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# taz.de -- Veggi-Fashion-Week: Tiere kommen aus der Mode
> Man fühlt es: Das Berliner Modelabel "Umasan" macht vegane Mode - die
> weichen Stoffe sind aus Fasern von Buchenholz, Bambus und Algen.
Bild: Garantiert bärenfellfrei, Mode aus GB
Im Winter ist es schwer, vegan zu leben – da machen sie auch schon mal eine
Ausnahme. Dann tragen die eineiigen Zwillinge Anja und Sandra Umann auch
mal Lederschuhe oder Wolljacken. „Wenn es kalt ist, sucht man sich das
kleinste Übel“, sagt Sandra Umann.
Ansonsten aber leben die zierlichen, 35 Jahre alten Frauen seit sieben
Jahren vegan und haben 2010 das Modelabel „Umasan“ gegründet, das völlig
ohne tierische Produkte auskommt. Ohne Pelz, Leder, Wolle, Kaschmir, Daunen
und Seide also. Stattdessen sind die Stoffe, die meist aussehen, wie Cord,
Tweed oder Jersey eben aussehen, aus Bio-Baumwolle und neuartigen
Naturfasern, zum Beispiel aus Buchenholz, Bambus, Eukalyptus oder Algen.
Man sieht es der Kleidung auf den ersten Blick nicht an – aber sie fühlt
sich oft anders an. Besonders die Jerseystoffe mit Algen-Anteil sind sehr
weich. „Weil die Haut immer einen leichten Feuchtigkeitsfilm hat, kann sie
die Mineralien aus den Algen im Stoff aufnehmen“, sagt Sandra Umann. Das
wirke wundheilend, antibakteriell und beruhigend. Sandra Umann selbst hat
Neurodermitis und sagt, sie vertrage kaum ein Material auf ihrer Haut – bis
auf die Naturfasern.
Hauptbestandteil der weichen Jerseystoffe ist aus Holz gewonnene Zellulose;
eine Buche etwa liefert genug Material für 1.300 bis 1.500 T-Shirts. Dieser
Grundstoff wird mal mit Zink, mal mit Algen versetzt. Außerdem sind die
Stoffe frei von jeglicher Chemie, und die Farbe wird den Fasern früh
beigemengt. So sitzt sie tief im Stoff statt an der Oberfläche und damit
direkt auf der Haut. Nur auf einen kleinen Anteil der Kunstfaser Elastan
kann nicht verzichtet werden: „2 bis 3 Prozent“, sagt Sandra Umann. „Aber
es geht noch nicht ganz ohne.“
Die Verfahren haben ihren Preis: Ein einfaches T-Shirt von Umasan kostet
zwischen 100 und 150 Euro, eine Hose zwischen 250 und 450 Euro. „Es ist
eher ein besonderes Lieblingsteil als etwas, das man sich jeden Monat
kauft“, sagt Anja Umann.
Die Schwestern wissen, dass das viel Geld ist – sie wuchsen in einer
Familie auf, „in der nicht alles auf dem Silbertablett serviert wurde“, wie
Anja Umann sagt. Deshalb musste nach der Schule erst einmal eine
bodenständige Ausbildung her. Mit 16 Jahren zogen sie aus ihrer Heimatstadt
Dresden nach München und lernten medizinisch-technische Assistenz. Seit
diesem Auszug ernährten sie sich auch vegetarisch. Bei den Eltern hatte es
immer viel Fleisch gegeben, „das haben wir nie so richtig gemocht“, erzählt
Sandra Umann, aber nun trafen die Schwestern ihre eigenen Entscheidungen.
Die für einen vegetarischen und später veganen Lebensstil fiel zum Großteil
„aus moralischen Gründen“, wie sie sagen. „Es geht um die Art und Weise,
wie Tiere gehalten werden, und Maßlosigkeit, mit der sie genutzt werden“,
erklärt Sandra Umann, „dazu kommt die damit verbundene Umweltbelastung.“
Gleichzeitig faszinierte sie Mode – und durch die Inspiration in München
hatten sie schließlich das Gefühl, mehr wagen zu können. So setzten beide
ein Studium drauf: Anja studierte Modedesign und schloss an der Akademie
für Mode und Design in München als „best graduate“ ab, eine Wahl, die
Professoren und Modejournalisten zu jedem Jahrgang treffen. Neben dem
Studium entwarf sie bereits für das Label „Strenesse“ von Gabriele Strehle,
danach für Wolfgang Joops „Wunderkind“ und das japanische Label „Yamamot…
Sandra Umann studierte Fotografie und arbeitete als Fotografin unter
anderem für Vogue und Gala. Heute macht sie alle Fotos für „Umasan“.
Beide Schwestern lebten einige Jahre in Paris und Tokio und begannen, sich
für Yoga und fernöstliche Philosophie zu interessieren. Bis Designerin Anja
Umann die Idee hatte, Yoga-Mode zu entwickeln: „Ich wollte Yoga-Kleidung
machen, die man danach anlassen kann, um die Energie mit in den Tag zu
nehmen.“ Da die Materialien die Haut atmen ließen, viel Feuchtigkeit
aufnähmen und Geruch neutralisierten, sei das kein Problem, erklärt Sandra
Umann.
