# taz.de -- Kommentar NS-Prozesse: Mörder – auch mit 90 | |
> Die mutmaßlichen KZ-Wachmänner, die erst jetzt vor Gericht sollen, haben | |
> nicht einfach Glück gehabt. In der BRD wurde zu lange weggeschaut. | |
Bild: Was hier geschah, verjährt nie: Das Gelände von Auschwitz heute | |
Ein Menschenalter nach dem Ende des Nazi-Regimes wollen die Ermittlungen | |
gegen die Täter nicht enden. Diesmal sind es fast 40 Wachmänner des | |
Vernichtungslagers Auschwitz, die in die Fänge der Justiz geraten sind. | |
Aber ist es noch richtig, dass diesen Greisen im Alter von weit über 90 | |
Jahren eine Haftstrafe droht? Mord verjährt nicht. Dieses Rechtsprinzip hat | |
die Bundesrepublik erst nach langen Auseinandersetzungen gerade über die | |
Straftaten der NS-Täter eingeführt. Aus gutem Grund: Warum sollten die | |
Täter einer Bestrafung entkommen, nur weil sie sehr alt geworden sind? | |
Bei einem Strafprozess geht es nicht um Rache, sondern um Sühne für | |
begangene Verbrechen. Warum sollte diese Sühne ausfallen, nur weil es den | |
Tätern gelungen ist, sich über Jahrzehnte verborgen zu halten? Etwa als | |
Belohnung? Und behaupte niemand, man würde da Schwerstkranke oder Demente | |
anklagen wollen. Selbstverständlich gilt, dass wer nicht mehr | |
verhandlungsfähig ist, auch nicht mehr vor Gericht gestellt werden kann. | |
Die mutmaßlichen Auschwitz-Wachmänner haben in ihrem Leben viel Glück | |
gehabt, sie haben ein besonders hohes Lebensalter erreicht. Jetzt holt sie | |
das Pech ein: Im Gegensatz zur großen Zahl ihrer Mittäter, die niemals vor | |
Gericht gestellt worden und längst verstorben sind, sollen sie sich für | |
ihre Tataten verantworten. | |
Die neuen Ermittlungen können nicht verdecken, dass die juristische | |
Aufarbeitung der Nazi-Verbrechen in der Bundesrepublik über Jahrzehnte eine | |
Geschichte von von Wegschauen und Versagen war. Bestenfalls die | |
Schreibtischtäter wurden verfolgt, und auch diese mit einer Langmut, die | |
sich nur dadurch erklären lässt, dass kein einziger NS-Richter jemals für | |
seine Unrechtstaten büßen musste. | |
Die „kleinen Täter“, die eigentlichen Mörder, aber ließ man häufig bis … | |
21. Jahrhundert generell unbehelligt, solange man ihnen keinen ganz | |
konkreten Mordvorwurf machen konnte. Dass diese Männer jetzt von der | |
[1][Staatsanwaltschaft] verfolgt werden, ist ein zivilisatorischer | |
Fortschritt. Er kommt zu spät. Aber besser als nie. | |
4 Sep 2013 | |
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## AUTOREN | |
Klaus Hillenbrand | |
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