# taz.de -- Bildungsministerin Münch über Haasenburg: „Die Vorwürfe umfass… | |
> Ich kann die Heime nicht willkürlich schließen, sagt Brandenburgs | |
> Bildungsministerin Münch (SPD). Sie sucht nach belastbaren Gründen, um | |
> die Heime zuzumachen. | |
Bild: Noch versucht die Staatsanwaltschaft herauszubekommen, was in den Haasenb… | |
taz: Frau Münch, Sie haben den Aufnahmestopp für die Haasenburg GmbH bis | |
Ende August befristet. Nimmt die Firma ab September wieder Kinder auf? | |
Martina Münch: Es gibt dazu noch keine abschließende Entscheidung. Es | |
finden derzeit noch intensive Gespräche statt, unter anderem mit den | |
belegenden Jugendämtern. | |
Meinen Sie, dass Sie diese Ämter, die seit Jahren die Haasenburg belegen, | |
nun sagen: Diese Einrichtung geht gar nicht? | |
Darum geht es nicht. Es geht darum, Informationen zu bekommen, wie die | |
kommunalen Jugendämter den Träger erleben, welche Erfahrungen sie gemacht | |
haben und ob ihnen dort besondere Dinge aufgefallen sind. | |
Die taz hat mit 20 Jugendlichen gesprochen. Alle sagen, die Haasenburg hat | |
ihnen geschadet. | |
Ich hoffe, dass diese Jugendlichen sich an uns, die Staatsanwaltschaft oder | |
die unabhängige Untersuchungskommission wenden, damit wir klären können, | |
was dort passiert ist. Es entspricht aber übrigens generell den | |
Ergebnissen, die wir von therapeutischen Maßnahmen kennen, dass man nie 100 | |
Prozent Erfolg hat. | |
Einer der Jungen, der aus dem Heim geflüchtet war, berichtete, sein Arm sei | |
ausgekugelt worden. Das ist jetzt Wochen her. Haben Sie eruiert, ob es | |
stimmt? | |
Bisher konnten sich nicht alle Vorwürfe zweifelsfrei bestätigen lassen. | |
Hier warten wir auf die staatsanwaltlichen Erkenntnisse. | |
Das soll ja bei einer Antiaggressionsmaßnahme geschehen sein. Viele | |
Jugendliche berichten uns, dass diese Maßnahmen eben nicht nur zur | |
Gefahrenabwehr durchgeführt werden. Wird es der Haasenburg weiter erlaubt, | |
Jugendliche zu begrenzen? | |
Nein, Antiaggressionsmaßnahmen sind keine legitimen Erziehungsmaßnahmen. | |
Sie dürfen nur ausnahmsweise eingesetzt werden, wenn Jugendliche sich | |
selbst oder andere gefährden. Wenn sich das anders herausstellt, ist das | |
eine andere Sachlage. | |
Sie haben eine Kommission eingesetzt und fordern von Kindern Beweise. | |
Gleichzeitig gibt es bereits zahlreiche Ermittlungsverfahren. Wann treffen | |
Sie als Ministerin eine Entscheidung und sagen: Jetzt reicht es mir? | |
Ich habe nach den ersten konkreten Vorwürfen zu kindeswohlgefährdenden | |
Vorfällen in den Heimen der Haasenburg Anfang Juli Beschäftigungsverbote | |
und einen Belegungsstopp verhängt. Aber wir leben in einem Rechtsstaat. | |
Auch ich als Ministerin muss mich an Recht und Gesetz halten und brauche | |
belastbare Gründe, um eine Jugendhilfeeinrichtung zu schließen – ich kann | |
nicht einfach willkürlich entscheiden, diese Einrichtung zu schließen. | |
Wieso, die Gründe existieren doch? | |
Ich muss zunächst nachweisen, dass aktuell in einer Einrichtung die dort | |
untergebrachten Jugendlichen gefährdet sind. Und dann muss ich nachweisen, | |
