| # taz.de -- Einreise von taz-Journalistin verweigert: 45 Minuten in Kairo | |
| > Unsere Redakteurin wurde zu einer Konferenz des Goethe-Instituts in Kairo | |
| > eingeladen. Doch am Flughafen verweigerte man ihr die Einreise. | |
| Bild: Willkürliche Visa-Politik?: Redakteurin Fatma Aydemir sah auf ihrer Kair… | |
| Fatma?“, fragt mich der Grenzbeamte ganz informell, während er in meinem | |
| Reisepass herumblättert. | |
| „Yes?“ | |
| „Why are you in Egypt?“ | |
| Ich erkläre ihm, dass ich an einer Konferenz des Goethe-Instituts in | |
| Alexandria teilnehme. Er will wissen, worum es da geht. Ich sage: | |
| „Education“ und lasse das „political“ weg. Auf die Frage, warum ich mein | |
| Visum nicht vorher bei einer Botschaft beantragt hätte, erkläre ich ihm, | |
| dass man mir mitgeteilt habe, ich könne es hier am Flughafen in Kairo | |
| beziehen. Dann will er wissen, woher ich diese Information habe, auf eine | |
| streng väterliche Art fragt er das, obwohl er kaum 23 sein dürfte. Ich | |
| sage: „From the Egyptian embassy.“ | |
| ## Was ist das Problem? | |
| Noch bin ich entspannt, weil ich denke, dass es sich um eine | |
| Routinebefragung handelt. Ein Dutzend Menschen verschiedener Nationalitäten | |
| haben am selben Schalter, noch vor der Passkontrolle, gegen 15 US-Dollar | |
| ein Einreisevisum erhalten. Auch ich bekam eins. | |
| Doch die anderen haben inzwischen die Passkontrolle passiert. | |
| Ich hingegen soll mich an die Seite stellen und warten, und zwar so, dass | |
| mich der junge Grenzbeamte sehen kann, während er die anderen Einreisenden | |
| bearbeitet. | |
| Ich solle bloß nicht verschwinden, warnt er mich. | |
| „Politische Bildung im Nach-Revolutions-Ägypten“ lautet das Thema der | |
| Tagung in Alexandria, zu der ich vom Goethe-Institut eingeladen wurde. Dort | |
| sollen Möglichkeiten erörtert werden, durch politische Bildungsarbeit die | |
| Demokratisierung Ägyptens zu befördern. Dass dies dringend notwendig ist, | |
| lässt sich schon an der willkürlichen Visa-Politik des Landes ablesen. | |
| Auf der offiziellen Website der Ägyptischen Botschaft in Deutschland steht | |
| nämlich Folgendes: „Türkische Staatsangehörige mit gültigem türkischem | |
| Reisepass und einem gültigen Aufenthaltstitel in einem der EU-Staaten | |
| (Minimum 6 Monate) können das Einreisevisum für einen touristischen | |
| Aufenthalt bei ihrer Ankunft auf einem ägyptischen Flughafen oder im | |
| Seehafen erhalten.“ | |
| Da dies genau auf mich zutrifft und auch weil die Mitarbeiterin von | |
| Austrian Airlines mir am Samstagmorgen bei meiner Abreise in Berlin-Tegel | |
| dasselbe nochmals bestätigte, kann ich mir nicht erklären, was das Problem | |
| ist. | |
| Ein Mann mit Schnauzer, der meinen Reisepass in den Händen hält, kommt auf | |
| mich zu und sagt: „Come with me!“ | |
| Das wird er noch zehnmal sagen in den folgenden 45 Minuten, in denen er | |
| mich in verschiedene Büros mit grimmig guckenden und bewaffneten Männern | |
| führen wird. | |
| Auf den Zwischenwegen rufen die Beamtenkollegen dem Schnauzer immer wieder | |
| arabische Sprüche zu und lachen. Ich verstehe nur das Wort „Türkei“ und | |
| dass es etwas mit mir zu tun hat. | |
| In einer Art Empfangszimmer soll ich mich kurz setzen. Neben mir wartet ein | |
| Jugendlicher mit Lederjacke und fragt mich, was los sei. Doch dann muss ich | |
| schon wieder dem Schnauzer in eine andere Richtung folgen. | |
| ## „Come with me!“ | |
| In einem kleinen Büro sitzen zwei Männer ganz leger am Tisch und sagen, ich | |
| solle mein Handy wieder einstecken. Sie fragen mich, was ich hier wolle. | |
| Ich erzähle wieder von der Tagung und dass ich Journalistin sei. Sie wollen | |
| wissen, wo die Tagung stattfindet und wer mich eingeladen hat. Ich könne | |
| nicht einfach so einreisen, sagt der eine, ich hätte ein Visum beantragen | |
