| # taz.de -- TV-Duell der kleinen Parteien: Eine Stunde Testosteron | |
| > Lebhaft, kontrovers und viel zu kurz. Das TV-Duell der kleinen Parteien | |
| > zeigte, wie derartige Politshows auch funktionieren können. | |
| Bild: Männer unter sich: Wählen Frauen etwa nur große Parteien? | |
| BERLIN taz | „Uff“, sagt ARD-Talker Frank Plasberg direkt nach dem Ende des | |
| TV-Dreikampfs. Mit diesen drei Buchstaben fasst er die 60 Minuten zuvor | |
| treffend zusammen. Nicht wegen erschöpfender Langweile. Sondern weil der | |
| TV-Dreikampf der kleinen Parteien mit Jürgen Trittin (Grüne), Gregor Gysi | |
| (Linke) und Rainer Brüderle (FDP) – im Gegensatz zum Kanzlerduell Merkel | |
| gegen Steinbrück am Vorabend – emotional, aggressiv und kontrovers war. | |
| Das Studio in Betonpfeileroptik versprühte die kühle Atmosphäre eines | |
| verlassenen Parkhauses. Doch die drei Spitzenkandidaten erfüllten es durch | |
| ihre lebhafte Diskussion mit Leben. Gleich in den ersten zehn Minuten | |
| interagieren sie häufiger miteinander, als es Steinbrück und Merkel tags | |
| zuvor in anderthalb Stunden getan hatten. | |
| Sie streiten heftig um den gesetzlichen Mindestlohn. Für Gysi und Trittin | |
| notwendig, um den Niedriglohnsektor einzudämmen, für Brüderle dagegen ein | |
| „Jobkiller“. Brüderle hat es schwer an diesem Abend. Er kämpft gegen | |
| Trittin und Gysi, die häufig eine Allianz bilden. Die Zahlen- und | |
| Studienschlacht geht munter weiter beim Thema Rente und Eurorettung. | |
| Als Trittin die grünen Steuerpläne verteidigt („90 Prozent der Bürger | |
| werden entlastet“) reagiert Brüderle schroff („Ich will diese Märchenstun… | |
| beenden. Ihre Pläne belasten die Mittelschicht“). Trittin bezichtigt ihn | |
| der „Lüge“ und wiederholt den Vorwurf auf Nachfrage der Moderatoren. | |
| ## Eine Kugel Speiseeis | |
| Moderator Jörg Schönenborn leitet gewitzt – es wird das einzige Mal an | |
| diesem Abend sein – zum Thema Energiewende über. „Lassen Sie uns über | |
| Speiseeis reden“, sagt er und spielt auf Trittins Versprechen an, die | |
| Energiewende koste jeden Bürger jährlich nur eine Kugel Eis. Trittin | |
| verteidigt sich, wirkt dabei aber wenig souverän. | |
| Er gibt Schwarz-Gelb die Schuld, weil die Unternehmen ent- und Bürger | |
| belastet haben. Gysi dagegen wirbt für Vorschläge der Linkspartei | |
| (Sockeltarif, dezentrale Energieversorgung, Abwrackprämie für | |
| Haushaltsgeräte). Und Brüderle meckert über Solarföderung. | |
| Manchmal läuft die Diskussion aus dem Ruder, Gysi flüstert wütend vor sich | |
| hin, als Brüderle referiert. Trittin lächelt die Äußerungen des FDP-Mannes | |
| weg und Brüderle singt sein Lied von „mehr Markt, weniger Staat.“ | |
| ## Brüderle gegen alle | |
| Die Moderatoren versagen in der hitzigen Debatte meist. Besonders Sigmund | |
| Gottlieb (Bayerischer Rundfunk) glänzt durch Suggestivfragen („Die Grünen | |
| wollen die Steuern ja massiv erhöhen“, „Ist das nicht Planwirtschaft, Herr | |
| Gysi?“) und spielt den vierten Kontrahenten einer kleinen bayerischen | |
| Ausländermaut-Partei statt den neutralen Journalisten. | |
| Aber auch Jörg Schönenborn (WDR) schafft es kaum, die sich gegenseitig | |
| munter angreifenden, wild durcheinander redenden Politiker in Zaum zu | |
| halten. Gysi, Trittin und Brüderle bestimmen, welche Themen sie diskutieren | |
| wollen. | |
| Trittin wirkte insgesamt schwächer als erwartet. Besonders bei seinem | |
| Thema, der Energiewende, hat er nur wenig beizutragen. Das süffisante | |
| Lächeln bei Brüderles Einlasssung war seine schärfste Waffe an diesem | |
| Abend, ansonsten ließ er Brüderle und Gysi ihre Fehden häufig allein | |
| austragen. Gysi dagegen war angriffslustig. Und Brüderle hatte einen | |
| schweren Stand, schlug sich dafür in seiner Verteidigungshaltung ganz gut. | |
| ## Sieg für kleine Parteien | |
| Vor lauter Zahlengewirr vergaß er es beinahe seine beliebte rot-rot-grüne | |
| Schreckpistole zu ziehen. Erst, als es in den letzten zwei Minuten um | |
| Koalitionsspielchen geht, entwirft er lieblos sein Horrorszenario und | |
| begründet seine Ablehnung einer Ampelkoalition („Ich esse wann ich will, | |
| und was ich will“). Zwischen Trittin und Gysi herrschte dagegen bis zum | |
| Ende große Einigkeit. Nur Gysi betont, dass es mit der SPD schwer werden | |
| könne (Krieg, Rüstung, Eurorettung, Hartz IV ...). | |
| Die reine Männerunde versprüht eine Stunde lang Testosteron. Dass die ARD | |
| es nicht geschafft hat, wenigstens eine Frau als Moderatorin aufzufahren, | |
| und dass die Grünen nicht Katrin Göring-Eckard in Rennen schickten, trübte | |
| den ansonsten gelungenen Politikshowabend. Auch wenn die wichtigen Themen | |
| Syrien und NSA-Überwachung nicht vorkamen. | |
| Man hätte sich den Dreikampf noch wenigstens 30 Minuten länger ansehen | |
| können, ohne sich – mit Ausnahme freilich von | |
| politikertalkshowdauergenervten Menschen – langweilen zu müssen. Auch wenn | |
| die Kontrahenten kaum mit neuen Ideen aufwarten konnten, waren sie | |
| streitbarer und interessanter als Merkel und Steinbrück. Der TV-Duell-Punkt | |
| geht an die kleinen Parteien. | |
| 3 Sep 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Paul Wrusch | |
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