dass der Träger nicht willens oder nicht in der Lage ist, diese Missstände | |
abzuschaffen. Wenn es Beweise gibt, dass Kinder ohne Grund einer | |
Antiaggressionsmaßnahme ausgesetzt wurden, dann könnte das ein Grund sein. | |
Wir haben einen Jugendlichen interviewt, der das berichtet, und danach ihr | |
Ministerium befragt. Daraufhin hieß es, sie hätten die Mitarbeiter der | |
Haasenburg befragt, und die hätten das nicht bestätigt. Wie sollen die | |
Kinder das beweisen, die haben ja im Heim keinen Anwalt dabei? | |
Bereits der konkrete Vorwurf eines Jugendlichen gegen einen Erzieher hat | |
sofortige Konsequenzen. Genau deshalb ist es ja auch zu den aktuellen | |
Beschäftigungsverboten gekommen. Natürlich müssen wir auch den | |
Beschuldigten die Möglichkeit zur Stellungnahme geben. | |
Als Ministerin könnten Sie ja auf die Idee kommen, dass Begrenzungen und | |
Fixierliegen eben kein adäquates pädagogisches Konzept im Jahr 2013 | |
darstellen. | |
Von Dingen, die Jahre zurückliegen, kann ich keine aktuelle Entscheidung | |
ableiten. Fixierliegen sind seit Jahren verboten – und waren übrigens auch | |
nie Bestandteil der Genehmigung. Und Begrenzungen sind immer nur die Ultima | |
Ratio bei Fremd- oder Eigengefährdung. | |
Es gibt so etwas wie den Geist einer Einrichtung. | |
Genau deshalb haben wir die Untersuchungskommission eingesetzt: Wir wollen | |
wissen, wie sie das Konzept bewerten und wie der pädagogische Alltag in den | |
Einrichtungen der Haasenburg aussieht. | |
Aber es gibt auch Verantwortung für die Vergangenheit, für jene | |
Jugendlichen, die vor wenigen Jahren diese Dinge erlebten. Um Hilfe und | |
mögliche Entschädigung. | |
Aber zunächst müssen wir die Vorwürfe möglichst umfassend aufklären. | |
Allerdings glaube ich nicht, dass die Probleme der Jugendlichen nur auf | |
ihre Zeit in dieser Einrichtung zurückgeführt werden können. Die Haasenburg | |
ist für viele nur die letzte Station gewesen. | |
Die Vorwürfe sind dem Landesjugendamt seit 2006 bekannt. Die Kinder und | |
Jugendlichen berichten über sehr drastische Erlebnisse. | |
Nur ein Teil der jetzigen Vorwürfe war dem Landesjugendamt bekannt. | |
Bestimmte Dinge, wie der Einsatz von Fixierliegen, die Videoüberwachung | |
oder die umfassende Postkontrolle, waren nie Teil der offiziellen | |
Betriebserlaubnis. | |
Warum reagiert ein Hamburger Jugendamt nicht, wenn ein Junge berichtet, ihm | |
wird wehgetan? | |
Da müssen Sie das Hamburger Jugendamt fragen. Begrenzung ist eine extreme | |
Maßnahme, wenn ein Kind um sich schlägt und tritt. | |
Die Kinder sagen eben, sie hätten nicht geschlagen. | |
Diesen Vorwürfen gehen wir gerade nach. | |
Sie erhalten aber nur kurze Meldungen solcher Vorfälle, nicht die | |
vollständigen Protokolle. Diese Meldungen sind in sich rechtfertigend. | |
Lesen Sie diese Protokolle und reden mit den Jugendlichen, ergibt sich ein | |
anderes Bild. Warum fordern Sie nicht regelhaft alle Protokolle an und | |
nehmen Ihre Verantwortung wahr? | |
Im Einzelfall werden solche Protokolle auch angefordert, und es gibt | |
Gespräche vor Ort. | |
Die Fixierliegen sind erst 2010 verboten worden. Die gab es aber schon | |
