| # taz.de -- Reaktionen auf Koalitionsvertrag: Zu viel und zu wenig Belastung | |
| > Aus der Opposition kommt deutliche Kritik am Koalitionsvertrag von Union | |
| > und Sozialdemokraten. SPD-Chef Gabriel rechnet mit Zustimmung zur | |
| > Koalition. | |
| Bild: Neue Apo: FDP-Generalsekretär Patrick Döring kündigt Widerstand an | |
| BERLIN afp/dpa | Die FDP hat die Koalitionsvereinbarung von Union und SPD | |
| scharf kritisiert und Widerspruch von außerhalb des Bundestags angekündigt. | |
| „Unter dem Strich bringt die große Koalition den Bürgern und der Wirtschaft | |
| neue Regulierungen, höhere Belastungen und mehr Schulden“, kritisierte der | |
| scheidende FDP-Generalsekretär Patrick Döring am Mittwoch in Berlin. „Sie | |
| wird damit zur Belastungsprobe für die soziale Marktwirtschaft und die | |
| Freiheit in Deutschland.“ | |
| Der in einer 17-stündigen Marathonsitzung ausgehandelte Koalitionsvertrag | |
| soll am Mittag von den Parteichefs Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer | |
| (CSU) und Sigmar Gabriel (SPD) unterzeichnet werden, obwohl das | |
| Mitgliedervotum der SPD noch aussteht. Dieser Ablauf ist nicht ungewöhnlich | |
| – es ist üblich, Koalitionsverträge erst nach der Unterzeichnung durch die | |
| Vorsitzenden von Parteigremien absegnen zu lassen. | |
| CDU, CSU und SPD verständigten sich auf die Einführung eines | |
| flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns, Verbesserungen bei der Rente | |
| und die Erleichterung der doppelten Staatsbürgerschaft. Auch soll eine | |
| Pkw-Maut für Ausländer kommen. Die Einigungen zu Mindestlohn, Renten und | |
| Staatsbürgerschaft könnten die kritische SPD-Basis beruhigen. | |
| Nach Ansicht der bisherigen Regierungspartei FDP stelle die künftige | |
| Opposition aus Grünen und der Linkspartei stelle keine echte Alternative | |
| dar, erklärte Döring. Sie würden „vielmehr versuchen, die Unvernunft der | |
| großen Koalition noch zu überbieten“, kritisierte er. „Die einzige Kraft, | |
| die dagegen hält, ist die FDP.“ | |
| Döring kritisierte insbesondere das Rentenpaket aus Mütterrente, Rente mit | |
| 63 und Lebensleistungsrente. Dies sei „schlicht unbezahlbar“, erklärte er. | |
| „Statt die gute wirtschaftliche Ausgangslage für mutige und | |
| zukunftsorientierte Reformen zu nutzen, werden die Reserven geplündert und | |
| die Risiken auf morgen verschoben.“ | |
| ## Enttäuschung und Zuversicht | |
| Die Grünen und die Linkspartei hatten zuvor mit Enttäuschung [1][auf den | |
| schwarz-roten Koalitionsvertrag] reagiert. Die Vereinbarung von Union und | |
| SPD sei geprägt von „Zukunftsvergessenheit“, sagte Grünen-Fraktionschef | |
| Anton Hofreiter am Mittwoch im ZDF-„Morgenmagazin“. Die geplante Koalition | |
| ziele auf den „Abbruch der Energiewende“ ab und bremse die Entwicklung der | |
| erneuerbaren Energien. Sowohl Union als auch SPD seien „zukunftsvergessene | |
| Parteien“, kritisierte Hofreiter. | |
| Auch Linken-Fraktionsvize Dietmar Bartsch vermisste zukunftsweisende | |
| Vereinbarungen im Koalitionsvertrag. „Ich habe gehofft, dass die große | |
| Koalition große Probleme angeht“, sagte Bartsch im ZDF. „Hier wird | |
| verwaltet und nicht etwa in die Zukunft agiert“, bemängelte er. | |
