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# taz.de -- Helfer für Taubblinde: Die Hände sind das Tor zur Welt
> Taubblinde demonstrieren in Berlin für mehr staatlich finanzierte
> Begleit- und Übersetzerdienste. Ihre Gespräche laufen über die Berührung
> anderer Menschen.
Bild: Gegen die Isolation: Taubblinden-Demo am 4.Oktober in Berlin.
BERLIN taz | Es ist ein eindrucksvolles Bild, dass viele der Demonstranten
selbst gar nicht sehen können: Rund 500 Taubblinde und Begleiter ziehen am
Freitag durch Berlins Mitte, manche schwarz gekleidet, mit Augenbinden um
den Kopf. Helfer halten ein weißes Band, an dem sich die Demonstranten
entlangtasten. „Taubblinde in Isolationhaft - Schluss damit“ steht auf
einigen T-Shirts.
„Wir brauchen Begleitung, sonst sitzen wir nur zuhause“, sagt Petra Alexa
G.. Außenstehende können die 48jährige Taubblinde nur schwer verstehen,
Assistentin Hille Bruns übersetzt. Mehr staatlich finanzierte „Assistenz“,
also Begleitdienste zu schaffen, das ist eine der Hauptforderungen auf der
Veranstaltung, zu der unter anderem die Bundesarbeitsgemeinschaft der
Taubblinden (BAT) aufgerufen hatte.
Dazu müsste die Taubblindheit als eigene Behinderungsform anerkannt werden.
Bisher haben die Betroffenen in ihrem Schwerbehindertenausweis nur die
Merkzeichen für blind, „bl“ und gehörlos „gl“ stehen.
Mit einem eigenständigen Merkzeichen für taubblind, „tbl“ könnten auch d…
Finanzierungsfragen für die Hilfsdienste eher geklärt werden, sagt Irmgard
Reichstein von der Stiftung taubblind leben. Die Begleit- und
Übersetzerdienste werden bisher entweder privat, oder bei Arztbesuchen von
den Krankenkassen oder, sehr selten, als Eingliederungshilfe von den
Sozialämtern bezahlt.
## Ein Smiley auf dem Oberarm
Bei einem Tagessatz von 40 Euro für privat bezahlte Assistenten bleibt dies
bestenfalls ein nebenberuflicher Job.
Rund 2500 bis 6000 Taubblinde gibt es in Deutschland, viele von ihnen haben
das „Usher-Syndrom“. Dabei ist man bereits als Kind ertaubt oder
schwerhörig und verliert später das Augenlicht. Die Kommunikationsformen
sind entsprechend vielfältig: Diejenigen, die noch etwas sehen können,
verständigen sich in der Gebärdensprache. Wer blind ist, kommuniziert mit
dem „taktilen Gebärden“, wobei der Gesprächspartner die Gebärden seines
Gegenübers mit den Händen erfühlt.
Man kann aber auch „lormen“, dabei sind den Fingergliedern Buchstaben
zugeordnet. In rasender Geschwindigkeit werden so die Wörter in die Hände
getippt. Außerdem gibt es noch die „haptische Kommunikation“, erklärt
Assistentin Carolin Fritzsche. Malt man etwa einen Smiley auf den Oberarm
des Taubblinden, so teilt man ihm mit, die Umstehenden hätten gerade
herzlich gelacht.
Für Petra Alexa G. aus dem nordrhein-westfälischen Bergheim hat das
Sozialamt eine Eingliederungshilfe bewilligt, eine von 14 in ganz
Nordrhein-Westfalen. 20 Stunden in der Woche verfügt sie über eine
Assistentin. „Ich kann jetzt schwimmen gehen, Tandem fahren, Freunde
besuchen“, teilt sie mit. „Mein Leben hat sich komplett verändert“.
4 Oct 2013
## AUTOREN
Barbara Dribbusch
## TAGS
Behinderung
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