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# taz.de -- Kolumne Macht: Hier kommt eine Warnung
> Niemand hat es so leicht, seine Existenz durch öffentliche Mitteilungen
> zu rechtfertigen wie Geheimdienste: Wenn was passiert, war es richtig,
> wenn nicht, auch.
Bild: Hier wird gleich ein Koffer gesprengt. Sicher ist sicher.
Geheimdienste haben die Fantasie schon immer angeregt, aber derzeit braucht
man ziemlich viel davon, um sich die Arbeit dieser Institutionen
auszumalen. Sicher, unter einem abgehörten Telefongespräch zwischen
Terroristen kann man sich etwas vorstellen. Aber wie mag sich das konkret
anhören?
Vielleicht so: „Salam alaikum, kannst du mir ein bisschen mehr erzählen
über das, was so in nächster Zeit geplant ist?“ – „Alaikum salam, das w…
ein Riesending, mit einem ganz schnellen Zug, irgendwo in Europa.“ Oder so:
„Ich habe die Adresse des toten Briefkastens vergessen, kannst du mir die
noch mal sagen?“ – „Sicher, kein Problem. Hinter der gelben Tonne im
Innenhof der Veilchengasse 42. Da findest du dann Einzelheiten zu den
Aktionen in Schnellzügen.“ Oder so: „Fährt das Kaninchen mit der
Eisenbahn?“ – „Ja, und es wird das Feuerwerk irgendwo in Europa zünden.�…
Was für eine Freude muss ein Agent empfinden, der ein solches Gespräch
belauscht! Vielleicht war es derselbe, der einst die Vorwahl der
US-Hauptstadt Washington mit der von Ägypten verwechselt hat. Nach Angaben
des Geheimdienstes NSA war das ja einer der Hauptgründe dafür, dass
tausendfach Amerikaner versehentlich und illegal überwacht worden sind.
Aber nun gab es eine Chance, die Scharte auszuwetzen – und auch noch die
Verbündeten zu alarmieren, von denen ja einige zurückhaltende Irritation
darüber gezeigt hatten, dass US-Dienste auch in ihren Ländern alle
möglichen Daten sammeln, derer sie habhaft werden können. Jetzt konnten sie
mal sehen, wie nützlich das ist, wenn Freunde wachsam sind.
Es muss eine bittere Enttäuschung gewesen sein, dass beispielsweise die
deutsche Bundesregierung nicht sofort eine dringende Empfehlung
ausgesprochen hat, ab sofort auf Bahnfahrten zu verzichten. Die USA sind da
weniger leichtsinnig. Die warnen bei Bedarf ihre ganze Bevölkerung vor
Reisen aller Art, weltweit. Und erinnern daran, dass „Terroristen ganz
unterschiedliche Mittel und Waffen benutzen“ und sowohl öffentliche wie
auch private Ziele ins Visier nehmen könnten. Da weiß man doch, woran man
ist.
Über Terrorwarnungen zu spotten, ist heikel. Wenn etwas passiert, dann
wirkt jeder Sarkasmus im Rückblick zynisch. Und wenn nichts passiert, dann
– ja, dann ist das vermutlich der unermüdlichen Arbeit der Geheimdienste
geschuldet.
Keine andere Institution hat es so leicht wie ein Geheimdienst, seine
eigene Existenzberechtigung durch geschickte Öffentlichkeitsarbeit –
ausgerechnet! – nachzuweisen. Wer will denn hinterher behaupten, irgendeine
Warnung sei unberechtigt oder hysterisch gewesen? Das lässt sich ja nicht
nachweisen. Ohnehin ist unbestreitbar richtig, dass es terroristische
Organisationen gibt, die auf der ganzen Welt immer wieder Anschläge
verüben, und dass diese sich unterschiedlicher Methoden bedienen. Das ist
keine Nachricht, sondern eine Binsenweisheit. Weswegen sich derartige
Hinweise auch jederzeit beliebig wiederholen lassen.
Es funktioniert ja. Die Bereitschaft, aus Angst vor Terror jede noch so
unsinnige Vorschrift zu akzeptieren, lässt sich täglich bei den
Sicherheitskontrollen an Flughäfen besichtigen. Vor ein paar Monaten ist
einem kleinen Jungen vor mir in der Schlange eine große Schneekugel
weggenommen worden. Sie enthielt zu viel Flüssigkeit.
Mag sein, dass diese Maßnahme einen grässlichen Anschlag verhindert hat.
Ich halte es allerdings für unwahrscheinlich. Und ich halte es auch nicht
für einen Zufall, dass die NSA ausgerechnet jetzt so wertvolle Hinweise
durch abgehörte Telefonate gewonnen hat. Seit nämlich die Kritik an den
Abhöraktionen lauter wurde.
24 Aug 2013
## AUTOREN
Bettina Gaus
## TAGS
NSA
BND
Geheimdienst
Edward Snowden
NSA
Alan Rusbridger
Prism
Prism
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