Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Flucht in den Libanon: Irgendwann ist das Holz alle
> Das Unwetter im Nahen Osten trifft die syrischen Flüchtlinge besonders
> hart. Dem UN-Flüchtlingshilfswerk fehlt schlicht das Geld.
Bild: Syrisches Flüchtlingslager in der Ortschaft Arsal in der libanesischen B…
BAR ELIAS taz | Die Haut seiner Hände ist weiß von der Kälte. In billiger
Plastikjacke und Gummistiefeln steht Jihad auf dem schlammigen Vorplatz, um
den Zelte von syrischen Flüchtlingen dicht nebeneinander stehen.
Seit Tagen peitscht ein Wintersturm über den Libanon. In den Ecken vor den
Zelten sammelt sich Schnee, ein beißender Wind kommt von den Bergen runter,
die die Bekaa-Ebene begrenzen. „Egal wie viel wir tun, es sind immer noch
Zelte“, sagt der 33-Jährige. „Die werden in so einem Wetter nicht warm.“
Außer einem schmalen Küstenstreifen ist der Libanon von Gebirge geprägt.
Die Winter hier oben sind jedes Jahr kalt, doch der Sturm ließ es sogar in
Jerusalem und Kairo schneien.
Jihad kam vor zehn Monaten nach Bar Eilas. Er ist einer von 120.000
Flüchtlingen, die im Libanon in provisorischen Lagern leben. „Der Sommer
war heiß, doch das kann man aushalten“, sagt er. „Der Winter ist
gefährlich“ – mit Temperaturen leicht über Null.
## Vier kleine Kinder sind während des Sturms erfroren
Hilfsorganisationen haben Holzlatten und Plastikplanen verteilt, damit die
Menschen sich Zelte bauen können. Andere haben alte Werbebanner aus
Lastwagenplane gekauft und sich damit beholfen. Ein sinnlicher Kussmund
spannt sich über das Zelt hinter Jihad.
„Das Problem ist die Feuchtigkeit“, sagt er. Die meisten Zelte stehen auf
nacktem Boden. Wenn es regnet oder der Schnee taut, sickert das Wasser in
die Zelte und durchnässt die dünnen Plastikteppiche und Matratzen. Vier
syrische Kleinkinder erfroren während des Sturms.
Am Rand des Lagers von Jihad steht eine Toilettenkabine, grob aus Holz und
Plastik errichtet. Drum herum hat sich eine knöcheltiefe Pfütze gebildet.
Das Grundwasser drückt die Fäkalien aus der Abwassergrube hoch. Die
heftigen Regenfälle schwemmen das Wasser in die Zelte. „Viele hier werden
krank“, sagt Jihad.
## Über eine Million Flüchtlinge leben im Libanon
Der Krieg in Syrien hat zur größten Flüchtlingskrise der jüngeren
Geschichte im Nahen Osten geführt. Über eine Millionen Flüchtlinge leben
mittlerweile im Libanon. Vor einem Jahr waren es zur gleichen Zeit etwa
200.000.
Mohamad hat in Syrien als Maurer und Fliesenleger gearbeitet, bevor
Regierungsmilizionäre seinen Arm bis auf den Knochen aufschlitzten. Er
wurde von seiner Frau getrennt und fand sie erst acht Monate später im
Libanon wieder. Mohamad konnte sich einige Baumaterialien organisieren und
dem Zelt ein Betonfundament geben. „Das hält die Ratten und die Nässe ab“,
sagt er.
## Das Unwetter erschwert die Arbeit der Rettungskräfte
In der Mitte des Zelts steht ein eiserner Holzofen. Das Abzugsrohr
verschwindet unter dem Dach durch die Seitenwand. Jihad greift nach einem
lackierten Stück Pressspan, öffnet die Klappe und bugsiert es vorsichtig in
die Flammen. „Wir heizen fast nur nachts. Ansonsten reicht das Holz nicht“,
sagt er. „Außer jetzt im Sturm.“ Sie wissen, dass ihnen das Holz, das sie
jetzt verheizen, später fehlen wird.
Neben Mohamad spielen seine beiden Söhne. Abdel ist zweieinhalb Jahre alt,
sein Bruder Wassim sechs Monate. „Es ist eine Schande, dass die Kinder
unter diesen Umständen aufwachsen müssen“, sagt Mohamad.
