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# taz.de -- Konsequenzen aus den NSU-Morden: Merkel will Vorschläge „prüfen…
> Migrantenverbände und Opfervertreter loben den Abschlussbericht zum
> NSU-Untersuchungsausschuss. Aber einiges vermissen sie darin.
Bild: Arbeit getan: Der NSU-Untersuchungssausschuss im Bundestag
BERLIN taz | Der Abschlussbericht des NSU-Untersuchungsausschusses des
Bundestags findet bei Migrantenverbänden, Opfervertretern und
Antirassismus-Initiativen viel Lob, aber auch Kritik. Einhellig wird
bemängelt, dass der Begriff des „strukturellen Rassismus“ in der Analyse
des Behördenversagens strikt vermieden wurde.
Der über 1300 starke [1][Abschlussbericht] sei „vorsichtig formuliert“,
sagte der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat
am Freitag der taz. „Der Hinweis auf das durchgehende Grundmuster, nach dem
in Polizeibehörden auf Landes- und Bundesebene sowie im Verfassungsschutz
der Blick nach rechts stets vermieden wurde, fehlt im Bericht“, findet auch
Barbara John (CDU), die Ombudsfrau für die Hinterbliebenen der NSU-Opfer.
## Türkische Gemeinde macht eigene Vorschläge
Die Schlussfolgerungen des Berichts, die von Vertretern aller Parteien im
Bundestag mit getragen wurden, gehen vielen nicht weit genug. In dem
Bericht wird von den Behörden ein Mentalitätswandel eingefordert: Es
bräuchte eine stärkere interkulturelle Öffnung, mehr Beamte mit
Migrationshintergrund und eine größere Sensibilität für Rassismus.
Die NSU-Mordserie müsse auch Konsequenzen für die Ausbildung bei Polizei
und Verfassungsschutz haben. „Die Vorschläge gehen in die richtige
Richtung, sie reichen aber nicht aus“, meint Kenan Kolat. Er fordert, einen
Bundesbeauftragten gegen Rassismus zu berufen und einen ständigen
Antirassismus-Ausschuss im Bundestag einzurichten.
Außerdem spricht er sich dafür aus, die Landesämter für Verfassungsschutz
in ihrer jetzigen Form aufzulösen und den Einsatz von V-Leuten in der
Neonazi-Szene zu beenden. Die Türkische Gemeinde in Deutschland wird am
Dienstag einen eigenen, rund 80-seitigen Bericht mit zusätzlichen
Vorschlägen vorlegen, welche Konsequenzen aus der NSU-Affäre gezogen werden
sollten.
Auch die Amadeu-Antonio-Stiftung fordert ein schärferes Vorgehen gegen
Rassismus. „Hier bleibt der Bericht vage und inkonsequent“, so Kahane.
Natürlich gebe es auch Rassisten bei der Polizei und in Behörden. Sie
fordert ein „offensives Aufräumen mit Rassismus in staatlichen Strukturen“.
Außerdem müssten rassistisch motivierte Straftaten künftig schärfer
bestraft werden. Auch der Zentralrat der Muslime hatte einen
Anti-Rassismus-Beauftragten angeregt, der dem Bundestag jährlich einen
Bericht über Rassismus in der Gesellschaft und den Behörden vorlegen soll.
## Reaktionen der Bundesregierung
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat versprochen, die Empfehlungen des
NSU-Untersuchungsausschusses würden nun eingehend geprüft.
Regierungssprecher Steffen Seibert sagte am Freitag, die Kanzlerin sei
dankbar für „die sehr umfassende und für unsere Gesellschaft ungeheuer
wichtige Aufklärungsarbeit, die dieser Ausschuss geleistet hat“.
Rassismus-Vorwürfe gegen die Bundespolizei wies Bundesinnenminister
Hans-Peter Friedrich aber schon zurück. Entsprechende Äußerungen aus der
SPD habe er "mit großer Verwunderung" zur Kenntnis genommen, sagte dessen
Sprecher Jens Teschke. Es gebe auch bereits ein Programm für mehr Migranten
bei der Polizei. "Wir sind auf dem richtigen Weg", so Teschke.
Der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu hatte nach einem Treffen mit
seinem deutschen Kollegen Guido Westerwelle (FDP) am Donnerstag die „sehr
entschlossene und entschiedene Haltung“ Deutschlands bei der Aufarbeitung
der Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) gelobt. „Wir
schätzen das sehr“, sagte Davutoglu in Berlin.
Türkische Zeitungen berichteten am Freitag ausführlich über den Bericht –
und werteten ihn als Ohrfeige für die Behörden. „Polizei,
Verfassungsschutz, Staatsanwaltschaft und Gerichte, ihr seid alle
schuldig“, schrieb die Hürriyet. „Der NSU-Bericht ist fertig, nun ist die
Zeit des Handelns gekommen“, schrieb das Massenblatt Sabah.
23 Aug 2013
## LINKS
[1] http://www.bundestag.de/presse/pressemitteilungen/2013/pm_130823.html
## AUTOREN
Laura Eßlinger
Daniel Bax
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
Polizei
Schwerpunkt Rechter Terror
Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)
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Rechtsextremismus
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