länger. Das Landesjugendamt hat nichts von den Liegen gewusst? | |
Doch – deswegen wurde der Einsatz von Fixierliegen auch untersagt. | |
Wie kann es sein, dass das Amt diese Liegen fünf Jahre übersieht? | |
Das muss mit dem Landesjugendamt geklärt werden, welche Art von Begehungen | |
es dort genau gab. Hier erwarten wir auch Hinweise von der | |
Untersuchungskommission. | |
Uns liegt ein Dokument vor, in dem die Sorgeberechtigten unterschreiben | |
sollten: „Das Fixierbett wurde besichtigt“. | |
Dieses Formular kenne ich nicht. Es spielt nur auf der Ebene zwischen der | |
Einrichtung, den kommunalen Jugendämtern und den Sorgeberechtigten eine | |
Rolle. Ich wiederhole es noch mal: Für den Einsatz von Fixierliegen gab es | |
keine Genehmigung. | |
Die Aufsichtsbehörde kennt diese Erklärungen nicht? | |
Nein. | |
Hat Ihre Behörde geschlampt? | |
Dafür habe ich derzeit keine Hinweise. Das Landesjugendamt ist viel | |
häufiger in der Haasenburg gewesen als in anderen Jugendhilfeeinrichtungen | |
und hat in den vergangenen Jahren zahlreiche Auflagen erteilt. Man kann | |
beim besten Willen nicht sagen, dass das Landesjugendamt untätig gewesen | |
wäre. Ob aber auch im Rückblick alles immer optimal gelaufen ist, werden | |
wir prüfen und erwarten hier auch eine Einschätzung der | |
Untersuchungskommission. Aber ich muss auch mal anmerken, wenn man Ihre | |
Berichte liest, dann klingt es, als ob die Jugendlichen alle harmlos wären. | |
So ist es doch nicht. | |
Die Kinder sind nicht wie vielfach dargestellt alle Kriminelle. Sie sind | |
nicht auf Grundlage des Strafgesetzbuches in dieser Einrichtung. | |
Absolut richtig. Was man aber nicht vergessen darf: Diese Jugendlichen | |
haben meist ein schweres persönliches Schicksal mit Gewalt-, Missbrauchs- | |
und Drogenerfahrungen und sind selbst zum Teil auch straffällig geworden. | |
Jugendliche, die in Einrichtungen wie die Haasenburg kommen, werden in | |
anderen Einrichtungen gar nicht mehr genommen. Das bedeutet aber natürlich | |
nicht, dass diese Heime ein rechtsfreier Raum sein dürfen. Man muss aber | |
die Möglichkeit haben, die Kinder vor sich selbst zu schützen. | |
Woher wissen Sie, dass die Selbstgefährdung tatsächlich passiert? | |
Weil es dazu in den Berichte zahlreiche Indizien und Hinweise gibt. | |
Die Kinder bräuchten Anwälte, um ihre Interessen durchzusetzen. Die können | |
sie sich in der Regel nicht leisten. | |
Deswegen gibt es ja die Hotline. | |
Deren Nummer nur in einer alten Pressemitteilung zu finden ist … | |
… die man auf der Seite des Ministeriums problemlos findet – ebenso wie die | |
Nummer der Untersuchungskommission. | |
Die ist nur Montag vormittags erreichbar. | |
Alle Mitglieder der Kommission sind neben ihrer Tätigkeit dort auch noch | |
berufstätig – man kann aber seine Nummer hinterlassen und wird dann | |
zurückgerufen. | |
Es handelt sich um traumatisierte Jugendliche. | |
Sie können sicher sein, dass wir in den kommenden Tagen dazu eine | |
verantwortungsvolle Entscheidung treffen werden. | |
25 Aug 2013 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
Kai Schlieter | |
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