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# taz.de -- Jobcenter klagen gegen Lohndumping: Geschäftsmodell Ausbeutung
> Arbeitsagenturen prangern Unternehmern an, die ihre Angestellten mit
> Hungerlöhnen abspeisen. Der Mindestlohn würde ihnen entgegenkommen.
Bild: Ein Pizza-Service in Brandenburg hat seinen Mitarbeitern nur 1,59 Euro St…
SENFTENBERG/BERLIN dpa | Pizzaboten, Verkäufer, Bürohilfen oder Kellner
arbeiten oft unter dem ortsüblichen Tarif. Stundenlöhne unter zwei Euro
sind keine Seltenheit. Doch einige Jobcenter, vor allem im Osten, haben
solchen Firmen den Kampf angesagt. Rückenwind erhalten sie durch die
laufenden Koalitionsverhandlungen - Union und SPD haben sich nach zähem
Ringen auf einen gesetzlichen Mindestlohn geeinigt.
Wenn das Geld nicht zum Leben reicht, zahlen die Jobcenter den sogenannten
Aufstockern noch etwas hinzu - aus Steuermitteln. In Berlin ist dies laut
Behördensprecher Olaf Möller in rund 100 000 Fällen so, in Brandenburg
erhalten etwa 60 000 Menschen Unterstützung. Das wissen natürlich auch die
Unternehmen.
„Wo die Löhne auffällig niedrig sind, wird geprüft“, berichtet Möller v…
der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg. Verhärte sich mit Blick auf Tarif
und ortsübliche Bezahlung der Verdacht, dass der Lohn sittenwidrig niedrig
ist, landen die Fälle vor den Arbeitsgerichten. Über die Zahl solcher
Verfahren in Deutschlands kann die Bundesagentur für Arbeit aber keine
Auskunft geben.
„Wir haben keinen Überblick, wie viele Prozesse wegen sittenwidrig
niedriger Löhne bei Aufstockern geführt werden“, sagt die
Behördensprecherin Ilona Mirtschin in Nürnberg. „Allerdings haben wir den
Eindruck, dass es solche Verfahren im Osten häufiger gibt als im Westen.“
## 1,70 Euro für Anwaltsgehilfen
Die Menschen im Osten seien wegen der teils schwierigen wirtschaftlichen
Lage stärker sensibilisiert, wenn Unternehmen mit Steuergeldern
subventioniert werden. Auffällig viele Gerichtsfälle gebe es aus ihrer
Sicht in Brandenburg. "Ich habe das Gefühl, dass die Jobcenter in der
Lausitz diese Dinge sehr hartnäckig verfolgen", meint auch Möller.
So wird am Arbeitsgericht Senftenberg am 20. Dezember ein Fall verhandelt,
bei dem ein Anwalt seine beiden Bürokräfte, die Hartz-IV-Leistungen
erhielten, mit einem Stundenlohn von etwa 1,70 Euro abgespeist haben soll.
Erst im Oktober hatte dieses Gericht zwei Unternehmer aus Lübbenau zur
Nachzahlung von 1560 Euro verurteilt, weil sie einen Verkäufer für einen
Stundenlohn von 2,84 Euro beschäftigten. Doppelt so viel hätten sie dem
Mann zahlen müssen, befand der Richter. Bereits im August hatte das
Jobcenter Uckermark erfolgreich gegen einen Pizza-Lieferservice geklagt,
der seinen Mitarbeitern pro Stunde 1,59 Euro, 1,65 Euro und 2,72 Euro
zahlte.
Um ihren Einsatz gegen Lohndumping zu bündeln, haben die Jobcenter in
Berlin und Brandenburg eine Arbeitsgruppe geschaffen. Ziel ist ein
statischer Überblick - und ein gemeinsames konzentriertes Vorgehen. „Wir
wollen Anfang nächsten Jahres eine erste Bilanz ziehen“, sagt
Behördensprecher Möller.
Für Brandenburgs Arbeitsminister Günter Baaske (SPD) ist es richtig, dass
immer mehr Jobcenter gegen sittenwidrige Löhne auch mit Klagen vorgehen
wollen. „Menschen, die jeden Tag hart arbeiten, verdienen anständige Löhne.
Wer so wenig zahlt, schadet nicht nur den Beschäftigten, sondern auch
solchen Unternehmen, die fair bezahlen“, erklärt Baaske. Jeder fünfte
Vollzeitbeschäftigte in Brandenburg verdiene weniger als 8,50 Euro pro
Stunde. Der Durchschnittslohn im Niedriglohnsektor liege in Ostdeutschland
bei 6,52 Euro. Davon seien vor allem Frauen betroffen.
Wenn die neue Bundesregierung eine Lohnuntergrenze einführt, könnte
Lohndumping eingedämmt werden. Denn Union und SPD haben sich nach langem
Streit auf einen gesetzlichen Mindestlohn geeinigt. Offen sind noch die
Höhe und der Starttermin des verbindlichen unteren Stundenentgelts.
26 Nov 2013
## AUTOREN
Peter Jähnel
## TAGS
Lohndumping
Mindestlohn
Jobcenter
Arbeitnehmer
Arbeitgeber
EU
Malte Spitz
Dirk Niebel
Mindestlohn
Klaus Ernst
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eingereicht.
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