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# taz.de -- Einführung des Euro in Lettland: Feste Bindung an Europa
> Lettland führt als 18. Land den Euro ein. Die Skepsis ist groß, trotz
> Estland als Vorbild. Aber dem russischen Nachbarn trauen die Politiker
> auch nicht.
Bild: Ungewohntes Wechselgeld: Eine Kundin an einer Kaufhallenkasse in Riga.
STOCKHOLM taz | Ein Feuerwerk gibt es zwar zu jedem Jahreswechsel in Riga.
Doch diesmal sollte es nach dem Willen der Regierung auch die Feier eines
besonderen Ereignisses markieren: dem Übergang Lettlands zum Euro am 1.
Januar 2014. Ministerpräsident Valdis Dombrovskis zog 20 Minuten nach
Mitternacht den ersten druckfrischen 10-Euro-Schein aus einem Geldautomaten
der Citadele-Banka am Platz der Republik im Zentrum der Hauptstadt und
wurde von seinem estnischen Amtskollegen Andrus Ansip assistiert.
Einen Tag später will auch der lettische Staatspräsident Andris Berzins den
estnischen Faden aufnehmen. Er hat sich für Donnerstagmittag mit Toomas
Hendrik Ilves, dem Präsidenten des Nachbarlands, im nordlettischen Grenzort
Rjiena zum Eisessen verabredet. Bezahlen wollen die Staatsoberhäupter
beider Länder die Eistüten jeweils mit den Euro-Münzen des anderen Landes.
Der stetige Hinweis auf Estland, dem Nachbarland Lettlands, das ebenfalls
die europäische Gemeinschaftswährung eingeführt hat, ist Teil der Kampagne,
mit der die politische Führung in Riga etwas gegen die mehrheitliche
Euroskepsis der LettInnen zu tun versucht: Seht, Estland hat auch
profitiert und kann sich dank des Euro über steigende Auslandsinvestitionen
und ein niedrigeres Zinsniveau freuen!
Das ist das Bild, das Lettlands Politiker gern malen: Der Euro sei die
Belohnung für die schweren Zumutungen, die man der Bevölkerung habe
auferlegen müssen, als man in den letzten Jahren mit Lohnsenkungen von
einem Drittel und einem radikal zusammengestutzten Sozialstaat das Land aus
der Finanzkrise geführt habe. Die hatte den Baltenstaat an den Rand des
Konkurses gebracht, nachdem 2008 eine von den Banken jahrelang
verantwortungslos aufgepumpte schuldenfinanzierte Konsumblase geplatzt war.
## Sorgen um die Renten
„Belohnung? Schöne Belohnung!“, schimpft Edit Salakova. Die Rentnerin
gehört zu einer der zahlreichen Organisationen, die bis zuletzt mit
Unterschriftensammlungen gegen den Euro protestiert hatten: „Aber natürlich
hat das niemand gekümmert.“ Für Rentner und andere Bezieher niedriger
Einkommen werde es „nun noch schlimmer“, befürchtet sie.
Die Renten seien seit Jahren eingefroren und mit den 190 Euro, die sie nun
monatlich bekomme, könne sie kaum auskommen: „Jedenfalls wird es ganz
bestimmt kein Eisschlecken“, sagt Salakova. Ihr ganzes Leben habe sie
gearbeitet, klagt die 73-Jährige. „Und nun muss ich für Lebensmittelpakete
Schlange stehen.“
Er sei gespannt, wie die Politiker den LettInnen in einigen Monaten
erklären wollten, warum sich das ärmste Euroland womöglich mit Hunderten
Millionen Euro an einem dann vermutlich fällig werdenden neuen Hilfspaket
für Griechenland, einem viel reicheren EU-Land, beteiligen müsste, sagt der
Ökonomieprofessor Elmars Zelgalvis. Er beklagt die Feigheit der Politik,
die den LettInnen „die demokratische Selbstverständlichkeit“, über ihre
eigene Währung zu bestimmen, verweigert habe. Er glaubt auch nicht, dass
der Euro der lettischen Wirtschaft spürbar nutzen werde.
Mit solchen Versprechungen sind allerdings sogar Regierungspolitiker
vorsichtig. Der Euro sei mehr als nur eine wirtschafts- und
währungspolitische Entscheidung, betonte Finanzminister Andris Vilks am
Montag gegenüber der Financial Times: Der Druck, den Russland zuletzt auf
die Ukraine ausgeübt habe, demonstriere die Notwendigkeit für einen
Nachbarstaat Russlands – wie Lettland es ist –, sich so fest wie nur irgend
möglich an Europa zu binden.
1 Jan 2014
## AUTOREN
Reinhard Wolff
## TAGS
Lettland
Euro
Währung
Euroskepsis
Riga
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Zuwanderung
EU
Börse
Ukraine
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