# taz.de -- Fernsehserie über die Camorra: „Unterhaltung kann ein Vehikel se… | |
> Roberto Savianos Mafia-Buch „Gomorrha“ ist ein Welterfolg. Der Autor über | |
> die dazugehörige TV-Serie und seine Hoffnung auf Freiheit. | |
Bild: „In Neapel als Autor zu leben und kein Wort über die Camorra zu schrei… | |
taz: Herr Saviano, an Ihrer Romanvorlage „Gomorrha“ orientiert sich auch | |
die Fernsehserie, die jetzt auf der Mipcom – der größten TV-Programm-Messe | |
der Welt – vorgestellt wurde. Was ist der Unterschied zwischen Buch und | |
TV-Serie? | |
Roberto Saviano: Die Geschichten sind sehr unterschiedlich. Das Buch ist im | |
Grunde eine dokumentarische Novelle, in der seriös recherchierte Fakten | |
präsentiert werden. Die Fernsehserie erzählt und enthüllt die Dynamiken, | |
die diesen Tatsachen zugrunde liegen. Die Reihe ist also keine | |
Dokumentation, sondern eine erfundene Erzählung, aber immer noch basierend | |
auf einer profunden und kohärenten Recherche, die sich auf eine bestimmte | |
Region bezieht. | |
Auf der Fernsehmesse wird „Gomorrha“ als Entertainment vermarktet und | |
angeboten. Sehen Sie das nicht als Gegensatz? | |
Würde man diesem Axiom folgen, bedeutete dies, dass alles, was unterhält, | |
oberflächlich ist. Unter diesem Blickwinkel wären etwa politische | |
Argumente, die von Intensität und Dichte getragen sind, nicht erlaubt, weil | |
sie popularisierend sein könnten. Unterhaltung kann ein Vehikel sein, um | |
anspruchsvolle und in die Tiefe gehende Inhalte zu transportieren. Es kommt | |
darauf an, die Gefühle und den Verstand der Menschen zu erreichen. Dabei | |
spielt die Qualität des Produkts, über das die Vermittlung stattfindet, | |
eine große Rolle, also in diesem Fall die Serie, die hoffentlich beim | |
Publikum etwas auslöst. Ob sie dabei Mafiosi verherrlicht oder dämonisiert, | |
ist dann nebensächlich. | |
Wie kamen Sie dazu, die Camorra zu thematisieren? | |
Ich habe mich mit etwas beschäftigt, das mich als Realität überall umgab. | |
In Neapel als Autor zu leben und kein Wort über die Camorra zu schreiben, | |
hätte bedeutet, stumm zu bleiben, ein Lügner zu sein, sich der notwendigen | |
Auseinandersetzung mit einem Problem zu entziehen. Es hätte bedeutet, den | |
Blick abzuwenden, um nicht zu sehen, was geschieht. | |
War Ihnen schon zu Anfang klar, dass sich Ihr Leben und das Ihrer Familie | |
durch die Auseinandersetzung mit der organisierten Kriminalität radikal | |
ändern würden? Seit der Veröffentlichung 2006 leben Sie versteckt unter | |
Polizeischutz. | |
Nein, das habe ich nicht vorhergesehen. Aber ich habe schon oft gesagt, | |
dass nicht das, was ich schrieb, die Mafiosi in Angst versetzte, sondern | |
dass so viele Menschen mein Buch gelesen haben, bewegt waren, sich darüber | |
austauschten. | |
Haben Sie denn etwas mit Ihrer Arbeit erreichen können? | |
„Gomorrha“ hat mehr Aufmerksamkeit auf die organisierte Kriminalität | |
gelenkt und auch denen geholfen, die in diesem Bereich ermitteln. Es hat | |
vermutlich auch mehr Verständnis für das Verhalten der Justiz und deren | |
Repräsentanten vermittelt. Es wurde ebenso einfacher zu kommunizieren, | |
warum die Arbeit derer, die sich mit so wenigen Mitteln dem Kampf gegen das | |
Verbrechen gewidmet haben, zu Ende gebracht werden muss. | |
Ihnen ist es schließlich zu verdanken, dass die kriminelle Unterwelt sich | |
jetzt in einem Dilemma wiederfindet. Was sich nun schnellstens ändern muss, | |
ist die Art und Weise, wie Politiker mit dem Phänomen der Mafia umgehen. | |
Dieser Umgang besteht immer noch in einer stillschweigenden Duldung, die | |
bis hin zur Komplizenschaft gehen kann. Was sich ebenfalls wandeln sollte, | |
ist die Angewohnheit, die, die die Wahrheit berichten, als die eigentlichen | |
Schuldigen zu diffamieren – schuldig, weil sie den Schleier gelüftet haben, | |
weil sie angeblich eine Region oder sogar ein ganzes Land verleumdet hätten | |
… | |
Glauben Sie, dass Sie und Ihre Familie eines Tages wieder frei werden leben | |
können? | |
Das hoffe ich von ganzem Herzen … | |
13 Oct 2013 | |
## AUTOREN | |
Wilfried Urbe | |
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