# taz.de -- Milizen-Terror in Afghanistan: Bundeswehr leistete Hilfestellung | |
> Raubende und mordende Milizionäre. Mit einigen hat die Bundeswehr in der | |
> Vergangenheit eng kooperiert – wie das ARD-Magazin „Monitor“ nun | |
> aufdeckt. | |
Bild: Nach Abzug der Bundeswehr: Nur Afghanistans Armee hält den Schlüssel in… | |
BERLIN taz | Es war eine feierliche Zeremonie, mit der | |
Verteidigungsminister de Maizière (CDU) und Außenminister Westerwelle (FDP) | |
das Bundeswehr-Feldlager im Kundus den afghanischen Sicherheitskräften | |
übergaben. Die Afghanen sollen nun selbst für ihre Sicherheit sorgen. | |
„Übergabe in Verantwortung“ nennt die Bundesregierung diese Zäsur. | |
Doch die afghanische National-Armee (ANA) und die National-Polizei (ANP) | |
sind damit völlig überfordert. Denn die ANA und die ANP sind nicht die | |
einzigen Uniformträger in Kundus. 2010 bewaffnete die Nato-Schutztruppe | |
Isaf Milizen ehemaliger Warlords, um die Taliban aus den ländlichen | |
Gebieten zu vertreiben. | |
Afghanistans Präsident Hamid Karzai hat diese sogenannte afghanische | |
Lokal-Polizei (ALP), darunter ehemalige Taliban-Kämpfer und | |
Kriegsverbrecher, allerdings kaum unter Kontrolle. Einige ihrer Einheiten | |
ziehen durch die Dörfer, rauben, vergewaltigen und morden. Die Unabhängige | |
Afghanische Menschenrechtskommission macht sie hauptverantwortlich für | |
Unruhen und Menschenrechtsverletzungen im Raum Kundus. | |
Die Bundesregierung hatte bislang gegenüber Parlamentariern erklärt, dass | |
sie sich weder „an Aufstellung, Ausrüstung, noch an Ausbildung der ALP“ | |
beteilige. Die ALP sei ein „auf Initiative der USA geschaffenes und durch | |
den afghanischen nationalen Sicherheitsrat gebilligtes bilaterales | |
US-amerikanisch-afghanisches Projekt“, gab sie in einer Antwort auf eine | |
Anfrage der Linkspartei vor. | |
Dem widersprechen jedoch Recherchen des ARD-Magazins „Monitor“ (17. | |
Oktober, 22.15 Uhr). In einem Interview berichtet Oberst Jochen Schneider, | |
der aktuelle Kommandeur im Kundus, von einem „engen Kontakt“ mit der ALP. | |
„Wir haben sie auch ausgestattet. Wir haben ihre Stellungen verbessert“, so | |
Schneider. In Hinblick auf die Konvois, die Kundus gerade verlassen, | |
bezeichnete er die Verbindung zur ALP als „sogar sehr wichtig“. | |
## „Wie toll, die kümmern sich um uns“ | |
Selbst wenn es eine offizielle Weisung des Verteidigungsministeriums | |
untersagt: „Monitor“ zufolge kooperierte die Bundeswehr in Afghanistan auch | |
mit anderen Milizen, sogenannten CIP-Guards. „Sie dürfen da nicht jedem | |
alles nachtragen, was er in seiner Vergangenheit gemacht hat“, erklärte ein | |
ehemaliger Kompaniechef in einem Vortrag an der Universität Hamburg, | |
[1][der auf Youtube abrufbar ist]. | |
Seinen Schilderungen zufolge hat die Bundeswehr die Milizen mit einer | |
„Nahkampfausbildung“ unterstützt. „Da dachten alle, Mensch, wie toll, die | |
Bundeswehr, die kümmern sich um uns“, so der Kompaniechef. Mit Aktionen wie | |
dieser habe die Bundeswehr „wieder ein bisschen auf der menschlichen Ebene“ | |
gearbeitet. | |
„Monitor“ hat auch einen Miliz-Chef, der sich als Kommandeur der | |
afghanischen Lokalpolizei in der Provinz Kunduz ausgab, getroffen und ihn | |
zu seiner Verbindung mit der Bundeswehr befragt. „Die deutschen und | |
amerikanischen Freunde haben uns eineinhalb Jahre monatlich Sold bezahlt“, | |
antwortete Abdul Nabi. | |
Die Opposition im Bundestag reagierte empört. Der Obmann der Fraktion die | |
Linken im Auswärtigen Ausschuss Wolfgang Gehrcke fühlt sich als | |
Parlamentarier übergangen: „Ich habe die Bundesregierung ja nicht als | |
Privatperson gefragt“, sagte er. „Jetzt müssen wir klarstellen, wie weit | |
