# taz.de -- Fifa14 vs. Pro Evolution Soccer 2014: Die Wahrheit is aufm Zauberbe… | |
> Es tobt die Konkurrenz zwischen den Fußballspielen „Fifa14“ und „PES | |
> 2014“. Wer gewinnt? Die Antwort findet sich in einem Roman von Thomas | |
> Mann. | |
Bild: Die Schatzalp nahe Davos. Hier spielt Thomanns „Zauberberg“. | |
Von Settembrini lernen, heißt überleben lernen. Im Angesicht des drohenden | |
Untergangs Haltung zu wahren, das macht der Figur des Settembrini [1][in | |
Thomas Manns Roman „Zauberberg“] so schnell niemand nach. Und wenn doch, | |
dann wäre es schön, wenn dieser jemand der Spielehersteller Konami wäre, | |
der den Fußball-Blockbuster „Pro Evolution Soccer (PES)“ produziert. | |
Jedes Jahr beginnt sechs Wochen vor Weihnachten ein bizarrer Streit | |
zwischen den Fans der Fußball-Spieleserie „Fifa“ und jenen des | |
Konkurrenzprodukts „PES“. In diesem Jahr ist es nicht anders, kurz vor dem | |
24. Dezember wird der Höhepunkt erreicht sein. Unterm Baum entscheidet | |
sich, welcher Konkurrent den Kampf ums meistverkaufte Fußballspiel für PC | |
und Konsole gewinnt. | |
Betriebswirte und Juristen der Hersteller kaufen sich gegenseitig die | |
Nutzungsrechte für nationale und internationale Ligen weg, sodass der | |
andere [2][wahlweise eine ganze Liga], den BVB oder einzelne Spieler nicht | |
benutzen darf. Und dabei liegt „Fifa“ meistens vorn. Zu überlegen ist das | |
Spiel samt gut gepflegter Datenbanken und zahlreichen Deals mit Verbänden | |
und Vereinen. | |
Doch „PES“ gibt nicht auf. Programmierer verfeinern die Grafik, das | |
Gameplay und den Sound. Am Ende ist der eine bei den Kommentatoren besser, | |
der andere beim Multiplayermodus. Fans feiern diese Kleinigkeiten | |
bekenntnisgleich als Ausdruck ewiger Wahrheit, während sich der | |
08/15-Daddler fragt: „Gehts noch?“ | |
## „Die Konkurrenten werden Monopolisten“ (Karl Marx) | |
Beide kombiniert ergäben das perfekte Pixelgekicke. Und es wäre ein | |
Monopol. Ein böses Wort, Monopol. Aber: Konkurrenz ist auch nicht besser. | |
Jetzt wird es kompliziert. Da wird der Controller plötzlich schwer und das | |
Hirn auch. | |
Der Anarchist Pierre-Joseph Proudhon zog vor 150 Jahren die Konkurrenz dem | |
Monopol vor, da sie mit der Assoziation freier Menschen [3][vereinbar sei, | |
diese sogar fördere.] Karl Marx erwiderte, es gehe nicht um die gute | |
Konkurrenz und das schlechte Monopol, sondern um die Synthese aus beidem: | |
„Die Monopolisten machen sich Konkurrenz, die Konkurrenten werden | |
Monopolisten.“ Dies führe am Ende nur zu zügelloser Konkurrenz unter den | |
Monopolisten. | |
Die Konkurrenz der neuen Spiele „Fifa14“ und „PES2014“ führt zu noch m… | |
Realismus. Alle Kicker sollen sich „authentischer“ bewegen. Das Spieltempo | |
ist gesunken, Bälle verspringen. Bei „Fifa14“ wird der Realismus auf die | |
Spitze getrieben: Spieler werden mit der Zeit müde, Reaktionen | |
schwerfälliger, Fehlpässe häufen sich. | |
„PES2014“ kontert mit Spielspaß und lässt mehr Tore zu. Beim „realistis… | |
Gameplay“ lag „PES“ jahrelang vorn. Nun nicht mehr. „Fifa“ hat gemä�… | |
alten Sowjetmottos „überholt ohne einzuholen“. Kann „PES“ noch | |
dagegenhalten? | |
## Die extremste Form der Konkurrenz | |
Es sieht so aus, als sei Konami vorsichtig geworden. Mit Versionen, die | |
sich für die neue Generation von Spielkonsolen eignen, hält sich der | |
Hersteller vornehm zurück. Begründet wird diese Entscheidung mit dem | |
Argument, abwarten zu wollen, wie sich die Geräte verkaufen. | |
Und wenn sie sich gut verkaufen? Dann wäre der Rückstand größer, Konami | |
müsste noch mehr hinterherhecheln. Gibt es keinen Ausweg? Doch. In Thomas | |
Manns „Zauberberg“ kommt es zum Finale zwischen den Romanfiguren Naphta und | |
Settembrini. Sie stehen für die Konkurrenz von linkem Radikalismus, | |
[4][personifiziert im Philosophen Georg Lukácz], und linkem Liberalismus – | |
für den Thomas Mann [5][seinen Bruder, den Schriftsteller Heinrich, zum | |
Vorbild nahm.] | |
Beide debattieren Hunderte Seiten lang über jeden Aspekt der Welt. Als die | |
große Krise naht, kommt es zum Duell. Naphta hat die extremste Form der | |
Konkurrenz, jene ums Leben, gefordert und er wird sie verlieren. | |
Settembrini lässt sich formal aufs Duell ein, verweigert aber den tödlichen | |
Schuss. Naphta richtet sich selbst. | |
## Firmen haben kein Gewissen | |
Dem Leser bleibt überlassen, welchen Grund er dafür verantwortlich macht. | |
Ausweglosigkeit? Autonomie? Ist alles nur dem Druck der Konkurrenz | |
geschuldet? | |
Die Geste Settembrinis, das Duell [6][mit einer simplen Weigerung] zu | |
beenden, ist nicht nur eine der schönsten der Weltliteratur. Sinnvoll ist | |
sie auch. Im „Zauberberg“ folgt kurz darauf die große europäische Krise, | |
der Erste Weltkrieg. Settembrini besinnt sich angesichts Duell und Krieg | |
auf die eigenen Stärken. Wer, den Tod vor Augen, nicht tötet, um zu | |
überleben, ist auch innerlich immun, wenn Krieg und Krise zum Mitmachen | |
einladen. | |
Diese Geste wäre eine, die Konami gut stünde. Und sie würde die Frage | |
aufwerfen, ob auch in Zukunft die Konkurrenz mit „Fifa“ gewollt ist. Oder | |
ob ein eigener Weg mit mehr abseitigen Innovationen nicht besser wäre. | |
Firmen sind keine Subjekte, sie haben kein Gewissen. Doch Videospieler | |
haben eins. „PES“ hat [7][seit Jahren genügend Fans.] Sie zu fragen, wie es | |
weitergehen soll, wäre ein guter Anfang. | |
8 Dec 2013 | |
## LINKS | |
[1] http://jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/218278/im-Projekt-Gutenberg-DE-… | |
[2] /Digitale-Spiele-im-taz-Test-8/!128380/ | |
[3] http://www.zeno.org/Philosophie/M/Marx,+Karl/Das+Elend+der+Philosophie/II.+… | |
[4] http://freeweb.dnet.it/zauberberg/5.html | |
[5] http://de.wikipedia.org/wiki/Der_Zauberberg#Settembrini | |
[6] http://gutenberg.spiegel.de/buch/2754/1 | |
[7] http://www.pesfan.com/ | |
## AUTOREN | |
Maik Söhler | |
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