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# taz.de -- Debakel um Offshore-Windpark „Riffgat“: Wer zahlt die Zeche?
> Tennet verkabelt einen Windpark zu spät – und entscheidet selbst mit, wer
> dafür haften muss. Derweil laufen die Räder mit Diesel, damit sie nicht
> rosten.
Bild: Die Windräder drehen sich schon – aber Strom wird noch nicht produzier…
HAMBURG taz | Ein Windpark, in dem die Mühlen mit Diesel angetrieben werden
– das hat in der letzten Woche für viel Spott gesorgt. So geschieht es
derzeit in der deutschen Nordsee. Der Windpark „Riffgat“ vor Borkum ist
seit 10. August fertig, kann aber nicht in Betrieb gehen, weil der
Anschluss ans Übertragungsnetz an Land nicht steht. Jetzt treiben ihn
Dieselgeneratoren an, damit die Mühlen nicht einrosten.
Nun stellt sich die Frage, wer dafür zahlt. Wird ein fertiggestellter
Offshore-Windpark nicht rechtzeitig ans Stromnetz angeschlossen, haften
eigentlich die Übertragungsnetzbetreiber zusammen mit den privaten
Stromverbrauchern. Wer wie viel von dem Verdienstausfall der
Windkraftanlagen-Betreiber zahlt, richtet sich nach dem Maß der Schuld, die
der zuständige Netzbetreiber an dem Debakel hat. Das Paradoxe: Darüber
befinden nicht etwa unabhängige Instanzen, sondern die vier großen
Übertragungsnetzbetreiber gemeinsam.
Im Fall von Riffgat hat die Windpark-Betreiberin EWE bereits eine
Entschädigung gefordert. „Der Netzbetreiber hat uns definitive Zusagen
gemacht mit klaren Fertigstellungsterminen“, sagte EWE-Chef Werner Brinker
der dpa. Tennet war es nicht gelungen, rechtzeitig die Weltkriegsmunition
zu bergen, die auf der Kabeltrasse liegt, und argumentiert, dass sich die
Bergung schwieriger als erwartet gestalte, weil es im Bereich der Trasse
eine starke Strömung gebe. Dass dort Munition liege, sei seit Jahren
bekannt, kontert EWE.
Seit Ende letzten Jahres müssen Übertragungsnetzbetreiber wie Tennet
Entschädigungen für derartige Fälle zahlen. Die Vorschrift sollte die
Windparkbetreiber von einem Teil ihres Risikos entlasten und den Ausbau der
Offshore-Windenergie beschleunigen. Um die Netzbetreiber nicht zu sehr zu
belasten, können die allerdings einen Teil der Entschädigungssumme auf die
Gemeinschaft der Netzbetreiber abwälzen.
Die wiederum können den Betrag auf die Netznutzungsentgelte aufschlagen,
die jeder Stromkunde zahlt. Ist der Netzbetreiber Opfer höherer Gewalt,
zahlen die Kunden den Schaden komplett; hat er fahrlässig gehandelt, muss
er bis zu 17,5 Millionen Euro pro Jahr berappen, bei grober Fahrlässigkeit
210 Millionen, bei Vorsatz alles.
## Bundesnetzagentur kann Verfahren einleiten
Wer festlegt, wie viel im Einzelfall zu bezahlen ist – ob etwa
Fahrlässigkeit oder höhere Gewalt vorliegt –, lässt das Gesetz offen. „Es
ist an den Übertragungsnetzbetreibern zu sagen, dein Eigenanteil ist
höher“, sagt Yvonne Grösch von der Bundesnetzagentur, der
Regulierungsbehörde für die Energieversorgungs- und
Telekommunikationsnetze.
Das Procedere dazu werde noch abgestimmt. Die Bundesnetzagentur könne aber
im Rahmen ihrer Ex-Post-Aufsicht ein Verfahren einleiten, wenn sie die
Umlage für nicht korrekt halte.
Holger Krawinkel, Bereichsleiter Verbraucherpolitik beim Bundesverband der
Verbraucherzentralen, hält es für schwierig, dass die
Übertragungsnetzbetreiber als Betroffene zugleich Beteiligte an dem
Verfahren zur Bestimmung der Umlage sein sollen. „Ich vermute, dass das
Anlass zu Rechtsstreitigkeiten gibt“, sagt er.
Schon während des Gesetzgebungsverfahrens habe es Diskussionen über die
Frage der Fahrlässigkeit gegeben. Die Verbraucherzentralen hätten eine
stärkere Rolle für die Bundesnetzagentur gefordert. Das gelte nach wie vor.
21 Aug 2013
## AUTOREN
Gernot Knödler
## TAGS
Tennet
Bundesnetzagentur
Offshore-Windpark
Verbraucherzentrale
Spendenkrimi bei EWE
Nordsee
Arbeitnehmer
Offshore-Windpark
Schweinswal
Schwerpunkt Atomkraft
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