluggesellschaften oder Fastfood-Ketten an, [4][künftig keine | |
Werbung mehr] auf ask.fm zu schalten. | |
Die Betreiber des in Lettland ansässigen Dienstes [5][ask.fm] haben Hannahs | |
Angehörigen unterdessen in einem zweiseitigen Statement ihr Mitleid | |
ausgesprochen. Man werde mit der Polizei zusammenarbeiten, um die genauen | |
Umstände herauszufinden, die zu Hannahs Selbstmord führten. „Wir dulden | |
keine Form von Mobbing“, schreiben Mark und Ilja Terebin weiter. | |
Sie verweisen darauf, dass Nutzer anonyme Fragen blockieren können, sodass | |
sie auf ihrem Profil nicht angezeigt werden. Den Eltern versicherten sie | |
zudem, dass anonyme Nutzer, die auf der Seite nicht mit ihren echten Namen | |
unterwegs sind, anhand der IP-Adressen identifiziert werden können. Man | |
werde den Rahmen des Legalen ausschöpfen, um den Behörden alle zugänglichen | |
Daten für die Aufklärung des Falles zur Verfügung zu stellen. | |
## Trolle mobben die Hinterbliebenen | |
Das Fazit des Statements wirkt in diesem Zusammenhang jedoch wie ein | |
perfider Witz: „Wir sind stolz auf die phänomenale Popularität unseres | |
Sozialen Netzwerks“, schreiben Mark und Ilja Terebin. Man bemühe sich, die | |
Seite besser und sicherer zu machen. | |
Der Dienst ask.fm wurde laut dem Guardian im Jahr 2010 gegründet. Die Zahl | |
der Mitglieder habe sich von acht Millionen im vergangenen Jahr auf nun | |
rund 65 Millionen erhöht. Täglich kämen weltweit rund 300.000 neue Nutzer | |
hinzu, die offiziell ein Mindestalter von 13 Jahren haben müssen. Eine | |
Anfrage der taz, wie viele Nutzer der Dienst in Deutschland hat, ließen die | |
Betreiber am Freitag unbeantwortet. | |
Die vier anderen Jugendlichen, deren Selbstmorde mit ask.fm in Verbindung | |
gebracht werden, kommen aus Irland, England und aus den USA. Es handelt | |
sich um drei Mädchen im Alter zwischen 13 und 16 Jahren, sowie um einen | |
15-jährigen Jungen, die sich seit Herbst 2012 das Leben nahmen. | |
Die Familie von Hannah Smith wurde nach Bekanntwerden des Selbstmordes der | |
14-Jährigen in mehreren Sozialen Netzwerken [6][aufs Übelste gemobbt]. | |
Während einige Trolle in Kurznachrichten die väterliche Kompetenzen von | |
David in Frage stellen, schreiben andere, sie seien „happy“, dass Hannah | |
tot ist. | |
Die Nachrichten kamen nicht nur über ask.fm, sondern auch über andere | |
Netzwerke wie Facebook. | |
9 Aug 2013 | |
## LINKS | |
[1] http://www.dailymail.co.uk/news/article-2386903/Hannah-Smith-suicide-Ask-fm… | |
[2] http://www.theguardian.com/society/2013/aug/06/cyberbullying-social-network… | |
[3] http://www.theguardian.com/society/video/2013/aug/08/boycott-websites-david… | |
[4] http://www.theguardian.com/society/2013/aug/08/askfm-advertisers-cameron-bo… | |
[5] http://ask.fm/ | |
[6] http://www.mirror.co.uk/news/uk-news/hannah-smiths-sister-jo-targeted-21333… | |
## AUTOREN | |
Alexander Kohn | |
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