Für dieses Projekt, dachten sie, sei ein Umzug nach Berlin nötig: „Wir
wussten, dass man sich hier kreativ austoben kann und die Leute sehr offen
sind“, sagt Anja Umann. Im März 2011 eröffneten sie schließlich am
Rosa-Luxemburg-Platz ihren ersten Laden. In Berlin wuchs das ursprüngliche
Konzept allerdings schnell über Yoga-Mode hinaus – nur der Name „Umasan“
weist noch auf die indische Göttin Uma hin. Und die Ruhe, Schlichtheit und
Einheit, die die Schwestern mit Yoga verbanden, blieben zentrale
Stilmerkmale ihrer Arbeit.
Bei ihrer Kleidung gibt es keine Farbexplosionen oder Materialschlachten.
Stattdessen wird der Schnitt betont, und die Farben sind zurückhaltend:
Vieles ist schwarz, weiß oder, wie Anja Umann sagt, „nichtfarben“ wie grau
oder dunkelblau. Das sei zeitlos, sagt Sandra Umann, „es lenkt nicht ab von
der Form und ist keinem Trend unterworfen“.
Nein, Trendiges wird man bei ihnen nicht finden. „Man kann bei unseren
Teilen wohl nicht sagen, ob sie aus der aktuellen Kollektion sind oder von
letztem Jahr“, sagt Anja Umann. Denn sie verweigern sich den schnellen
Rhythmen der Modebranche: Statt wie üblich vier machen sie nur zwei
Kollektionen im Jahr, einen Schlussverkauf gibt es nicht. „Dieses ’Immer
schneller‘ und ’Immer mehr‘ geht irgendwann nicht mehr auf“, sagt Sandra
Umann. „Innovation in der Modebranche bedeutet auch, Luxusirrtümer zu
korrigieren.“
Mit diesen Luxusirrtümern – Schnelligkeit, Oberflächlichkeit und
Konsumverhalten – prallen die Schwestern zusammen, wenn sie wieder auf der
Berlin Fashion Week ab dem heutigen Dienstag ausstellen. „Die
Eröffnungsshow, bei der jeder Designer zwei Outfits präsentieren kann,
sieht immer aus, als wäre alles aus einer Kollektion: Alle machen das
Gleiche, das, was gerade ’in‘ ist. Wir stechen da immer total raus“, sagt
Sandra Umann. Dabei gebe es in Berlin auch viel Mode, die nicht nach diesen
Prinzipien funktioniere. Dieses „echte Berlin“ sei nur leider viel zu
unterrepräsentiert auf der Fashion Week.
Außerdem bietet das „echte Berlin“ auch einiges an veganer Mode: Es gibt
sowohl vegane Einzelteile von sonst nicht veganen Marken als auch komplett
vegane Läden für Kleidung oder Schuhe. „Umasan“ ist jedoch unter den
Berliner Produzenten mit Abstand das erfolgreichste Label und das einzige,
das vegane High End Fashion macht.
Demnächst werden die Schwestern einen zweiten „Umasan“-Store eröffnen –…
Bikini-Haus in Charlottenburg, das im März fertig sein soll. Zudem
beliefern sie mittlerweile rund 60 Händler unter anderem in den USA, Japan,
Russland und Frankreich. Das Konzept funktioniert, sagen sie, weil sie
beides bedienen: überzeugte Veganer, die sich über Mode freuen, die nicht
aus Hanf, Jute oder Leinen ist. „In den USA gibt es eine große Szene, die
deshalb bei uns kauft“, sagt Anja Umann. Auch die Tierrechtsorganisation
Peta zeichnete „Umasan“ kürzlich mit dem Vegan Fashion Award aus.
Zum anderen aber sprechen die Schwestern auch Modebewusste an, die sich
noch nicht viel Gedanken um Ökologie und Tierschutz gemacht haben müssen.
„Die sind zum Beispiel in Italien. Da schauen die meisten Kunden allein auf
den Stil und sind überrascht, wenn sie von der Verkäuferin erfahren, aus
welchem Material unsere Mode eigentlich gemacht ist“, sagt Anja Umann. Es
ist ein Lifestyle-Konzept, „wir predigen keinen dogmatischen Verzicht. Wir
wollen dazu ermuntern, das eigene Maß zu finden“, sagt Sandra Umann.
Was sind angesichts dieses Erfolgs ihre Zukunftspläne? „Nicht stehen
bleiben“, sagt Anja Umann. Und: Sie hätten keine Angst vor Kopien, im
Gegenteil. Um das Konzept von veganer Mode und Nachhaltigkeit zu
verbreiten, „wollen wir andere dazu inspirieren, nachzuziehen“.
13 Jan 2014
## AUTOREN
Maja Beckers
## TAGS
Tiere
Mode
Vegetarismus
Ernährung
Berlin
Artgerechte Tierhaltung
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