| # taz.de -- Schonende Müllentsorgung: Verpackung ist Käse | |
| > Deutschland ist Recycling-Weltmeister? Das war einmal. Immer mehr | |
| > Kunststoffe landen in der Müllverbrennung. Viel zu tun für die | |
| > Umweltministerin. | |
| Bild: Wenn's um Recycling geht, ziemlich komplex: eine Käseverpackung | |
| EISENHÜTTENSTATT taz | So eine Käseverpackung im Kühlregal ist tückisch. | |
| Damit sie wiederverschließbar ist und die verpackten Scheiben frisch hält, | |
| besteht sie aus drei Lagen verschiedener Kunststoffe. Zwischen zwei Lagen | |
| Polyethylen ist eine Lage Polyamid eingefügt – sie lässt kaum Luft durch. | |
| Das ist gut für den Käse, aber schlecht für Dirk Mellen. | |
| Mellen versucht als Geschäftsführer der Alba Recycling GmbH, benutzte | |
| Kunststofffolien wieder in einen wertvollen Rohstoff zu verwandeln. Dazu | |
| muss er sie reinigen, erhitzen und in die Form kleiner Kügelchen – Granulat | |
| – pressen. Nun wird Polyethylen – PE – flüssig, wenn es erhitzt wird. | |
| Polyamid – PA – bleibt fester. In einer Anlage lassen sich die beiden nicht | |
| zu dem körnigen Granulat formen, als das sie schließlich als Rohstoff für | |
| Kunststoffprodukte verkauft werden können. | |
| „Kunststoffverbunde sind für Recyclinganlagen schwierig“, sagt Mellen. | |
| Daher wünscht er sich Käseverpackungen nach Art der Tupperdose: Boden und | |
| fester Deckel aus einem Kunststoff, dazwischen eine Folie aus Aluminium, | |
| die lässt sich leicht abziehen und aus dem Stoffstrom fischen. | |
| So viel wollten Sie über Käseverpackungen gar nicht wissen? Darum geht es | |
| aber beim Thema Ressourcenschutz: Wie sich Dinge so herstellen lassen, dass | |
| sie lange halten, reparierbar sind – und im Zweifel billig und mit | |
| möglichst wenig Wasser und Energie noch einmal verwendet werden können. | |
| ## Joghurtbecher's new life | |
| 50.000 Tonnen Kunststoffverpackungen verarbeitet das Alba-Werk in | |
| Eisenhüttenstadt in Brandenburg an der polnischen Grenze im Jahr zu 35.000 | |
| Tonnen Kunststoffgranulat. Den Verpackungsmüll sammelt Alba in gelben | |
| Säcken und Tonnen ein und lässt in eigenen Sortieranlagen in Berlin, | |
| Leipzig, Braunschweig und bei Heilbronn alles herausholen, was nicht | |
| Kunststoff ist. Aus den Shampoo- und Ketchupflaschen, Tüten, Joghurtbechern | |
| und manchmal auch Spielzeugsieben, die in dem Eisenhüttener Werk ankommen, | |
| entsteht der Rohstoff für Pflanztöpfe, Rohre und Farbeimer. Rund 80 | |
| Kunststoffrecycler gibt es in Deutschland, sie produzieren etwa 3 Millionen | |
| Tonnen Recycling-Kunststoff – gegenüber mehr als 12 Millionen Tonnen | |
| Kunststoff aus Erdöl aus den Fabriken der chemischen Industrie. Über ein | |
| Drittel davon wird zu Verpackungen verarbeitet, zweitgrößtes Einsatzgebiet | |
| ist mit rund 24 Prozent der Bau. | |
| Bislang sortiert das Abfallrecht diese verschiedenen Dinge je nach ihrem | |
| Gebrauch. Ein Spielzeugeimer unterliegt also einer anderen Gesetzgebung als | |
| ein Eimer, in dem Farbe verkauft wird. Das hat Folgen: Verpackungen müssen | |
| zu 60 Prozent verwertet werden, mehr als die Hälfte davon stofflich. Das | |
| heißt, sie dürfen nicht in Müllverbrennungsanlagen (MVA) oder Zementwerken | |
| verbrannt, sondern müssen zu Kunststoffgranulat verarbeitet werden und | |
| Primärmaterial ersetzen. | |
