| # taz.de -- Die Wahrheit: Tätärätä am Satiretag | |
| > Tagebuch einer Zapperin: Zwischen den Jahren ist es vernünftiger, die | |
| > Steuerunterlagen zu sortieren, als auf der Suche nach Humor im Fernsehen | |
| > nicht fündig zu werden. | |
| Bild: Höher, schneller, hoch auf den Chefsessel? Karrierestreben und Glück ge… | |
| Für die Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr nimmt sich der Mensch | |
| gewöhnlich alle möglichen Dinge vor, die unbedingt erledigt werden müssen. | |
| Steuerunterlagen sortieren, endlich die gehorteten Zeitungsartikel lesen, | |
| Hand- und Mantelttaschen entmüllen. Und was tut man stattdessen? Man lenkt | |
| sich nach Kräften ab. Zum Beispiel mit sinnlosem Zappen durch die | |
| Fernsehkanäle. | |
| Unvorsichtigerweise verweilt man an einer Stelle länger und findet sich | |
| plötzlich mitten im 3sat-Satirefestival-Thementag. Offenbar ein | |
| Jahresrückblick, in dem einen ganzen Sendetag lang Menschen in merkwürdig | |
| unerwachsener Kleidung mit langen Schritten über die Bühne eines gut | |
| gefüllten Veranstaltungssaals stelzen und Sätze voll ungeheurer Sprengkraft | |
| ins ordentlich angezogene und gescheitelte Publikum schleudern. „Je voller | |
| der Brüderle wurde, desto leerer wurde die FDP!“ | |
| Ho-hoo, da lacht der Satirefreund! Allerdings mit etwas Verspätung, denn im | |
| Saal dauert es, bis der Witz von der Rampe in die vorderen Reihen gekullert | |
| ist. Der hart arbeitende Alleinunterhalter auf der Bühne, der sich | |
| unbarmherziger Politikerschelte verschrieben hat, räumt unbeirrt weiter auf | |
| im Skandalsumpf. „’Berliner Flughafen teileröffnet‘. Und was heißt das | |
| jetzt? Unser Gepäck fliegt in Urlaub, und wir bleiben hier?“ Das Publikum | |
| bedankt sich artig mit Gelächter. „Ja wo simmer denn?“, setzt er, derart | |
| angefeuert, noch einen drauf. In der Humorhölle. Ganz ohne Zweifel. | |
| „Die Demokratie wird an internationale Konzerne verhökert!“ Potzblitz! „… | |
| haben die Wahl zwischen 1.000 TV Programmen, und man möchte vor jedem | |
| einzelnen kotzen!“ Ja, und besonders bei einem wie diesem, das den | |
| knallharten James-Bond-Titel „Alles ist nie genug“ trägt. The world is not | |
| enough, und in der Welt der 3sat-Satire wird jetzt zum endgültigen Schlag | |
| ausgeholt: „Man hat keine Erwartung mehr an diese Bundesregierung, und | |
| selbst das können sie nicht erfüllen!“ Tätärätäääää … welch ein F… | |
| Kaum hat man sich erholt, stapft nach dem deutschen Satire-Bond ein Mann | |
| mit wild abstehendem Haar in kanarienbuntem Hemd über die Bühne. Müssen | |
| Satiriker so aussehen? | |
| Meine große Liebe Kurt Tucholsky war ein kleiner dicklicher Mann in Anzug | |
| und Krawatte, der beißende Texte schrieb und die Frauen liebte. „Nun sitzt | |
| zutiefst im Deutschen die leidige Angewohnheit, nicht in Individuen, | |
| sondern in Ständen, in Korporationen zu denken“, schrieb er. „Warum sind | |
| unsere Witzblätter, unsere Lustspiele, unsere Komödien und unsere Filme so | |
| mager? Weil keiner wagt, dem dicken Kraken an den Leib zu gehen, der das | |
| ganze Land bedrückt und dahockt: fett, faul und lebenstötend.“ Das war 1919 | |
| (!) im Berliner Tageblatt. „Was darf die Satire?“, fragte er und antwortete | |
| selbst: „Alles.“ Und nicht bloß ein bisschen Gerempel gegen die Politik und | |
| ihre führenden Vertreter sowie Einverständnisheischerei mit dem Publikum | |
| Liebes Universum, mach, dass es Witz und Chuzpe regnet, bis wir und unsere | |
| Fernsehanstalten unter Wasser stehen! | |
| 8 Jan 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Pia Frankenberg | |
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