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# taz.de -- Die Wahrheit: Tod eines Schauspielers
> Tagebuch einer Erschütterten: Philip Seymour Hoffman hat uns mit seiner
> Kunst den Widerstand gegen die Angst vor der Selbsterforschung verlieren
> lassen.
Bild: Philip Seymour Hoffman als Agent Günther Bachmann.
Die Meldung klebte wie beiläufig am Ende der Sonntagsnachrichten: Philip
Seymour Hoffman ist gestorben. Ist es übertrieben, wenn einen die Nachricht
vom Tod eines Schauspielers, den man nicht persönlich kannte, mitten ins
Herz trifft?
Es gibt Schauspieler, deren Wandlungsfähigkeit atemberaubend ist. Zu Recht
verehren wir sie, aber sie kommen uns nicht wirklich nah, denn bei aller
Virtuosität haben sie einen Weg gefunden, sich gegen die Gefahren des
Zu-weit-Gehens, die ihre Arbeit mit sich bringt, zu schützen. Diese
Fähigkeit zum Selbstschutz ist jedem Menschen, auch Schauspielern, zu
wünschen.
Und dann sind da jene anderen Schauspieler, deren Schutzhülle porös ist.
Philip Seymour Hoffman war einer von ihnen. Schauspieler wie er werden
geliebt. Man möchte, dass sie nie aufhören zu spielen, dass sie einen ein
Leben lang begleiten. Man will ihnen zusehen und mit ihnen bangen, wenn sie
zu ihren heiklen Exkursionen in die unberechenbaren menschlichen
Innenwelten ihrer Rollen aufbrechen, und nach und nach, Film für Film, will
man mit ihnen alt werden. Wenn so einer plötzlich stirbt, ist man
überzeugt, es könne sich nur um ein schreckliches Missverständnis handeln
im großen, undurchschaubaren Plan der Vorsehung.
Die Fassungslosigkeit, die Untröstlichkeit, die man empfindet, basiert
nicht nur auf dem Verlust, sondern auch auf Schuldgefühlen. Man will diesen
Tod nicht wahrhaben und fühlt sich verantwortlich, weil er jemanden
getroffen hat, der – quasi stellvertretend für uns Zuschauer – physisch und
psychisch mehr riskiert hat, als man selbst es je wagen und ertragen würde.
Man fühlt sich wie ein Ausbeuter, der nur genommen hat, aber nichts
zurückgab. Dabei ist es gar nicht so, dass Philip Seymour Hoffman uns in
seine Seele hätte blicken lassen. Seine Kunst bestand darin, unseren
Widerstand gegen die Angst vor der Selbsterforschung aufzulösen; er weckte
in uns die Bereitschaft, uns zu öffnen, so dass wir, während wir ihm
zusahen, nicht in sein Inneres schauten, sondern in unser eigenes. Dabei
hat er uns nicht nur gezeigt, wie wir sind, sondern auch wie wir sein
könnten, würden wir anders, weniger vorsichtig leben.
Schauspieler, die uns in solcher Weise anrühren können, gibt es nicht
viele, und einige haben es, wie Hoffman, nicht überlebt. Heath Ledger
gehörte dazu, James Gandolfini, Susanne Lothar. Was immer der Grund für
ihren Tod war – Erschöpfung, Ängste, Drogen, Krankheit –, jedes Mal war er
ein Schock, jedes Mal traf er einen ins Herz.
Am Donnerstag beginnt die Berlinale. Zehn Tage lang kann man Filme sehen
und Schauspieler, die man liebt. Tilda Swinton, Bill Murray, Owen Wilson,
Tom Wilkinson, Adrian Brody und viele mehr haben Rollen in „Grand Hotel
Budapest“, dem Eröffnungsfilm von Wes Anderson. Welch ein Ensemble! In die
Vorfreude mischt sich die Trauer, dass es nie mehr einen neuen Film mit
Philip Seymour Hoffman geben wird, nie mehr die Neugier, was er einen
diesmal entdecken ließe und wie er zu uns sprechen würde mit seiner
schönen, sanft-rauen, unwiederbringlichen Stimme.
5 Feb 2014
## AUTOREN
Pia Frankenberg
## TAGS
Philip Seymour Hoffman
Schauspieler
Philip Seymour Hoffman
Uli Hoeneß
Tierwelt
Düsseldorf
Film
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