| # taz.de -- Neue Politik-TV-Serie „Scandal“: Die Problemlöserin des Präsi… | |
| > Die Fernsehserie „Scandal“ entlarvt und zerpflückt Washingtons Machtelite | |
| > – und ist deutlich unkonventioneller als „House of Cards“. | |
| Bild: Bereinigen Dinge diskret: Olivia Pope | |
| OLIVIA POPE! Lesen Sie diesen Namen laut. Spucken Sie ihn angewidert aus, | |
| als hätten Sie beim Biss ins Brot ein vergammeltes Stück erwischt. So in | |
| etwa reagieren gewisse Kreise in der Politkapitale Washington, wenn sie mit | |
| der Krisenmanagerin Olivia Pope (Kerry Washington) zu tun bekommen. Es sei | |
| denn, sie stecken selbst in der Bredouille. Dann hocken sie in Popes Büro | |
| und bitten kleinlaut um Hilfe. | |
| Pope und ihre Mitarbeiter bereinigen Dinge diskret und tunlichst im | |
| Stillen. Ob einem Politiker wegen einer Affäre ein Imageschaden droht, ob | |
| jemand morgens neben einer blutig zugerichteten Leiche aufwacht, eine | |
| Entführung gemanagt werden muss – Pope und Kollegen finden einen Weg. Und | |
| weil Liv Pope dem aktuellen US-Präsidenten (Tony Goldwyn) als Beraterin in | |
| mehr als nur einer Hinsicht zu seinem Amt verholfen hat, reichen ihre | |
| Beziehungen bis ins Weiße Haus. | |
| Die TV-Serie „Scandal“ entlarvt und zerpflückt Washingtons Machtelite, wie | |
| man es nicht mehr gesehen hat, seit sich in „24“ ein nach dem Bilde Richard | |
| Nixons geformter Präsident mit Terroristen gegen das eigene Land verbündete | |
| – auf Weisung höherer Kreise, die damit wirtschaftliche Ziele verfolgten. | |
| „Scandal“ nimmt von vornherein als Status quo, dass im öffentlichen Bereich | |
| der US-Politik systematisch Schaustellerei betrieben wird. | |
| Der Präsident und seine Gattin mögen einander entfremdet sein, des | |
| Präsidenten engster Berater mag in gleichgeschlechtlicher Ehe leben – um | |
| der konservativen, stur-christlichen Wählerschaft willen werden | |
| Scheinwelten geschaffen, die Beteiligten wie Randfiguren größte Opfer | |
| abverlangen. Keine pure Fiktion: Vorbild der Hauptfigur ist Judy Smith, die | |
| unter George Bush sen. in der Machtzentrale tätig war und im „Scandal“-Team | |
| als Beraterin fungiert. | |
| ## In Washingtons Keller und Verliese | |
| Serienschöpferin Shonda Rhimes, von der man nach romantischen Ärzte-Soaps | |
| wie „Grey’s Anatomy“ und „Private Practice“ kaum dergleichen erwartet | |
| hätte, blickt nicht nur hinter Washingtons Kulissen, sondern auch in seine | |
| Keller und Verliese. Niemand hier ist ohne Schuld. Lügen gehören zum | |
| Geschäft, aber auch Misshandlungen und Mord. Der Autorenstab macht es sich | |
| mit diesen Themen keineswegs einfach. | |
| Mit Huck Finn, anrührend gespielt von Guillermo Díaz, gehört ein ehemaliger | |
| Agent und ausgebildeter Folterknecht zu Popes Team. Aber Huck ist kein | |
| kaltschnäuziger Täter, sondern eine tragische Gestalt. Tausende Zuschauer | |
| forderten via Twitter „Freehuck“, als der zutiefst verstörte Mann als | |
| mutmaßlicher Attentäter hinter Gittern wanderte. | |
| „Scandal“ kreuzt politische Konflikte in der Art von „The West Wing“ und | |
| „Welcome Mrs President“ mit der Thrillerdramaturgie von „24“ und „Pri… | |
| Break“, wobei sich die Autoren oft als erstaunlich hellsichtig erweisen. | |
| Besonders verblüffend: Die Folge um einen niederen Mitarbeiter des | |
| Geheimdienstes NSA, der öffentlich machen möchte, dass sein Arbeitgeber mit | |
| einer speziellen Software ganz Amerika abhört, wurde gesendet, noch ehe der | |
| Name Edward Snowden die Runde machte. | |
| ## Viel provokanter als „House of Cards“ | |
| Ein Vergleich mit der Politsatire „House of Cards“ liegt nahe. Doch „House | |
| of Cards“ geriet angesichts der Kinoarbeiten des beteiligten David Fincher | |
| erstaunlich konventionell. „Scandal“ hingegen ist aufreizend provokant, | |
| spannend und verfügt über ein markantes visuelles Konzept aus Spiegelungen, | |
| optischen Brechungen, Verfremdungen, die die Befindlichkeit der | |
| Protagonisten illustrieren. | |
| Entworfen wurde diese Ästhetik vom britischen Regisseur Paul McGuigan | |
| („Sherlock“) und Kameramann Oliver Bokelberg. Der gebürtige Hamburger | |
| Bokelberg wurde in New York ausgebildet und arbeitet in Deutschland und den | |
| USA für Film und Fernsehen. | |
| Der 48-Jährige berichtet über die Entstehung des besonderen Looks: | |
| „Washington D. C. sollte klassisch und mit Stil dargestellt werden, | |
| andererseits war es uns wichtig, die Skandale hinter den verschlossenen | |
| Türen Washingtons glaubhaft zu machen. Momente werden wie aus dem | |
| Augenwinkel eingefangen. Oft schauen wir durch eine Tür oder ein Fenster, | |
| als ob wir eine Szene aus dem wahren Leben zufällig einfangen. Um dieses | |
| visuell zu unterstützen, entwickelte Paul die Idee, die Kamera an | |
| unterschiedlich geschliffenen Glasscheiben vorbeifahren zu lassen. Damit | |
| diese nicht ganz unmotiviert, vielleicht sogar organisch wirken, haben wir | |
| die Architektur in unserem Bühnenbild mit Glastüren ausgestattet.“ | |
| Wie bei US-Serien üblich, wechseln die Regisseure. Die einheitliche | |
| Bildgestaltung gewährleistet der Kameramann, Director of Photography | |
| genannt. Bokelberg hat zudem bislang drei Episoden selbst inszeniert. Zur | |
| Regisseursriege zählt auch Mark Tinker, der als Produzent und Regisseur | |
| unter anderem mit „Deadwood“ bereits Programmgeschichte geschrieben hat. | |
| 14 Oct 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Harald Keller | |
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