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# taz.de -- Koalition und Staatsbürgerschaft: Durchlöchertes Doppelpass-Verbot
> Union und SPD schließen einen Kompromiss beim Staatsangehörigkeitsrecht.
> Vor allem Deutschtürken bleiben weiterhin benachteiligt.
Bild: Ein Pass? Zwei Pässe? Ein Seepferdchen-Abzeichen ist manchem wichtiger.
BERLIN taz | Kenan Kolat zeigte sich „sehr enttäuscht“. „Die SPD hat ihr
Wort nicht gehalten“, sagte der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in
Deutschland zu dem Kompromiss, auf den sich die Spitzen von SPD und Union
bei der doppelten Staatsbürgerschaft in letzter Minute geeinigt haben.
Zwar sei es ein Fortschritt, dass Kinder ausländischer Eltern künftig ihr
Leben lang zwei Pässe behalten dürfen. Aber für die Generation ihrer Eltern
und Großeltern, die sich einbürgern lassen wollten, ändere sich nichts.
„Die Eltern und Großeltern haben für dieses Land viel getan. Es wäre eine
Anerkennung dieser Lebensleistung gewesen“, sagte Kolat, der auch
SPD-Mitglied ist. „Ich persönlich werde bei der Mitgliederbefragung deshalb
mit Nein stimmen“, sagte er der taz.
Die SPD hatte ursprünglich gefordert, die doppelte Staatsbürgerschaft
generell zuzulassen, Parteichef Sigmar Gabriel hatte das gar zur Bedingung
für eine Große Koalition gemacht. Die Union hatte sich bis zuletzt dagegen
gestemmt, vor allem Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) zeigte sich
hartnäckig.
„Für in Deutschland geborene und aufgewachsene Kinder ausländischer Eltern
entfällt in Zukunft der Optionszwang und die Mehrstaatigkeit wird
akzeptiert“, heißt es jetzt im Koalitionsvertrag. „Im Übrigen bleibt es
beim geltenden Staatsangehörigkeitsrecht“, steht dort aber auch.
## Wegfall der „Optionspflicht“
Union und SPD verbuchen das beide als halben Erfolg für sich. „Das heißt
schon für viele Menschen in Deutschland eine Verbesserung“, befand der
schleswig-holsteinische SPD-Landeschef Ralf Stegner, und warb um Zustimmung
der Parteibasis. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt dagegen betont, die
doppelte Staatsbürgerschaft bleibe grundsätzlich verboten.
Durch den Wegfall der sogenannten „Optionspflicht“ aber wird dieses Verbot
jetzt weiter durchlöchert. Nach dieser Regel, die im Jahr 2000 nach zähem
Ringen eingeführt wurde, muss, wer in Deutschland geboren ist und
ausländische Eltern hat, spätestens bis zum 23. Geburtstag zwischen dem
deutschen Pass und dem seiner Eltern wählen.
Das Thema ist derzeit besonders dringlich, denn mindestens 196 junge
Erwachsene haben in diesem Jahr schon ihre deutsche Staatsbürgerschaft
verloren, weil sie sich nicht rechtzeitig für einen ihrer beiden Pässe, mit
denen sie aufgewachsen sind, entscheiden konnten: Pünktlich zu ihrem 23.
Geburtstag wurden sie ausgebürgert – das räumte die Bundesregierung
kürzlich auf Anfrage der Linkspartei ein.
Andere, denen dieses Dilemma bislang noch bevorstand, können jetzt
aufatmen. Doch die Rechtslage bleibt damit weiter unübersichtlich. Denn
Zuwanderer aus EU-Ländern oder etwa der Schweiz, die zusammengenommen die
Mehrheit der Ausländer in Deutschland ausmachen, können bei der
Einbürgerung ohne Probleme einen deutschen Pass erhalten und ihre
ursprüngliche Papiere behalten. Auch für Iraner und Marokkaner, deren
Länder ihre Bürger prinzipiell nicht aus ihrer Staatsangehörigkeit
entlassen, wird eine Ausnahme gemacht.
## „Fauler Kompromiss“, „Wahlbetrug“
Das angeblich grundsätzliche Verbot der Mehrstaatlichkeit trifft darum vor
allem die größte Einzelgruppe der Zuwanderer – nämlich die, die aus der
Türkei stammen. Wer von ihnen sein halbes oder sogar ganzes Leben hier
verbracht hat und sich jetzt einbürgern lassen will, muss weiterhin seinen
türkischen Pass abgeben. Deutschtürken haben deshalb guten Grund, sich
durch dieses Vorhaben diskriminiert zu fühlen.
Auch die Opposition sieht das so. Die Linken-Abgeordnete Sevim Dagdelen
sprach deshalb von einem „faulen Kompromiss“ und von „Wahlbetrug“. Der
Grünen-Kollege Özcan Mutlu fordert zumindest, die Optionspflicht bis zu
ihrer endgültigen Abschaffung schon jetzt auszusetzen.
27 Nov 2013
## AUTOREN
Daniel Bax
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