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# taz.de -- Gefährliches Nitrat im Trinkwasser: Mit Schweinen an die Spitze
> Deutschland hat EU-weit fast die höchsten Nitratwerte im Grundwasser.
> Ursache sind vor allem Massentierhaltung und der Maisanbau für Biogas.
Bild: Echt Scheiße: Zu viel Gülle vergiftet das Grundwasser.
BERLIN taz | Das Grundwasser ist in Deutschland stärker mit Nitrat belastet
als in fast allen anderen EU-Ländern: An rund 50 Prozent der Messstationen
überschritt der Nitratgehalt den geltenden Grenzwert von 50 Milligramm pro
Liter – nur der Inselstaat Malta hat noch schlechtere Werte. Das zeigt der
jüngste [1][2013:0683:FIN:DE:HTML:Bericht der EU-Kommission zur Umsetzung
der sogenannten Nitratrichtlinie]. Mit der 1991 verabschiedeten Richtlinie
sollen europäische Gewässer vor Nitratverunreinigungen aus der
Landwirtschaft geschützt werden.
Wenn Nitrate über das Grundwasser ins Trinkwasser gelangen, kann das
gesundheitliche Folgen haben. Bei Säuglingen kann eine zu hohe
Nitrataufnahme zu Blausucht und zum Ersticken führen. Bei Erwachsenen
können Nitrate das Krebsrisiko erhöhen. Zudem ist Nitrat neben Phosphat
hauptverantwortlich für die Überdüngung von Gewässern, die zu exzessivem
Unkraut- und Algenwuchs führt, etwa in Nord- und Ostsee.
Nach Angaben des Bundesumweltministeriums wird der Nitratgehalt allerdings
vor allem an stark belasteten Standorten ermittelt. Das Ministerium geht
davon aus, dass insgesamt rund 90 Prozent des Grundwassers und 95 Prozent
des Trinkwassers in Deutschland den Grenzwert von 50 Milligramm Nitrat pro
Liter einhalten.
Bereits seit Anfang der 80er Jahre untersucht der Verein
VSR-Gewässerschutz, ein Zusammenschluss verschiedener Bürgerinitiativen,
Brunnen im Bundesgebiet auf ihren Nitratgehalt und stellt immer wieder
Überschreitungen fest, wie etwa im Sommer im Raum Bernau. Dort wiesen die
Aktivisten in einem privat genutzten Brunnen einen Nitratgehalt von 181
Milligramm pro Liter Wasser nach.
## Zunahme an jeder zweiten Messstelle
Verursacht werden die hohen Konzentrationen durch Überschüsse an Stickstoff
aus Dünger, Gülle und Gärresten von Biogasanlagen. Was der Boden nicht mehr
aufnehmen kann, gelangt als Nitrat und Phosphat in Flüsse, Seen und
Grundwasser. So registrierte in Regionen mit intensiver
landwirtschaftlicher Bodennutzung knapp jede zweite Messstelle eine Zunahme
der Nitratwerte, heißt es im aktuellen Nitratbericht des Bundesministeriums
für Umwelt und für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV).
Umweltschützer fordern Konsequenzen aus dem Bericht. „Die unheilige Allianz
aus Maisanbau, Biogasanlagen und intensiver Tierhaltung hat das Fass zum
Überlaufen gebracht“, sagt Florian Schöne, Agrarreferent der
Umweltorganisation Nabu. Der agrarpolitische Sprecher der Grünen im
Europaparlament, Martin Häusling, meint: „Es ist erschreckend, wie in
Deutschland die exportorientierte Fleischproduktion die Ressourcen
künftiger Generationen verschmutzt.“ Deutschland müsse „weg von der Idee,
die Welt mit Fleisch ernähren zu wollen“.
Um den Nitratgehalt im Wasser zu verringern, wollte Deutschland bis 2010
den Stickstoffüberschuss auf 80 Kilogramm Stickstoff pro Jahr und Hektar
landwirtschaftlich genutzte Fläche verringern. Im Zeitraum 2009 bis 2011
lag er jedoch noch immer bei 97 Kilogramm. Die Einhaltung sei „noch lange
nicht in Sicht“, heißt es in einer Stellungnahme der Wissenschaftlichen
Beiräte für Agrarpolitik und Düngungsfragen sowie des Sachverständigenrats
für Umweltfragen.
„Wir brauchen dringend einen Paradigmenwechsel“, sagt Nabu-Experte Schöne,
„und eine klare Botschaft, wie wir Nährstoffüberschüsse wirksam begrenzen
können.“ Er fordert, Bauern zu verpflichten, nur so viel Stickstoff auf die
Flächen zu bringen, wie der Boden aufnehmen kann, etwa durch kleinere
Biogasanlagen, weniger Dünger, Gülle oder Gärreste.
Außerdem dürften nicht mehr als zwei Kühe pro Hektar gehalten werden statt
wie bisher bis zu sechs. Schöne fordert zudem, Grünlandumbruch – die
Umnutzung von Weiden und Wiesen zu Ackerland – zu verbieten. Die
Düngeverordnung will er verschärft sehen, Lagerkapazitäten für Gülle und
Abstände zu Gewässern sollten vergrößert werden.
Tatsächlich arbeitet das Bundeslandwirtschaftsministerium nach eigenen
Angaben derzeit an der Düngeverordnung. „Die Novelle soll so schnell wie
möglich beschlossen werden“, sagte Sprecherin Christine Bauer.
24 Oct 2013
## LINKS
[1] http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM
## AUTOREN
Katharina Lübke
## TAGS
Gülle
Trinkwasser
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