Der Sturm erschwerte auch die Arbeit der Rettungskräfte. Die Straße, die
Beirut mit der Bekaa-Ebene verbindet, war zwischenzeitlich nicht befahrbar,
Tunnel standen unter Wasser. Das UN-Flüchtlingswerk UNHCR hat in den
vergangenen Monaten seine Bemühungen verstärkt, die Flüchtlingslager auf
solche Stürme vorzubereiten.
## Spendenaufruf der UNO
255.000 Decken und 6.000 Heizöfen wurden verteilt, dazu 600.000
Essensgutscheine. Doch das Geld reicht nicht. Bis heute gingen nur zwei
Drittel der vom UNHCR benötigten Finanzmittel ein. Viele Programme werden
deshalb zurückgefahren. Ledige Flüchtlinge erhalten in vielen Fällen keine
Unterstützung, die Zuzahlung für eine medizinischen Behandlungen ist
gestiegen und die Esspakete sind kleiner geworden.
Am Montag veröffentlichte das UNHCR den größten Spendenaufruf aller Zeiten
für den Libanon: Bis Ende 2014 sind 7,5 Milliarden Dollar nötig. Doch das
Ziel wird voraussichtlich erneut verfehlt – zum einen auf Grund des Umfangs
der Krise, zum anderen wegen fehlender Transparenz in der Regierung. Viele
Geber fürchten, dass das Geld versickert, falls keine Mechanismen gegen
Veruntreuung geschaffen werden.
20 Dec 2013
## AUTOREN
Raphael Thelen
## TAGS
Schwerpunkt Syrien
Libanon
Syrische Flüchtlinge
Islamismus
Kinderheim
Schwerpunkt Frankreich
Schwerpunkt Syrien
Anschlag
Flüchtlinge
UN-Menschenrechtsrat
Schwerpunkt Syrien
Syrische Flüchtlinge
Schwerpunkt Syrien
## ARTIKEL ZUM THEMA
Islamistenführer im Libanon gestorben: Nierenversagen im Gefängnis
Der Anführer einer Al-Kaida-Brigade ist im Libanon im Gefängnis verstorben.
Zuvor war er wegen einer Nierenkrankheit in Behandlung.
Besuch im Kinderflüchtlingsheim in Beirut: Achmed ist sicher
Es gibt nur dieses eine Haus. Es steht im Libanon. Kinder leben hier. Sie
sind dem Krieg im Nachbarland Syrien entkommen.
Ausrüstung für Terrorbekämpfung: Frankreich verkauft Waffen an Libanon
Saudi-Arabien stellt dem Libanon 2,2 Milliarden Euro zur Verfügung. Damit
sollen für das Militär Waffen von Frankreich gekauft werden.
Kommentar Anschläge im Libanon: Droht ein Bürgerkrieg?
Eine Autobombe tötet fünf Menschen, unter ihnen den sunnitischen Politiker
Mohammed Schatah. Dahinter könnte die Hisbollah stecken.
Bombenanschlag in Beirut: Ex-Finanzminister getötet
Eine heftige Explosion erschüttert die libanesische Hauptstadt. Eines der
Opfer ist Mohammed Schatah, einst Regierungsmitglied unter
Ministerpräsidenten Hariri.
Bericht der Vereinten Nationen: Flüchtlingszahlen steigen
Laut dem Flüchtlingshilfswerk UNHCR sind mehr als 45 Millionen Menschen
weltweit Flüchtlinge. Das sind mehr als vor 20 Jahren.
Berichte über Gräuel in Syrien: Assad foltert, seine Gegner auch
Seit Jahren lässt das Assad-Regime Oppositionelle verschwinden. Auch
Al-Qaida-nahe Islamisten betreiben Geheimkerker, in denen sie Menschen
quälen.
Syrische Flüchtlinge: Hoffnung Europa
Etwa 700.000 Syrer sind in die Türkei geflüchtet. Viele haben keinen Pass,
keine Rechte, keine Perspektive. Deshalb wollen sie weiter.
Syrische Flüchtlinge: Tod im Krieg oder Tod im Meer
Eine halbe Million Syrer sind in die Türkei geflohen. Jetzt ist die Grenze
dicht. Viele Flüchtlinge wollen weiter – nach Europa. Eine gefährliche
Reise.
Humanitäre Notlage in Syrien: Niederknien oder verhungern
Im Raum Damaskus sind mehrere Städte von den Regierungstruppen abgeriegelt.
Ihr Widerstand wird durch Aushungern gebrochen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.