# taz.de -- Anwohnertreffen in Berlin-Kreuzberg: Coffeeshop lässt Köpfe rauch… | |
> Vor AnwohnerInnen erklärt in Berlin Kreuzbergs Bürgermeisterin Herrmann | |
> ihre Idee eines legalen Cannabisverkaufs – und erntet Kritik. | |
Bild: Die Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Monika Herrmann… | |
BERLIN taz | Eine Gruppe Schwarzer lehnt lässig an der Rückwand des | |
Jugendclubs „Kreuzer“ im Görlitzer Park. Es ist Dienstagabend und bereits | |
dunkel. Eine Passantin kommt vorbei. „Alles klar?“, fragt einer der Männer | |
und fährt mit seinem Rad im Kreis ganz nah um sie herum. Sie schrickt | |
zusammen, ignoriert ihn dann und läuft schnell weiter. | |
Drinnen im Jugendclub versammeln sich kurz darauf gut 100 Anwohner, um über | |
Situationen wie diese zu sprechen: über die wachsende Zahl von Männern, die | |
jetzt an allen Eingängen stehen und meist Drogen anbieten. Das Thema treibt | |
die Leute um, der Raum ist voll. Wollpulliträger sind ebenso gekommen wie | |
intellektuelle Mittdreißiger mit eckiger Brille und Grauhaarige im | |
beigefarbenem Anorak. Wie das in Kreuzberg so ist, duzen sich alle. Es wird | |
auch gleich aufgeregt abgestimmt, dass Fotografen, die das Publikum | |
ablichten, nicht erwünscht sind. | |
Vorne sitzt die grüne Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann, ihre Partei | |
hat zu der Veranstaltung geladen. Um die Lage im Park zu entspannen, hat | |
Herrmann schon vor einiger Zeit vorgeschlagen, per Ausnahmegenehmigung | |
einen „Coffeeshop“ einzurichten. Um die Tatsache, dass es eine Nachfrage | |
nach Cannabis gebe, komme man nicht herum, sagt sie. „Wenn wir garantieren | |
wollen, dass Cannabis nicht an unter 18-Jährige verkauft wird und die | |
Qualität okay ist, müssen wir das unter Kontrolle bekommen“, erklärt sie | |
ihren Vorschlag. | |
Dann verweist sie auf den CDU-Innensenator. In einer Pressemitteilung hatte | |
Frank Henkel am Dienstag bekannt gegeben, dass es bis Ende September | |
bereits 113 Polizeieinsätze im Park gegeben habe. Henkel lehnt zwar einen | |
Coffeeshop ab, sagt aber selbst: „Nur mit Razzien wird sich die Szene nicht | |
verdrängen lassen. Um den Park langfristig zu stabilisieren, braucht es | |
weitaus mehr als Polizei.“ | |
## Halb Europa im Görlitzer Park | |
Tatsächlich hat sich die Lage durch deren Präsenz nicht spürbar verändert. | |
Aber kann ein Coffeeshop die Lösung sein? Die Vorstellung, dass in ihrer | |
Nachbarschaft Deutschlands einzige legale Verkaufsstelle von Cannabis | |
entstehen könnte, bereitet vielen hier Sorge. Eine blonde Frau formuliert | |
ihr Unbehagen: „Ich finde einen Coffeeshop okay. Aber wenn dann halb Europa | |
hierherkommt, das hält die Gegend nicht aus.“ | |
Der Coffeeshop könne doch im Rathaus in Friedrichshain eingerichtet werden, | |
schlägt ein anderer vor, Hinweisschilder am Görli sollten darauf verweisen. | |
Ein Bärtiger sagt, im Park kauften „eh nur die Touristen“. Der Coffeeshop | |
solle an den Gendarmenmarkt. | |
Monika Herrmann versucht zu beschwichtigen. „Coffeeshop im Görlitzer Park“, | |
das sei doch ein Arbeitstitel. „Das heißt nicht, dass so etwas genau hier | |
oder in der Nähe entsteht.“ Parallel müsse natürlich die Suchtprävention | |
ausgebaut werden. Es habe Anfragen aus Hamburg und Bochum gegeben, dort | |
habe man auch Interesse an dem Projekt. | |
Auch im Kreuzer begrüßen einige Hermanns Idee. „Wenn Coffeeshops die | |
Situation ein bisschen besser machen, dann lasst es uns doch versuchen“, | |
ruft einer laut. Eine Frau mit Tuch im Haar ergreift das Mikro. Sie habe | |
zwei Kinder, die jetzt ins „Cannabisalter“ kämen, erzählt sie. Es würde … | |
sehr beruhigen, wenn die Abgabe kontrolliert liefe und die Gesundheit ihrer | |
Kinder gewährleistet wäre. „Wir bauen das am besten direkt hier im Görli an | |
und machen ein Siegel drauf, ’Fairtrade‘ oder so.“ | |
Andere sind skeptischer. „Was soll denn mit den jetzigen Verkäufern | |
passieren?“, fragt einer. Würden die dann nicht versuchen, den Preis zu | |
unterbieten, oder andere Drogen verkaufen?, fragt eine andere. Ein | |
Lederjackenträger lehnt das Konzept gänzlich ab: „Denjenigen, die jetzt | |
verkaufen, würde es den Markt kaputt machen.“ Es gehe nicht darum, Drogen, | |
sondern die Flüchtlinge zu legalisieren. | |
## 24 Stunden Polizei? | |
Herrmann nickt. Natürlich ersetze ein Coffeeshop nicht eine humanere | |
Asylpolitik. Ein junger Mann brüllt, ihn interessiere das ganze | |
Legalisierungskauderwelsch nicht. Er wolle, dass die Polizei im Park eine | |
24-Stunden-Schicht schiebe. | |
Von denen, über die gesprochen wird, ist keiner zu der Veranstaltung | |
gekommen. Die Distanz zwischen den alteingesessenen Kreuzbergern und den | |
Flüchtlingen draußen vor der Tür wird immer wieder deutlich. Es wird | |
gefragt, ob man mit „denen“ reden könne, und wenn ja, in welcher Sprache. | |
Ein Mann mit Glatze moniert, so viele Schwarze, das sei ein „ästhetisches | |
Problem“. „Rassismus!“, schreien einige. Herrmann will die Diskussion nic… | |
abwürgen. Sie sagt, wenn einem zehn schwarze Männer gegenüberstünden, sei | |
das eben für viele fremd. „Auch ich habe da meine Momente gehabt, dass ich | |
dachte: Ups, das ist mir unbekannt.“ Darüber müsse man sprechen. | |
Im Reden sind die Kreuzberger geübt. Der nächste Termin dafür steht schon | |
fest: Am 9. November soll im Park erneut diskutiert werden. | |
30 Oct 2013 | |
## AUTOREN | |
Antje Lang-Lendorff | |
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