| Linksparteichef Bernd Riexinger kritisierte bei Twitter: „Keine | |
| Reichensteuern, 8,50 Euro Mindestlohn ohne Schlupfloch erst 2017 (!). | |
| Gerechtigkeitswende geht anders. Sehe Handschrift der SPD nicht.“ | |
| Die SPD-Spitze zeigt sich nach der Einigung auf einen Koalitionsvertrag mit | |
| der Union vorsichtig optimistisch über die endgültige Zustimmung ihrer | |
| Parteibasis. „Ich bin ziemlich sicher, dass wir mit diesem Ergebnis einem | |
| Ja deutlich näher sind als einem Nein“, sagte SPD-Generalsekretärin Andrea | |
| Nahles am Mittwoch im Deutschlandfunk. Führende SPD-Linke signalisierten | |
| ebenfalls Zustimmung. Unionsvertreter lobten das Verhandlungsergebnis. | |
| Nahles hob die Vereinbarungen zum Mindestlohn von 8,50 Euro ab 2015 und die | |
| abschlagsfreie Rente mit 63 nach 45 Beitragsjahren hervor. Der | |
| schleswig-holsteinische SPD-Chef und Parteilinke Ralf Stegner sagte der | |
| dpa: „Wir haben eine ganze Menge erreicht.“ Die SPD-Führung könne den | |
| Mitgliedern ein Ja empfehlen. Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach | |
| sagte: „Das Gesamtpaket ist so sozialdemokratisch, dass wir unseren | |
| Mitgliedern die Zustimmung empfehlen müssen.“ | |
| ## „Zentrale Wahlversprechen gehalten“ | |
| CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe nannte die Mindestlohn-Einigung einen | |
| guten Kompromiss, der die Tarifpartnerschaft stärke. Die stellvertretende | |
| CDU-Chefin Julia Klöckner sagte: „Wir haben als Union unsere zentralen | |
| Wahlversprechen eingehalten.“ Nach den Worten von CSU-Generalsekretär | |
| Alexander Dobrindt trägt der Vertrag eine deutliche Unionshandschrift und | |
| „spiegelt das Wahlergebnis wider“. Die Union hatte 41,5 Prozent erreicht, | |
| die SPD 25,7. | |
| Wie unsicher die SPD-Spitze vor der in der ersten Dezemberhälfte geplanten | |
| Mitgliederbefragung ist, zeigt sich in einem ungewöhnlichen Detail: Die | |
| Aufteilung der Ministerien und ihre Besetzung soll bis nach dem Entscheid | |
| offen gelassen werden. Fest steht aber, dass die SPD in einem schwarz-roten | |
| Kabinett sechs Ministerien bekommen soll, die CDU fünf (plus | |
| Kanzleramtsminister) und die CSU drei. | |
| SPD-Chef Sigmar Gabriel hat sich sicher gezeigt, dass die SPD-Mitglieder | |
| einem Regierungsbündnis mit der Union zustimmen werden.„Die Mitglieder der | |
| SPD werden stolz auf das sein, was wir für die Menschen in Deutschland in | |
| diesem Koalitionsvertrag erreicht haben“, erklärte er am Mittwoch in | |
| Berlin. Er sprach von einem „Koalitionsvertrag für die 'kleinen Leute'“ und | |
| einer „Koalition für große Aufgaben“. | |
| Alle SPD-Ministerpräsidenten und alle Mitglieder der Verhandlungsgruppe der | |
| SPD hätten den Vertrag gebilligt. In den nächsten zwei Wochen werden die | |
| 475.000 Mitglieder über den Vertrag abstimmen. Das Ergebnis soll am 14. | |
| Dezember bekannt gegeben werden. Wenn eine ausreichende Zahl der | |
| SPD-Mitglieder grünes Licht gibt, könnte Merkel in der Woche vor | |
| Weihnachten – am 17. Dezember – im Bundestag als Kanzlerin wiedergewählt | |
| werden. | |
| 27 Nov 2013 | |
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