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# taz.de -- Österreich vor den Wahlen: Rot-grüne Gedankenspiele
> Die österreichischen Grünen können auf Zuwächse hoffen. Doch ein
> SPD-Debakel in Deutschland könnte die Wunschkonstellation verhindern.
Bild: Bange Blicke nach Deutschland: Schwächt die SPD die österreichische Sch…
WIEN taz | „Österreich ist abgesandelt“, sagt der
ÖVP-Wirtschaftskammerpräsident. „Die ÖVP wirft mit Schlamm um sich“, kom…
die Retourkutsche der Sozialdemokraten. Das Publikum ist das gewohnt: Es
ist Wahlkampf und Sozialdemokraten sowie die konservative Volkspartei
verbeißen sich ins übliche Gezänk.
Was die heimischen Beobachter gewohnt sind, kann für distanzierte Zuschauer
durchaus überraschend sein. Schließlich regieren die beiden Parteien, die
so herzhaft aufeinander einprügeln, seit 2006 in einer Koalition, die man
immer noch usancenmäßig „Große Koalition“ nennt, obwohl beide Parteien
schon längst unter der 30-Prozent-Marke liegen.
Es ist gut möglich – eigentlich immer noch die wahrscheinlichste Variante
–, dass diese verpartnerten Gegner auch nach den Nationalratswahlen am 29.
September gemeinsam regieren werden. Beim ersten „Kanzlerduell“ im
Privat-TV diese Woche gaben sich Premier Werner Faymann und sein
rivalisierender Vize Michael Spindelegger („Du, Werner, da bin ich anderer
Meinung“) eher kuschelig, manche Sequenzen wirkten wie vorgezogene
Koalitionsverhandlungen.
Freilich, wirklich sicher ist nichts im Vorfeld dieser Wahlen, denn das
politische System ist gehörig in Bewegung geraten, sodass Vorhersagen noch
schwieriger sind als normalerweise.
## Österreichische Schattengewächse
Das normale Setting in Österreich war die längste Zeit folgendes:
Sozialdemokraten und Volkspartei sind lahme Regierungsparteien, die von der
rechtspopulistischen Opposition FPÖ gejagt werden. Darüber hinaus gibt es
noch die Grünen, die nicht so richtig ins Spiel kommen. Dazu gibt es als
Schattengewächs noch das gemäßigt-rechtspopulistische (oder rechtsliberale)
BZÖ, die Abspaltung der FPÖ aus der Zeit ihres Regierungsintermezzos
zwischen 2000 und 2006.
Doch diesmal ist alles eine Prise anders. Vor allem das Antreten des
Milliardärs Frank Stronach mit seiner Anti-Politik-Partei „Team Stronach“,
einer Mischung aus Berlusconi und Beppe Grillo, macht die Dinge
unberechenbar. Wie kann er reüssieren? Wem wird er die meisten Stimmen
abknöpfen? Und was werden die diversen Kleinparteien schaffen, die diesmal
auch antreten?
Das wahrscheinlichste Szenario ist, dass Stronach auf knapp unter 10
Prozent kommt und vor allem aus dem Milieu der Politikverdrossenen schöpft
– womit er insbesondere der rechtspopulistischen FPÖ Wasser abgräbt.
Ziemlich fix ist, dass die ÖVP merkbar verliert, die SPÖ könnte ihre 29
Prozent der letzten Wahl halten.
## Grüne können auf Zuwächse hoffen
Auf saftige Zuwächse können die Grünen hoffen, die bei allen Regionalwahlen
2013 sensationell zugelegt haben, mittlerweile in fünf Landesregierungen
vertreten sind und in Städten wie Salzburg, Innsbruck und Klagenfurt
stärkste Partei sind. Ihnen ist ein Zuwachs von 10 auf 16 Prozent durchaus
zuzutrauen.
In den Parteizentralen beginnt, angesichts der Vielzahl möglicher
Wahlausgänge, bereits das große Rechnen. Selbst Rot-Grün ist nicht mehr
völlig ausgeschlossen. Wenn die SPÖ doch noch die 30-Prozent-Marke knackt
und die Grünen auf 16 Prozent kämen, könnte eine rot-grüne Mandatsmehrheit
zustande kommen, sofern mehrere Kleinparteien wie BZÖ, NEOs und andere
knapp an der Vierprozenthürde scheitern. Wahrscheinlich ist das nicht, aber
völlig undenkbar auch nicht mehr.
An sich wäre die Ausgangsposition für Rot-Grün rosiger denn je: Die
Volkspartei findet kaum in den Wahlkampf. Auch die rechtspopulistische FPÖ,
die mit ihren aggressiven Kampagnen viele Wahlkämpfe prägte, wirkt merklich
angeschlagen.
Die Sozialdemokraten können für sich verbuchen, das Land vergleichsweise
gut durch die Wirtschaftskrise gebracht zu haben. Das Problem der SPÖ ist
aber, dass sie von ihrem Vorsitzenden Werner Faymann betont uninspiriert
geführt wird. Er hat das Image des intellektuellen Flachwurzlers, der
schmierig mit dem Boulevard kungelt. Darüber hinaus wirkt er einfach nur
nett. Er ist in seinen fünf Regierungsjahren zwar an der Aufgabe gewachsen,
nur merkt das bisher kaum jemand. Das ist zu wenig, um über den Kreis der
traditionellen SPÖ-Kernklientel hinaus zu strahlen.
## Alles ist im Umbruch
Der Rest des Führungspersonals hat auch nicht mehr Glanz. Ein paar
interessante Figuren, die etwa auch ins liberale Bürgertum oder ins hippe
Bobo-Milieu ausstrahlen könnten, ein paar knochige, unkonventionelle Typen,
die Verdrossene aus dem Nichtwähler-Bereich gewinnen könnten, und die SPÖ
hätte diesmal locker die zwei, drei Prozent mehr, die möglicherweise auf
eine Rot-Grüne Mandatsmehrheit fehlen. Aber an diesem „Bisschen“ fehlt es
eben.
Für die Grünen sind die 16 Prozent, die in Reichweite sind, im Augenblick
ohnehin das Optimum. Anders als in Deutschland können sie kaum auf
Regierungserfahrung in den Ländern verweisen. Sieht man von Oberösterreich
ab (hier sind sie seit 2003 in der Landesregierung), sind sie in den Augen
der Wähler eben Oppositionspartei. Erst 2010 zogen sie in Wien in die
Regierung ein, in Salzburg, Tirol und Kärnten erst 2013.
Kurzum: Alles ist im Umbruch, und doch ist wahrscheinlich, dass alles so
bleibt, wie es ist. Dass SPÖ-Chef Faymann auch nach dem 29. September
wieder Kanzler einer Koalition aus Sozialdemokraten und Christdemokraten
ist. Und weil das ohnehin jeder annimmt, und sich ohnehin niemand wirklich
für die Faymann-SPÖ begeistern kann, kommt bisher auch weder Stimmung noch
Thrill auf.
Übrigens, dass die Wahl eine Woche nach der deutschen Bundestagswahl
stattfindet, ist auch so eine kleine Gemeinheit, die die Volkspartei der
SPÖ antat. Die wollte, dass die Österreicher am gleichen Tag wie die
Deutschen wählen. Aus folgendem Grund: Da man der SPD zutraut, am 22.
September ein historisches Debakel einzufahren, fürchtet man, von der
Schwesterpartei in den Stimmungskeller gezogen zu werden. Kurz vor der Wahl
dicke Schlagzeilen über den „Niedergang der Sozialdemokratie“, die wollte
man sich ersparen.
6 Sep 2013
## AUTOREN
Robert Misik
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