| # taz.de -- Kundus-Gesprächsrunde bei „Anne Will“: Lektion noch nicht gele… | |
| > Und nicht an die Opfer denken: Wie bei Anne Will die Chance vergeben | |
| > wurde, den Luftangriff in Afghanistan von 2009 aufzuarbeiten. | |
| Bild: Matthias Brandt als Oberst Georg Klein in „Eine mörderische Entscheidu… | |
| BERLIN taz | Wie verführerisch diese Doku-Fiction-Filme sind. Hat doch | |
| jeder Mensch Mühe genug, Vorstellung und Wirklichkeit halbwegs zu trennen. | |
| Da legt dann der Film über den Luftangriff von Kundus das Bild des | |
| Schauspielers Matthias Brandt über das Bild des Oberst Georg Klein. Ob die | |
| verbrannten Opfer im Krankenhaus am Tag nach dem Bombardement echt sind | |
| oder nicht, ist kaum noch zu erkennen. | |
| Und die ARD-Gesprächsrunde von Anne Will im Anschluss bespricht beinahe | |
| schon mehr den Film als das, was über die Nacht vom 3. auf den 4. September | |
| 2009 in Nordafghanistan bekannt ist. | |
| Dabei ist jede Aufarbeitung der Geschichte von Oberst Kleins Befehl, die | |
| Bomben auf die beiden Tanklaster zu werfen und damit über 90, vielleicht | |
| auch 140 Menschen zu töten, aller Ehren wert. Die furchtbare | |
| Fehlentscheidung des Oberst Klein war die Kehrtwende in der deutschen | |
| Afghanistanpolitik, sie kostete später im Jahr nicht nur einen Minister das | |
| Amt. | |
| Der Film „Eine mörderische Entscheidung“ von Raymond Ley erzählt – zu R… | |
| – auch die Vorgeschichte des Luftangriffs. 2009 wurde die Bundeswehr in | |
| Afghanistan vom regionalen Gouverneur, aber auch aus Berlin zunehmend unter | |
| Druck gesetzt, endlich einmal militärische Erfolge gegen die Aufständischen | |
| vorzuweisen. | |
| Aufgabe von Wills Talkrunde hätte sein können, sich der Nachgeschichte zu | |
| widmen. Nach "Kundus" nahmen die US-Amerikaner den Deutschen gnädig alle | |
| Drecksarbeit in Nordafghanistan ab. Der Abzug der deutschen Truppen | |
| produziert nun hauptsächlich Medienbilder von der wunderbar | |
| funktionierenden Logistik: Wie hübsch sauber alles verpackt wird. Wie immer | |
| fragt kaum jemand nach den Afghaninnen und Afghanen selbst. | |
| ## Es ist Wahlkampf | |
| Der einzige, der in Wills beklommener Runde für die Opfer des Luftangriffs | |
| selbst plädiert, für die Rechte der Angehörigen nicht zuletzt auf eine | |
| Entschuldigung durch die deutsche Regierung, ist der Publizist Jürgen | |
| Todenhöfer. Dieser hat sich als Ein-Mann-Mission auf den Fußmatten von | |
| Diktatoren aller Art schon weitgehend selbst ins politische Aus geschossen. | |
| Am Mittwochabend schwächt er seine Position zusätzlich, indem er zuviel von | |
| sich selbst redet. | |
| Nach den „lessons learned“, der Lektion aus Kundus fragt immerhin die | |
| Focus-Redakteurin Journalistin Ulrike Demmer. Sie war am 5. September 2009 | |
| als erste deutsche Journalistin - damals für den Spiegel – vor Ort. Doch | |
| darauf mögen weder der Grünen-Verteidigungspolitiker Omid Nouripour, noch | |
| sein CDU-Kollege Roderich Kiesewetter Antwort geben. Es ist Wahlkampf, und | |
| da schwenken die Abgeordneten gern auf das Thema Syrien ein: Denn dort geht | |
| man jedenfalls ganz sicher nicht hinein. | |
| Doch ist Zurückhaltung in Syrien ganz sicher keine Lektion aus Afghanistan. | |
| In Syrien werden die USA absurderweise wenn, dann auf der Seite Al Qaidas | |
| intervenieren. Es hat der deutsche Staat auch nicht genug Lernfähigkeit | |
| bewiesen, indem Ermittlungsverfahren gegen Klein eher zum Schein eröffnet | |
| und auch prompt eingestellt wurden. Wie billig vom CDU-Mann Kiesewetter, | |
| mit dieser legalistischen Begründung Kleins Beförderung zum General im März | |
| dieses Jahres zu rechtfertigen. | |
| ## Inkaufnahme ziviler Opfer | |
| So prokelt dann ein Hauptmann der Reserve, Marc Lindemann, der seine Zeit | |
| in Afghanistan in mehreren etwas anekdotenlastig-unsachlichen Büchern | |
| aufgearbeitet hat, einsam in der offenen Wunde herum, die der Luftangriff | |
| von Kundus im außenpolitischen Gefüge der Republik hinterlassen hat. Bis | |
| die Aufständischen rings um Kundus die Bundeswehr angriffen, erzählt er, | |
| war die Lage dort „geradezu idyllisch“. | |
| Nur sei die Bundeswehr eben „irgendwie für nichts zuständig“ gewesen. Als | |
| dann jedoch der Krieg ab etwa 2008 den als „Bad Kundus“ liebevoll | |
| verspotteten Stützpunkt eroberte, wollte die Bundeswehr auch einmal | |
| zuschlagen – so wie die Amerikaner, unter Risiken, auch Inkaufnahme von | |
| zivilen Opfern. | |
| Wenn Oberst Kleins Entscheidung nicht nur fehlerbehaftet, sondern falsch | |
| war, fragte Lindemann: „Was machen wir dann beim nächsten Einsatz?“ | |
| Einen Bundeswehreinsatz ohne Stress, Fehlentscheidungen und | |
| Kollateralschäden, will er damit sagen, wird es nicht geben. Dann besser | |
| keinen Bundeswehreinsatz. | |
| 5 Sep 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Ulrike Winkelmann | |
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