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# taz.de -- Boss verhaftet, Mafia lebt: Die Hässliche, der Kahle, der Affe
> Wieder ist in Mexiko ein Drogenboss verhaftet worden, die Behörden
> bejubeln sich selbst. Mit der Wirklichkeit haben diese Erfolgsmeldungen
> herzlich wenig zu tun.
Bild: Ein mexikanischer Polizist bewacht die verhafteten Dealer.
Am Sonntag traf es „Betty, die Hässliche“, die eigentlich ein Er ist, und
zwar der „Boss des mächtigen Juárez-Kartells Alberto Carrillo Fuentes“, w…
alle Agenturen wissen, und dessen längst verstorbener Bruder, der „Herr der
Himmel“, die Mafiaorganisation aus dem mexikanischen Norden einst gegründet
hat.
Jüngst ging den Fahndern „der Kahlköpfige“ von den Zetas ins Netz, deren
Ex-Chef „Henker“ wurde von Polizisten erschossen und der „Affe“ von der
Kriminellentruppe „Familia Michoacana“ sitzt längst im Knast.
Es sind Mexikos Killer selbst, die den Medien mit ihren merkwürdigen
Kosenamen den Stoff für prägnante Schlagzeilen liefern. Jeder Schlag ein
Treffer. Was folgt, sind Aufzählungen, die bestätigen, welch großartigen
Erfolg, sprich welch „schweren Schlag gegen die organisierte Kriminalität“
den Soldaten oder Polizisten wieder gelungen sei.
Der eine hat eine besonders skrupellose Killergruppe befehligt, der nächste
seine Opfer in aller Öffentlichkeit aufgeknüpft, wieder andere sollen
häufig die Gegner in den eigenen Reihen eliminiert haben. Sehr gut lief
auch „El Pozolero“, der „Eintopfkoch“ von Tijuana, der im Auftrag des
Sinaloa-Kartells hunderte von Menschen in Säure aufgelöst hat.
## Armseligkeit und Einfältigkeit der Figuren
Die Zuschreibungen mögen passen. Auch wenn sie wenig über die Armseligkeit
und Einfältigkeit dieser Figuren aussagen, die das Bild des kühl
kalkulierenden Gangsters oft gleich nach der Verhaftung ins Absurde führen,
indem sie vor laufenden Kameras reumütig und naiv über ihre Verbrechen
plaudern.
Doch auch darüber hinaus transportieren die in penetranter Regelmäßigkeit
erscheinenden Meldungen von „schweren Schläge gegen die Mafia“ eine
Vorstellung, die mit der Wirklichkeit herzlich wenig zu tun hat.
## Wie Daimler ohne Zetsche
Warum sollte ein modernes Unternehmen, das sich wie seine legalen Pendants
schlicht der Akkumulation von Kapital verschrieben hat, untergehen, nur
weil gelegentlich das Führungspersonal wechseln muss? Oder käme jemand auf
den Gedanken, die Daimler-Benz-AG bräche zusammen, wenn Dieter Zetsche
abdanken würde?
Nein, die mexikanischen Kartelle schmuggeln, morden, entführen und foltern
trotz vermeintlicher Fahndungserfolge munter weiter. Ebenso wie etwa ihre
Kolleginnen und Kollegen von der italienischen Mafia. Hier wie da gleichen
sich die Meldungen: Regelmäßig werden neuen Chefs der `Ndrangheta oder der
Camorra verhaftet. Das Geschäft blüht freilich weiterhin auf beiden Seiten
des Atlantiks, sowie auch der islamistische Terror fortbesteht, obwohl
Osama Bin Laden längst bei seinen Jungfrauen angekommen und Al-Qaidas
Ex-Vize Scheich Saeed al-Schehri ihm unfreiwillig gefolgt ist.
Die notwendigen Schritte im Kampf gegen die Mafia sehen weltweit ganz
anders aus und lassen sich schwerlich in griffige Meldungen pressen. Die
Zerstörung sozialer und ökonomischer Grundlagen in den ländlichen Regionen
müsste gestoppt, korrupte Politiker, Unternehmer und Polizisten müssten
angegangen und kriminalisierte Drogen legalisiert werden – um nur einige
Aspekte zu erwähnen.
## Immer dieselbe Inszenierung
Erfolgsmeldungen haben aber eine völlig andere Funktion als tatsächliche
Erfolge: Wo das soziale Gefüge zunehmend erodiert, wiegen sie die
Bürgerinnen und Bürger in der Gewissheit, dass die Regierung alles dafür
tut, um für Sicherheit zu sorgen. Die ständig reproduzierte Inszenierung
schafft zumindest eine Wahrnehmung, die dem Bedürfnis der Bevölkerung
entspricht.
Und so hatte es Mexikos Staatschef Enrique Peña Nieto im vergangenen Jahr
im Wahlkampf ja auch versprochen. Er werde für friedlichere Verhältnisse
sorgen und die Zahl der Gewalttaten verringern, ließ er damals wissen. Das
hatte freilich jeder der Kandidaten vertreten – und die entsprechenden
Erfolgsmeldungen wären uns bei keinem erspart geblieben. Ganz unabhängig
davon, ob die Welt besser geworden ist, seit die Hässliche, der Kahlköpfige
und der Affe im Knast sitzen.
2 Sep 2013
## AUTOREN
Wolf-Dieter Vogel
## TAGS
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Drogenpolitik
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