die Zusammenarbeit mit den Milizen tatsächlich geht und das wird eines | |
unserer wichtigsten außenpolitischen Themen in der neuen Legislaturperiode | |
sein.“ | |
Der Verteidigungs-Experte der Grünen, Omid Nouripour, sprach „Monitor“ | |
gegenüber von "Irrsinn". Es sei zu befürchten, dass nach dem Abzug der | |
Bundeswehr die afghanischen Sicherheitskräfte nicht nur gegen die Taliban | |
vorgehen müssten, sondern auch gegen Milizen, "die wir als Westen mit | |
ausgestattet haben". | |
17 Oct 2013 | |
## LINKS | |
[1] http://www.youtube.com/watch?v=cwGTWcTvPv0 | |
## AUTOREN | |
Julia Maria Amberger | |
## TAGS | |
Kundus | |
Schwerpunkt Afghanistan | |
Taliban | |
Bundeswehr | |
Isaf | |
Warlord | |
Dolmetscher | |
Bundeswehr | |
Afghanische Helfer | |
Bundeswehr | |
Afghanistaneinsatz | |
Kundus | |
Schwerpunkt Afghanistan | |
Schwerpunkt Afghanistan | |
USA | |
Bundeswehr | |
Schwerpunkt Afghanistan | |
Hamid Karsai | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Nach Tod von afghanischer Ortskraft: Regierung zieht keine Konsequenzen | |
Am Wochenende wurde in Afghanistan ein Mann getötet, der für die Bundeswehr | |
arbeitete. Pro Asyl krisiert, dass die Asylverfahren für Ortskräfte zu | |
lange dauern. | |
Prozess gegen Bundeswehr in Kundus: Richter sichten Kriegsvideos | |
Am Landgericht Bonn geht der Prozess wegen der Bomben von Kundus in seine | |
entscheidende Phase. Die Opfer fordern Schadenersatz vom deutschen Staat. | |
Aufnahme von afghanischen Helfern: Gnade vor Asylrecht | |
Die Bundesregierung will mehr afghanische Mitarbeiter der Bundeswehr nach | |
Deutschland holen. Einzelfallprüfungen soll es nicht mehr geben. | |
Truppenabzug aus Afghanistan: Auf Nummer sicher gehen | |
Wann der letzte Konvoi das Bundeswehrlager in Kundus verlassen würde, | |
durften nur Eingeweihte wissen. Denn die Furcht vor Anschlägen ist groß. | |
Truppenchef über Abzug aus Afghanistan: „Es hat sich gelohnt“ | |
Der Kommandeur der deutschen Truppen, Generalmajor Jörg Vollmer, über die | |
Lage in Kundus und den Fall, in dem die Bundeswehr zurückkehren könnte. | |
Bundeswehr-Abzug aus Kundus: 54 tote Soldaten in zehn Jahren | |
Das Kapitel Kundus ist für die Bundeswehr abgeschlossen. Die letzten | |
Truppen haben unter starkem militärischem Schutz die nordafghanische | |
Unruheprovinz verlassen. | |
Deutsche Botschaft in Kabul: Geschlossene Gesellschaft | |
Wegen einer Terrorwarnung ist die deutsche Botschaft in Kabul seit Tagen | |
geschlossen. Die Taliban planen möglicherweise einen Anschlag. | |
Gewalt in afghanischer Provinz Logar: Gouverneur in Moschee getötet | |
Arsala Dschamal hielt eine Rede zum Opferfest Eid al-Adha, da detonierte | |
eine Bombe in dem Gotteshaus. Vor dem Fest hatten die Taliban zu vermehrter | |
Gewalt aufgerufen. | |
US-afghanisches Sicherheitsabkommen: Nur das Truppenstatut klemmt noch | |
Die Verhandlungen über ein Abkommen zwischen den USA und Afghanistan kommen | |
langsam voran. Doch die Immunität für US-Soldaten bleibt ein Streitpunkt. | |
Truppenabzug aus Afghanistan: Sie kamen, sahen und gingen heim | |
Die Bundeswehr hat nach zehn Jahren ihren Einsatz in Afghanistan beendet. | |
Ihr Feldlager in Kundus übergab sie an die dortigen Sicherheitskräfte. | |
Friedensprozess in Afghanistan: Pakistan lässt Taliban-Führer frei | |
Pakistan hat einen der führenden afghanischen Taliban freigelassen. | |
Afghanistan hatte mehrmals darum gebeten, um weiter um Frieden zu | |
verhandeln. | |
Wahlvorbereitung in Afghanistan: Nachfolger gesucht | |
Für Hamid Karsai beginnt die letzte Phase seiner Präsidentschaft. Seit | |
Montag können sich Kandidaten für seine Nachfolge bewerben. |