# taz.de -- Die Wahrheit: Das fast perfekte Thanksgiving | |
> Die Tücken eines Festtages und an was unbedingt noch bei einem zünftigen | |
> amerikanischen Erntedank gedacht werden muss. | |
Einmal im Jahr herrscht in meinem Leben über Wochen Ausnahmezustand. Nach | |
langjährigem Training vor Ort verfolge ich die Mission, meinen Landsleuten | |
die Rituale eines unverfälscht amerikanischen Thanksgiving nahezubringen. | |
Ende Oktober fange ich an, Rezepte zu wälzen, Einladungen zu mailen und | |
Geflügelhändler zu nerven: Wo lebt – noch – mein zukünftiges Prachtstüc… | |
Was frisst er? Ist er glücklich? Wie glücklich? Dazu die tägliche | |
Nachfrage, ob das gute Tier auch pünktlich geliefert …? Parallel läuft die | |
alljährliche Fahndung nach „Libby’s All Natural Pumpkin Purée“ (gefunde… | |
und frischen Cranberries (im KaDeWe zum Preis eines mittleren | |
Brilliantrings, die Jagd geht weiter). | |
In der Woche vor dem Ereignis behaupten Freunde, Züge von Fanatismus an mir | |
wahrzunehmen, dabei ist es völlig normal, drei Tage vor Turkeyday das Haus | |
nur noch zu letzten Einkäufen zu verlassen, nach Großküche zu riechen und | |
auf Nachfragen zu Mitbringseln kurz angebunden Blumen abzuwehren | |
(Vasensuche behindert den Festablauf!), dafür aber Tupperware zu fordern | |
(wg. Resten). Erfahrungsgemäß isst man nämlich anschließend bis an sein | |
Lebensende Truthahn. | |
Am Tag der Festivität, die ich mangels eines deutschen Thanksgiving vom | |
Donnerstag auf den Samstagnachmittag verlege, ist der Gast nicht nur von | |
all den Herrlichkeiten geblendet (Sweet Potatoes mit Coffee-Maple Sirup und | |
geräucherten Mandeln, Turkey nach Cajun Art …), sondern auch freudig | |
überrascht, als Ersatz fürs traditionelle Thanksgiving-Football nach der | |
ersten Runde am Buffet vor der Glotze mit der Bundesliga crashen zu dürfen. | |
Es folgen weitere Runden „All You Can Eat“, bis sich schwerbäuchige Esser | |
gegen Mitternacht mit der letzten, randvollen Tupperware nach Hause | |
schleppen. | |
Derweil entwickelt sich in der Küche beim Restemanagement der einsame Kampf | |
mit der Frischhaltefolie. Lässt sich nicht abreißen, und wenn, nur in | |
Fetzen; klebt an sich selbst fest, aber nicht an Schüsseln; zu schmal für | |
Behälter, die größer sind als aus dem Kinderkaufmannsladen; bildet | |
Kondenswasser, das in Kartoffelpüree tropft … | |
Neulich im TV hat einer seinen voll beladenen Leiterwagen rundum mit | |
Frischhaltefolie gesichert! Was zum Teufel mach ich falsch? Onlinesuche | |
bietet keine Hilfe, dafür aber die Nachricht, dass im Zentrallager Mahlberg | |
von Aldi Süd Auszubildende mit Frischhaltefolie an Pfosten gefesselt | |
wurden, weil sie aufmüpfig waren. Ja, toll! Aber einfach mal ’ne Schüssel | |
luftdicht verschließen? Ich prophezeie, wer es schafft, | |
Frischhaltefolienabreißvorrichtungen zu entwickeln, die ohne | |
Ingenieurausbildung zu handhaben sind, hat ausgesorgt! | |
Also, folgendes Angebot: Ich bin bereit, die Profite mit dem zu teilen, der | |
das technische Know-how mitbringt, dafür übernehme ich die Verhandlungen | |
mit Partnern aus der Industrie. In so was bin ich super! Meine zukünftigen | |
Geschäftspartner würde ich auch zum nächsten Turkeyday einladen. Bis unser | |
Patent in Produktion ist, bitte Tupperware mitbringen! | |
5 Dec 2013 | |
## AUTOREN | |
Pia Frankenberg | |
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