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# taz.de -- Zu hohe Erwartungen an den Gasboom: Die große Frackingblase
> In den USA freut man sich über billige Energie, in Deutschland ist man
> vielerorts neidisch. Doch die Fracking-Methode hat kaum Zukunft.
Bild: Verheißung oder doch alles nur eine Blase? Ölplattform in Pennsylvania.
BERLIN taz | In Deutschland wird in absehbarer Zukunft nicht gefrackt. Kurz
und schmerzlos haben Union und SPD in ihren Koalitionsverhandlungen die
umstrittene Fördermethode für Öl und Gas kassiert. Der Entwurf des Passus
für den Koalitionsvertrag liest sich fast, als hätte ihn Greenpeace
verfasst. „Trinkwasser und Gesundheit haben für uns absoluten Vorrang“,
steht da. Selbst Forschungsbohrungen soll es nicht geben.
Mit Industrie, Bürgern und Wissenschaftlern soll jedoch geprüft werden, wie
ohne Einsatz von Chemie gefrackt werden kann. Grund für den radikalen Kurs:
Der Widerstand in den Wahlkreisen gegen die Technik ist zu groß.
Fracking hängt indes weiterhin wie ein Albtraum über der deutschen
Industrie. Es vergeht hierzulande keine Diskussion, ohne die günstigen
Energiepreise in den USA anzuführen, um etwa Stromrabatte für die Industrie
zu legitimieren. In den USA wird auf Zehntausenden von Quadratkilometern
Land Öl und Gas zu Tage gefördert.
BASF-Chef Kurt Bock verkündete in dieser Woche im Spiegel: Seine Firma will
ein Ammoniakwerk an der US-Golfküste bauen, direkt dort, wo der Rohstoff
lagert. US-Präsident Barrack Obama träumt davon, dass sein Land in den
2020er Jahren unabhängig von Öl- und Gasimporten wird. Wir hier machen eine
teure Energiewende, die dort ziehen mit billigem Erdgas und günstigem Strom
die Industrie ab?
Am Dienstag erschien der World Energy Outlook der Internationalen Energie
Agentur (IEA), der Bericht ist eine Art heilige Schrift für die weltweite
Energiepolitik. „Der Ausblick für Erdgas ist glänzend“, heißt es darin. …
Grund: Fracking.
Doch der Boom könnte wesentlich kürzer ausfallen als gedacht. Die
Investitionen in die Erschließung in den USA sinken. Das liege an „einer
Serie von Abschreibungen auf Schieferöl- und Gasinvestitionen, verursacht
von sinkenden Preisen und enttäuschenden Förderraten“, schreibt der
Finanznachrichtendienst Bloomberg im August 2013. Den Firmen macht der
durch den kurzfristigen Gasboom ausgelöste Preisverfall ebenso zu schaffen
wie die Förderung, die unter den Erwartungen bleibt.
## Zu hohe Erwartungen
Im Oktober legt der Konzern Royal Dutch Shell nach: Konzern-Finanzchef
Peter Voser sagte der Nachrichtenagentur Reuters in Bezug auf Schiefergas:
„Die Sache war ganz klar nicht so erfolgreich, wie wir gedacht haben“, und
korrigierte seine mittelfristigen Erwartungen nach unten.
Der kanadische Geologe David Hughes erregte kürzlich mit einer Analyse
Aufsehen, in der er öffentlich zugängliche Daten der bisherigen Fracks in
den USA auswertete und auf eine deutlich schnellere Abnahme der Fördermenge
kam als bisher angenommen.
## Wenn die Gasblase zusammenfällt
Überschätzte Gasvorräte führen auch zur Gefahr einer Investmentblase,
warnte die US-amerikanische Ökonomin Deborah Rogers in ihrem Report „Shale
and Wall Street“. Energiekonzerne könnten ihre Schiefergasvorräte
systematisch um bis zu 500 Prozent überschätzt haben, um Investoren
anzuziehen oder Rechte an Gasfeldern lukrativ weiter zu verkaufen.
Die Tendenz zu einer Gasblase lässt sich auch in dem Bericht der IEA
erkennen, allerdings nicht auf den vorderen Seiten. Weiter hinten ist der
von Hughes für Schiefergas prognostizierte extrem schnelle Rückgang der
Förderung in Frackingfeldern für Schieferöl bereits verzeichnet, für
Fracking-Gas noch nicht.
Die IEA übernimmt trotzdem ungeprüft die optimistischen Zahlen aus den USA
und zieht die Schlussfolgerungen, die in Europa alle in Panik versetzen:
„Wegen der niedrigen Energiepreise sind die USA in einer guten Position,
ökonomische Vorteile zu erlangen“, sagte IEA-Chefökonom Fatih Birol bei der
Vorstellung des Berichts. „Für die energieintensiven Betriebe in Europa und
Japan sind die höheren Kosten hingegen eine große Belastung.“
## Die Kosten sind entscheidend
Werner Zittel analysiert für die Energy Watch Group seit Jahren die
Berichte der IEA, der Zusammenschluss aus Wissenschaft und Politik
veröffentlicht alternative Berichte zum weltweiten Energiemarkt. Für Zittel
ist die entscheidende Frage, zu welchen Kosten künftig Erdgas und Erdöl
gefördert werden können – davon hängt ab, ob die Deutschen mit ihrer
Energiewende ökonomisch konkurrenzfähig sind, unabhängig von ökologischen
Aspekten.
„Die Szenarien zu billigem Erdgas sind nur realistisch, wenn die Ressourcen
auch erschlossen werden können. Dabei handelt es sich um rein spekulative
Abschätzungen“, sagt er. Anders ausgedrückt: Während alle Welt einen neuen
Erdgasboom aufgrund von Schätzwerten über die durch Fracking erschließbaren
Vorräte vorhersagt, zeigen die einzigen harten Fakten aus den USA, dass die
Ausbeute eher enttäuschend ist.
13 Nov 2013
## AUTOREN
Ingo Arzt
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