| Für Plastikspielzeug oder -geschirr gelten laxere Vorgaben. Sie landen im | |
| Restmüll der schwarzen Tonne, und damit in der Müllverbrennung. Die | |
| schwarz-gelbe Bundesregierung scheiterte mit dem Vorhaben, die Gesetzgebung | |
| zu reformieren und eine Wertstofftonne einzuführen. Die wäre für alle | |
| Kunststoffabfälle da, die denselben Recyclingquoten unterlägen. | |
| ## GroKo muss handeln | |
| Nun sind die Erwartungen der Recyclingbranche an die Große Koalition groß. | |
| „Wir brauchen in den nächsten Jahren einen Abbau der MVA-Kapazitäten von | |
| jetzt 19 Millionen Tonnen um mindestens 25 Prozent“, fordert Eric Rehbock, | |
| Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Sekundärrohstoffe und Entsorgung | |
| (bvse); dazu werde auf jeden Fall ein Wertstoffgesetz benötigt. | |
| Die hartnäckige Mär, im Grunde sei es gar nicht so schlecht, das | |
| hochenergetische Erdölprodukt Kunststoff zur Energieerzeugung zu nutzen, | |
| sei falsch, sagt Günter Dehoust vom Freiburger Öko-Institut. Werden faule | |
| Äpfel und verdreckte Puddingbecher zusammen verbrannt, ist die energetische | |
| Ausbeute schlecht. „Der Wirkungsgrad von einem guten Kohlekraftwerk ist mit | |
| über 40 Prozent fast doppelt so gut wie der von einer optimalen MVA“. | |
| Müllverbrennung entwickele sich immer mehr zur Müllbeseitigung. Als | |
| Grundlastträger für wankelmütige Windräder und Solaranlagen seien sie | |
| sowieso nicht geeignet, weil sie Tag und Nacht gleichmäßig brennen müssen. | |
| Eine Verbrennung von Kunststoffresten aus dem Recycling etwa in einem | |
| Zementwerk könne hingegen sinnvoll sein. | |
| Problematisch können Kunststoffe sein, die zusammen mit Batterien oder | |
| Stromkabeln verbaut würden, sagt Andreas Detzel vom Heidelberger Institut | |
| für Energie und Umweltforschung (Ifeu). Sie seien häufig mit | |
| Flammschutzmitteln versetzt und nicht mehr zu gebrauchen. Vor allem | |
| Importware enthalte giftige Zusätze und sei kaum zu kontrollieren. „Die | |
| Abfallwirtschaft muss sich jedoch auf solche Kunststoffe einstellen und sie | |
| aussortieren“, sagt Detzel. | |
| ## Die Farbe „Rein-Weiß“ | |
| Gutes Recycling fange schon in der Herstellung der Ausgangsprodukte an, | |
| sagt Dirk Mellen von Alba. Früher hätten alle im stillen Kämmerlein | |
| gearbeitet, die Industrie hätte kaum den Wunsch nach Zusammenarbeit mit der | |
| Abfallbranche gehabt. „Das hat sich in den letzten zwei, drei Jahren aber | |
| geändert“, so Mellen, inzwischen sei ihr Know-how auch bei der | |
| Produktentwicklung gefragt. | |
| Allerdings liegt den Herstellern von Akkuschraubern, Spülmaschinen oder | |
| Käseverpackungen der Gedanke häufig noch fern, bei der Konstruktion ihrer | |
| Geräte ihre Verwertung schon mitzudenken. Eine Waschmaschine müsse weiß | |
| sein, betonen ihre Produzenten zum Beispiel, und reinweißen | |
| Recyclingkunststoff gebe es nun mal nicht. | |
| „Wir brauchen einen Bewusstseinswandel“, sagt Dehoust, „die Produzenten | |
| müssen Recylingmaterial nachfragen und damit werben, und wir Kunden sollten | |
| Produkte mit Recyclingkunststoffen solchen aus Primärmaterialien | |
| vorziehen.“ Wer sagt eigentlich, dass Waschmaschinen weiß sein müssen? | |
| 9 Jan 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Heike Holdinghausen | |
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