# taz.de -- Olympische Winterspiele 2014: Des Aufmüpfigen Aus | |
> Der schwule Shorttracker Blake Skjellerup verpasst die Qualifikation für | |
> Sotschi. Während er nicht zu den Spielen darf, will EU-Kommissarin Reding | |
> nicht. | |
Bild: Streckte sich vergebens, für Sotschi reichte es nicht: Blake Skjellerup,… | |
„Ich mag das Wort Scheitern nicht. Du bist nicht gescheitert, wenn du | |
weißt, dass du dein Bestes gegeben hast.“ Mit [1][diesem Tweet] reagierte | |
Eisschnellläufer Blake Skjellerup auf die niederschmetternde Nachricht, | |
dass er die Qualifikation für die Olympischen Spiele 2014 in Sotschi | |
verpasst hat. Der Shorttracker aus Neuseeland steht auf Rang 33 der | |
Qualifikationsliste über die 500-Meter-Distanz. Nur die ersten 32 dürfen zu | |
den Spielen. | |
Das Entsetzen unter den Aktivist_innen für schwul-lesbische Belange | |
weltweit ist mindestens ebenso groß wie die des Sportlers selbst. Sie | |
hatten Skjellerup zur Ikone ihres Protests gegen die homophobe Gesetzgebung | |
in Russland aufgebaut. Und Skjellerup hatte diese Rolle angenommen. Der | |
28-Jährige, der bei den Spielen 2010 in Vancouver 16. über 1.000 Meter war, | |
wollte als einziger offen schwuler Sportler in Sotschi antreten und hatte | |
angekündigt, mit einem Regenbogen-Pin in seine Rennen zu gehen. | |
Im Kampf für die Gleichbehandlung aller Menschen wollte er sich weder um | |
die russischen Gesetze noch um die Regularien des Internationalen | |
Olympischen Komitees, nach denen Sportlern politische Äußerungen untersagt | |
sind, scheren. Schon im Sommer warb er um Spenden, um sein Ziel | |
verwirklichen zu können. 30.000 US-Dollar sammelte er auf einer | |
Crowdfunding-Plattform ein, um einen Trainer und die Reisen zu den Weltcups | |
in Europa bezahlen zu können. | |
Der Weltcup-Zirkus führte ihn dann vor drei Wochen nach Russland. Beim | |
Weltcup in Kolomna, gut 100 Kilometer südlich von Moskau, kam er im | |
500-Meter-Wettbewerb nicht über den 29. Platz hinaus, konnte sich aber | |
immerhin darüber freuen, dass er, ohne behelligt zu werden, wieder in | |
seinen Wohn- und Trainingsort Vancouver zurückreisen konnte. | |
## Bewegendes Treffen mit Aktivisten | |
Am Rande des Wettbewerbs hat er sich mit schwulen Aktivisten getroffen. Als | |
ihn die englische Tageszeitung The Guardian nach seinen Eindrücken fragte, | |
wollte er nicht allzu viel verraten, um die Menschen, mit denen er | |
gesprochen hatte, nicht zu gefährden. „Es ist mir sehr nahe gegangen zu | |
hören, was sie durchmachen“, sagte er und beschrieb die Angst, die vielen | |
Schwulen keine andere Wahl ließe, als in den Untergrund zu gehen. | |
Derart eindrucksvolle Begegnungen mit Schwulen oder Lesben hätten | |
Aktivist_innen in Russland sicher gerne auch mit Bundespräsident Joachim | |
Gauck arrangiert. Doch der zieht es vor, den Spielen fernzubleiben. Auch | |
wenn er bis dato noch keine präzisen Gründe für sein Schwänzen von Olympia | |
genannt hat, so wird es gemeinhin als Boykott gewertet. | |
Dem hat sich am Montagabend auch Viviane Reding, die Vizepräsidentin der | |
Europäischen Kommission, angeschlossen. Die EU-Justizkommissarin | |
[2][twitterte die Gründe] für ihr Fernbleiben von den Spielen: „Ich werde | |
selbstverständlich nicht nach Sotschi reisen, solange Minderheiten dort so | |
behandelt werden, wie es die russische Gesetzgebung derzeit vorsieht.“ | |
## Der übliche Maulkorberlass | |
Derweil ist das IOC dabei, den üblichen Maulkorberlass zu formulieren, mit | |
dem die Olympier sicherstellen wollen, dass sich während der Spiele kein | |
Athlet politisch äußert. Dieser Tage soll ein Brief an die nationalen | |
Olympischen Komitees geschickt werden, den diese dann an die Sportler | |
weiterleiten sollen. Darin wird noch einmal explizit die berühmte Regel 50 | |
der Olympischen Charta erläutert, die „jede Art von Demonstration oder | |
politischer, religiöser oder rassistischer Propaganda in allen olympischen | |
Anlagen, Sportstätten und anderen Orten“ verbietet. Das IOC hat das Recht, | |
Verstöße gegen diese Regel zu ahnden und kann Sportler von den Spielen | |
ausschließen. | |
Blake Skjellerup hätte das in Kauf genommen. Er hätte sogar eine | |
Auseinandersetzung mit den russischen Behörden nicht gescheut. Ein kleine | |
Hoffnung bleibt ihm noch. Sollte eine Mannschaft einen der 32 Startplätze | |
für den 500-Meter-Wettbewerb nicht besetzen, dürfte Skjellerup als | |
Nachrücker nach Sotschi fahren. | |
10 Dec 2013 | |
## LINKS | |
[1] http://twitter.com/BlakeSkjellerup/status/410139255202381825 | |
[2] http://twitter.com/VivianeRedingEU/status/410127509674803200 | |
## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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