| müssen. | |
| Als ich zu erklären versuche, dass ich wohl falsch informiert worden sei, | |
| kommen eine Frau und ein Mann, beide hochoffiziell und uniformiert, in den | |
| Raum. Plötzlich stehen alle auf. Ich stehe sowieso schon mitten im Raum. | |
| Jemand macht eine Handbewegung, der Schnauzer sagt wieder: „Come with me!“ | |
| Ich sitze wieder neben dem Jugendlichen mit der Lederjacke. Im Flüsterton | |
| übersetzt er mir, dass der Schnauzer und der laute Mann am Empfang planen, | |
| mich zurückzuschicken. Ich frage ihn, ob es überhaupt einen Flug gibt. Er | |
| nickt und zeigt mit seinem Zeigefinger die Eins. Ich stehe auf und gehe zu | |
| dem Schnauzer und dem lauten Mann am Empfang. | |
| Ganz vorsichtig sage ich: „I have a question.“ Der laute Mann grinst und | |
| brüllt mich an: „You back! You back!“ | |
| Ich zucke mit den Schultern und sage, dass ich trotzdem eine Frage habe. | |
| Der Schnauzer sagt, ich solle nicht mit ihm, sondern mit seinem | |
| Vorgesetzten sprechen und deutet auf ein Hinterzimmer. Ich mache ein paar | |
| Schritte in die Richtung und sehe, dass der Vorgesetzte gerade einen alten | |
| schwarzen Mann verhört. Fragend blicke ich zurück zum Schnauzer, er nickt | |
| und sagt: „Go, go!“ | |
| Ich entschuldige mich für die Störung und melde dem Vorgesetzten meine | |
| Frage an. Er nickt. Ich frage, ob seinen Mitarbeitern vielleicht entgangen | |
| sei, dass ich einen unbegrenzten Aufenthaltstitel für die EU habe und für | |
| mich auch ein Einreisevisum gelte. Sehr höflich und nüchtern antwortet er, | |
| es tue ihm leid, aber es gebe ein neues Gesetz. | |
| Kein türkischer Staatsbürger dürfe mehr einreisen ohne ein Visum, das | |
| Wochen im Voraus bei der ägyptischen Botschaft beantragt werden müsse. Er | |
| könne nichts machen, das sei so. Ich verstehe und verlasse den Raum. | |
| Vor zwei Wochen hatte Ägypten den türkischen Botschafter ausgewiesen, weil | |
| Premier Erdogan mit dem für ihn bekannten Feingefühl die Absetzung der | |
| Muslimbrüder-Regierung kritisiert hatte. | |
| Auch der ägyptische Botschafter, der bereits im August aus Ankara abgezogen | |
| worden war, werde nicht mehr in die Türkei zurückkehren, ließ die | |
| Übergangsregierung Ägyptens verlauten. Dass das direkte Konsequenzen für | |
| mich haben wird, damit hatte ich nicht gerechnet. | |
| Immerhin sollte man mir ansehen können, dass ich mit den Islamisten nicht | |
| unbedingt sympathisiere. | |
| Doch was zählt, ist das Gesetz. | |
| Und Gesetze werden in der Übergangsregierung ohne Verhandlungen | |
| beschlossen, auch wenn der Ausnahmezustand längst für beendet erklärt | |
| wurde. | |
| Mit einem letzten „Come with me!“ bringt mich der Schnauzer zum Gate und | |
| drückt mir Reisepass und Bordkarte in die Hand. Der Flieger, mit dem ich | |
| kam, steht zum Abflug bereit und wartet nur auf mich. Ich frage nach meinem | |
| Gepäck. Es sei schon im Flugzeug, wird mir mitgeteilt. Später werde ich | |
| feststellen, dass mein Koffer durchwühlt wurde und dass mein Schloss fehlt. | |
| Zum Flugzeug begleitet mich ein Sicherheitsangestellter in Neonweste. Er | |
| entschuldigt sich bei mir. Die da oben entscheiden jeden Tag etwas anderes, | |
| sagt er, da könne man eben nichts machen. | |
| Ich erinnere mich daran, was mir der Comiczeichner Magdy El Shafee eine | |
| Woche zuvor per E-Mail geschrieben hatte, als wir uns zum Interview | |
| verabredeten: „Ägypten ist ein Teppich, der über dem Balkongeländer hängt. | |
| Jeder, der vorbeiläuft, schlägt einmal drauf, und es bildet sich eine | |
| universale Staubwolke. Aber wenn der Dreck erst mal weg ist, können wir | |
| alle wieder atmen.“ | |
| 13 Dec 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Fatma Aydemir | |
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